Routinetätigkeiten werden durch Bürorationalisierung auf "problemlose" Arbeitskräfte abgeschoben:

Textverarbeitung: Qualifizierte Arbeit nur für wenige

03.07.1981

Künftig werden nur noch für einige wenige privilegierte Sachbearbeiter qualifizierte Tätigkeiten übrig bleiben. Schuld daran gibt Dr. Friedrich Gerstenberger vom Soziologischen Forschungsinstitut, Göttingen, dem vermehrten Einsatz der Technik in den Büros, die ein Standardisieren der Texte ermöglicht. Zunehmen, so Gerstenberger, werde dadurch indes gleichförmige und ermüdende Bildschirmarbeit. Gerstenberger weiter:

Die gegenwärtige Bürorationalisierung richtet sich immer stärker auf Sachbearbeitertätigkeiten. Die konkreten Formen der Rationalisierung im Büro sind dabei weniger durch Anforderungen der Technologie als vielmehr durch arbeitsorganisatorische Überlegungen der Unternehmensleitungen und Verwaltungsspitzen bestimmt:. Es ist den Unternehmen gelungen, nach den hohen Zunahmen noch Anfang der 70er Jahre die Mitarbeiterzahl in den Griff zu bekommen. Und dies auch dann, wenn - wie beispielsweise bei den Versicherungen - der Geschäftsumfang noch weiter erheblich steigt. Die Produktivität der Sachbearbeiter ist dabei beträchtlich gestiegen, und es konnte deswegen Personal reduziert und Kosten gespart werden. Die Personalkosten steigen nun nicht mehr aufgrund der Zunahme der Mitarbeiter, sondern nur noch aufgrund steigender Gehälter. Für die Unternehmen war das Ganze ein finanzieller Erfolg. Möglich wurde er einzig durch Rationalisierungsmaßnahmen wie programmierte und computergestützte Textverarbeitung.

EDV ersetzt berufliche Fähigkeiten

Nun im diesem Bereich eine ganz entscheidende und nicht mehr zu schließende Lücke geschlagen: Was der Sachbearbeiter für sein besonderes berufliches Wissen und seine besonderes berufliche Fähigkeiten hielt, ist ihm entrissen. Heute setzt ihm die Unternehmensführung per Organisations- und EDV-Abteilung Richtlinien für seine Arbeit vor. In der Regel bleibt so nur noch ein kleiner Teil von Fällen übrig, bei denen der Sachbearbeiter umfassendes berufliches Wissen und langjährige Erfahrung braucht.

Bisher wurde die EDV vor allem eingesetzt für:

- das Speichern von Informationen über Kunden, Verträge, Artikel nach verschiedenen Kriterien - also eine EDV-Datei und ihre Pflege;

- Berechnungen, Zuordnen und/ oder Erteilen von Bescheiden, Bestätigungen - also die erste Form der Textverarbeitung durch die EDV;

- das Erfassen von Arbeitsergebnissen und deren EDV-internene Weiterleitung in entsprechende Dateien.

Nur vereinzelt papierlose Sofortverarbeitung

Der Sachbearbeiter geht dabei überwiegend manuell mit der EDV um. Er bekommt Daten in Form von Listen für die Bearbeitung (Vertragsspiegel, Kontoauskünfte, Artikellisten, Adressenaufkleber). Außerdem füllt er verschiedene Datenerfassungsbelege aus, deren Daten dann wieder in die EDV eingegeben werden - sei es für Berechnungen oder zum Abspeichern. EDV-Verarbeitung und Sachbearbeitung sind also getrennt.

Von diesem Stand der Technologie und des Umgangs mit der EDV im Sachbearbeiterbereich gibt es allerdings Ausnahmen, nämlich den regelmäßigen Umgang des Sachbearbeiters mit dem Bildschirm, verbreitet bisher vereinzelt

- in der Antragsbearbeitung von Versicherungen;

- in der Darlehensbearbeitung von Banken und Bausparkassen;

- in der Erledigung des Zahlungsverkehrs in Banken;

- neuerdings auch stärker in den Einkaufsbereichen und dem Bereich in der Materialwirtschaft in der Industrie;

- ebenso neuerdings in der Verkaufsabwicklung der Industrie und in der Kfz-Zulassung in Kommunalverwaltungen;

- in Kassen-, Rechnungs-, Buchhaltungsbereichen .

Hierbei erledigt der Sachbearbeiter seine Bearbeitung an dem Bildschirm über Sofortverarbeitung überwiegend papierlos .

Doch heißt das nicht, daß alle Bildschirme, die in Unternehmen und Verwaltungen stehen, der Bearbeitung dienen, ein Großteil dient - abgesehen von der zunehmenden Anzahl der Bildschirme, über die durch Datentypistinnen Dateneingabe erfolgt - nur Auskunfts- und Suchzwecken.

Und dort, wo Sachbearbeitung am Bildschirm stattfindet, sind es in der Regel nur einzelne Bearbeitungsvorgänge; die Sachbearbeiter müssen immer noch in erheblichem Umfang Erfassungsbelege ausfüllen. Nach wie vor handelt es sich also um Teilautomatisierung von Aufgaben.

Wenn auch in Zukunft der Bildschirmeinsatz in der Sachbearbeitung zunehmen wird, so ist es doch recht unsinnig, von der Entwicklung hin auf ein vollautomatisiertes Büro zu sprechen.

So gibt es frappierende Unterschiede im Stand der organisatorischen und technischen Rationalisierung zwischen Abteilungen selbst eines Unternehmens. Dafür ist nicht nur verantwortlich, daß die EDV bei eh schon stark schematisierten Tätigkeiten einsetzte, es sind auch Widerstände von Abteilungsleitern gewesen, die einen Einsatz der EDV verhindert haben. Der Einsatz und die Weiterentwicklung der EDV ist nicht nur ein Konfliktfeld für die Mitarbeiter, sondern in ganz erheblichem Grade auch der Führungskräfte.

Qualifizierte Arbeit beruht auf Routinetätigkeiten

Der Sachbearbeiter hat nun in der Regel durch die EDV und gewisse organisatorische Umstellungen (Arbeitsteilung nach Routine - und schwerere Fälle) mehr Zeit für seine "eigentlichen" Aufgaben gewonnen. Datenerfassungs- und Eingabearbeiten werden abgespalten und in besonderen Abteilungen konzentriert. Dieses Vor- und Nachbereiten sorgt dafür, daß der Sachbearbeiter alles fertig auf den Tisch oder Bildschirm bekommt. Ebenso steht ihm ein abgetrenntes Schreibbüro oder ein zentraler Schreibdienst zur Verfügung. Da in diesen Umfeld - oder Serviceabteilungen die Arbeit stark routinisiert ist, leistet er seine qualifizierte Arbeit praktisch auf einer Basis von Routinetätigkeiten.

Die Sachbearbeitertätigkeit wird also aufgeteilt: Durch die EDV werden häufig bisher einheitliche Sachbearbeitungsgruppen und manchmal auch Abteilungen zerschlagen; die EDV-näheren Routinetätigkeiten werden auf die Hilfssachbearbeiter oder Zuarbeiter übertragen und der "eigentliche" Sachbearbeiter beschäftigt sich nur mehr mit gehobeneren Aufgaben.

Für die Routine-Sachbearbeiter bedeutet dies in der Regel ein Abschneiden von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und eventuellen Aufstieg. Daß dies auch gar nicht mehr gewollt ist, zeigt sich daran, daß im nächsten Schritt oft der Einsatz angelernter und von Teilzeitkräften - an Frauen - an diesen Routineplätzen und Bildschirmen geplant ist.