Auf dem Weg zum vollintegrierten Büro

Textverarbeitung: Großes Thema für kleine Computer

07.11.1975

MÜNCHEN - Datenverarbeitung, so meinten die Experten auf dem Systems-Symposium "Computerunterstützte Textverarbeitung (CTV)", das letzte Woche in München über 200 Lernwillige versammelte, sei eine Art Mißverständnis des Computers. Informationsverarbeitung komme der tatsächlichen Aufgabe und den Möglichkeiten des Computers schon näher. Dann aber sei der gegenüber der numerischen Datenverarbeitung nach Masse und Zahl der damit beschäftigten Büromenschen viel gewichtigere Komplex Textverarbeitung nicht nur inbegriffen, sondern die Alpha-Computerei sei das DV-Thema an sich.

Nun, das hört man seit Jahren: die eigentliche Rationalisierungsreserve im Büro sei der Bereich Textverarbeitung, in dem mindestens drei Millionen Beschäftigte unmittelbar tätig sind, in den aber nahezu alle der über zehn Millionen büronahen Berufstätigen als Diktierer oder sonstige "Textverursacher" verstrickt sind.

Bisher ging's langsam

Und seit Jahren kann man hören, die Textautomation sei im Anmarsch, jedenfalls demnächst. Zur Zeit und in der Vergangenheit allerdings taten sich die Hersteller von Textverarbeitungsautomaten "konventioneller Bauart" arg schwer, in der Wirtschaft das rechte Textbewußtsein zu wecken. Alle schönen Wirtschaftlichkeitsberechnungen, nach denen ein individueller Brief im Schnitt etwa 15 Mark kostet, der aus Textbausteinen programmiert und automatisiert gepuzzelte Sendschreiben aber bereits für "Dreifuffzig" zu erstellen sei, zogen bislang nicht recht. Nicht einmal Diktiergerät ist Erfolg auf der ganzen Linie geworden: der Jahresabsatz in der BRD stagniert bei rund 200 000 Geräten. Und Experten wie Philips-Vertriebschef Dr. Heinz Munter wissen zu berichten: "Die Hälfte davon steht in Schränken herum und verstaubt. Das Nützliche wird nicht benutzt."

Dedizierte Textcomputer

Das soll jetzt alles anders werden: die kleinen Computer, integriert in "dedizierte Textverarbeitungssysteme", sollen die Papierflut umschaufeln helfen.

Klaus Haider, Unternehmensberater aus Kanada und international bekannter Experte für computerunterstützte Textverarbeitung, entwarf unter de Thema "CTV - ein offener Markt" vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklung in den USA ein hinreißendes s "Schlachtenpanorama" über die Zukunft des Büros, wohlverstanden als die Zukunft der Text/Informationsverarbeitung.

Kosten müssen runter

Das mochte den Zuhörer, der es liebt, seine Geschäftskorrespondenz mit dem Kugelschreiber selbst auf's Papier zu werfen, schaudern machen. In den Ohren der Organisatoren und Chefs, für die Papierflut ja vor allem Schreibpersonal und steigende Lohnkosten bedeuten, klang es wie Musik Kostensenkungen in der Relation von 4:1 beim Vergleich vom Schreibmaschinentext zum "Word Processing" auf einem computerisierten System sind ein (Haider-)Wort.

Service-Büro-Großanlagen oder auch firmeneigene Großcomputer für die Textverarbeitung werden in den USA eingesetzt und sind auch hierzulande bekannt: Versicherungen und ähnliche Institutionen pflegen bereits den Computerbrief.

Initiative kommt von kleinen Computern

Dieser Markt allerdings stagniert, jedenfalls in den USA. Die neuen Initiativen kommen von Minicomputern und Microprocessoren. Minicomputersysteme für die Textautomation mit der typischen Konfiguration mit Tastatur, Bildschirm und Platte/Diskette eignen sich für große Textmengen beziehungsweise die Bearbeitung umfangreicher Dokumente. Sie bieten den Zusatznutzen, daß auch reine Datenverarbeitungsprogramme technischer oder kommerzieller Art gefahren werden können. Die Zukunft aber liegt eine Etage tiefer: bei "dedizierten Systemen, die auf Microcomputern aufbauen. Auch hier sind Bildschirme, auf denen der Text redigiert werden kann, und Diskette oder Magnetbandkassette als externes Speicherelement typische Bestandteile der Konfiguration. Solche Systeme, die überdies kaum teurer sind als konventionelle Textautomaten, sind in den USA bereits in großen Stückzahlen (ca. 10 000) installiert.

Hohe Installations-Zahlen erwartet

Der Bestand wächst rasch. Es gibt rund zehn Hersteller, die seit einem Jahr etwa auch auf den deutschen Markt drängen. Die Zukunft auch hierzulande- so Haider- läßt erwarten, daß die Zahl der Installationen weit das übertreffen wird, was man etwa vom MDT-Markt bisher schon gewohnt ist.

Mit den Systemen für die computerunterstützte Textverarbeitung, so wiederum Text-Prophet Haider, kommt das integrierte Büro. Daten- und Textverarbeitung wachsen zusammen. Textausgabe über computerunterstützte Systeme auf neue Druckgeräte (elektronisch, elektrosensitiv, xerographisch), unmittelbar auf Mikrofilm oder direkt in die Photosetzmaschine sollen büroalltäglich werden. Die Verknüpfung mit Kopiergeräten, Faksimileübertragungseinrichtungen und dem Telefon- und Fernschreibnetz runden das Bild: die totale Information. Das totale Büro: großes Thema für kleine Computer.