Einsatzeffizienz der Textverarbeitung hängt wesentlich von informierten Mitarbeitern ab:

Text- und Datenverarbeitung künftig verzahnen

23.04.1982

Besondere Bedeutung für die Abwicklung der Geschäftstätigkeit bei der Hessischen Landesbank (Helaba) hat die Datenverarbeitung, Die gemeinsam mit dem Rechenzentrum der Hessischen Sparkassen-Organisation (RHSO) betrieben wird. Herzstück der DV mit einem weitverzweigten Fernverarbeitungsnetz sind zwei Systeme IBM 3033 Anschlußprozessor-Komplex. Mitte der 60er Jahre bereits entschloß sich die Helaba, zur Bewältigung der immer stärker anwachsenden Korrespondenz, die Schreibarbeiten durch organisatorische Maßnahmen effizienter zu gestalten.

Der erste Schritt in Richtung "Organisierte Textverarbeitung" wurde mit der Errichtung zentraler Schreibsekretariate getan. Bis heute existieren in verschiedenen Abteilungen unseres Hauses zwölf Schreibsekretariate mit ca. 100 Mitarbeiterinnen. Zu den positiven Wirkungen zählten insbesondere eine Produktivitätssteigerung von zirka 25 Prozent und ein besserer Personalausgleich bei Urlaub und Krankheit. Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitere Arbeitsplätze, an denen neben schreibender Tätigkeit auch Neben- und Hilfstätigkeiten für einzelne Sachbearbeiter zu erledigen sind. Die damals eingesetzten Hilfsmittel - elektrische Schreibmaschinen, Diktier- und Wiedergabegeräte - sind bis heute gleichgeblieben.

Zwei Faktoren haben maßgeblich dazu beigetragen, die Weiterentwicklung der Textverarbeitung bei uns stärker als bisher zu betreiben:

- Die Helaba steht am Bankenplatz Frankfurt einer starken Konkurrenz gegenüber. Um am Markt bestehen zu können, ist ein betriebswirtschaftlicher Zwang zur Kostensenkung und damit zur Rationalisierung gegeben.

- Der Arbeitskräftemarkt für Stenotypistinnen und Phonotypistinnen in und um Frankfurt ist außerordentlich klein. Die Personalanforderungen der Fachabteilungen konnten entweder gar nicht oder nur unzureichend gedeckt werden.

Projektvorbereitung

Den für die Textverarbeitung verantwortlichen Stellen bei uns war klar, daß eine gravierende Veränderung der Aufgabenerfüllung "Schreiben" nur durchgesetzt werden konnte, wenn eine umfassende Information aller Beteiligten an den Anfang der Projektarbeit gestellt würde.

Nach Bildung des Projektteams, dem Mitarbeiter der IBM, unserer Fachabteilung und Organisation angehörten, wurde ein Zielkatalog erarbeitet. Die wichtigsten Punkte waren:

- Prüfung des Einsatzes der computerunterstützten Textverarbeitung (abgekürzt CTV) in der Hypothekenabteilung.

- Erarbeitung eines Stufenplanes für die Realisierung.

- Übertragbarkeit des Konzeptes auf andere Abteilungen.

- Verbesserung des Servicegrades in der Hypothekenabteilung.

Die Ist-Aufnahme (Abbildung 0 versetzte uns in die Lage, Leistungskennziffern zu erarbeiten, Schwachstellen herauszuheben und den Anteil der CTV-fähigen Korrespondenz zu ermitteln. Aufbauend auf diesen Daten konnte das Projektteam den Bedingungsrahmen festlegen und eine Auswahlentscheidung treffen (Abbildung 2).

Texthandbuch

Aufbauend auf die in der Ist-Aufnahme festgestellten Arbeitsabläufe wurden die in der Abteilung vorkommenden Haupttätigkeiten (Sachgebiete) definiert. Dies war Grundlage für eine klare Strukturierung der zur Verfügung zu stellenden Texte im Texthandbuch. Dem Sachbearbeiter sollte die Möglichkeit gegeben werden, aufgrund der Fallbearbeitung einfach und schnell den passenden Text im Handbuch zu finden.

Wir entschlossen uns zu einem vierstufigen Aufbau und gliederten die einzelnen Sachgebiete über den Sachvorgang, den Sachgegenstand bis zum Sachverhalt auf. Damit war gleichzeitig eine Codifizierung der einzelnen Sachverhalte gegeben. Jedem Sachgebiet wurde eine grafische Darstellung mit erläuternden Begriffen vorangestellt. Der Sachbearbeiter kann auf einen Blick erkennen, ob der von ihm bearbeitete Vorgang im Handbuch vorhanden ist.

Der zweite Teil stellt Informationen in Kurzform zur Verfügung (Kurztexte), aus denen die Inhalte der einzelnen Textbausteine ersichtlich sind. Neben dem Sachverhaltscode, dem Betreff und den Kurztexten sind bereits die variablen Einfügungen und die Bausteinnummern dargestellt. Wir gehen davon aus, daß unsere Sachbearbeiter nach einer gewissen Zeit der Einarbeitung mit diesen Kurztexten ihre Briefe zusammenstellen können.

Im dritten Teil werden die Volltexte angeboten. Die für jeden Sachverhalt verfügbaren Bausteine sind eindeutig strukturiert, wobei jeder Sachverhalt Bausteine der Kategorien B, C und D enthält (B-Darstellung des Sachverhalts, C-Schlußfolgerungen/ Entscheidungen, D-Aktionen). Die Bausteine A (für die Anrede) und E (für die Grußformel) gelten für alle Briefe und sind deshalb für das gesamte Texthandbuch nur einmal vorhanden. In einigen Fällen gibt es neben den "normalen" Textbausteinen noch sogenannte Zusätze; sie stehen hinter den Bausteingruppen, für die

sie gültig sind.

Um bei der Nutzung des Texthandbuches flexibel zu sein, haben wir die Möglichkeit eröffnet, nach jedem Baustein individuelle Zusätze anbringen zu können. Durch diese Maßnahme wird der Sachbearbeiter in die Lage versetzt, außerhalb des Sachverhalts liegende Fragen des Kunden zu beantworten beziehungsweise zusätzlich erläuternde Informationen zu geben.

Alle innerhalb des Projektes anfallenden Tätigkeiten wurden mit einem detaillierten Netzplan gesteuert. Mit diesem natürlichen Hilfsmittel waren wir jederzeit in der Lage, gegebenenfalls entstehende Terminschwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und entsprechende Aktivitäten zum Gegensteuern einzuleiten. Nicht zuletzt darauf führen wir die reibungslose Abwicklung des Gesamtprojekts und insbesondere der Hard- und Softwareinstallation zurück. Da das Rechenzentrum und die Hypothekenabteilung in verschiedenen Gebäuden untergebracht sind, waren die daraus resultierenden Probleme zu berücksichtigen. An eine im Hause der Hypothekenabteilung installierte Mehrfachsteuereinheit IBM 3274 haben wir die Farb-Datensichtgeräte und Drucker angeschlossen. Der Betrieb wird über eine automatisch arbeitende Zeitschaltuhr geregelt.

Dem Projektteam war von Anfang an bewußt, daß das neu einzusetzende System nur dann akzeptiert würde, wenn die Bedienung einfach und ohne Schwierigkeiten möglich ist. Um dies zu erreichen, wurden Prozeduren entwickelt, die insbesondere das Schreiben, Korrigieren und Drucken von Bausteinbriefen und individuellen Briefen sowie die Eingabe, die Wartung und den Druck des Texthandbuches und des Bedienerhandbuches unterstützen. Neben der Kenntnis über die Wirkung der Programmfunktionstasten sind von den Damen des Schreibsekretariates nur einige wenige ATMS-Befehle und Formatierungsbefehle zu erlernen. Darüber hinaus wurden die Systemnachrichten ins Deutsche übersetzt. Bei der individuellen Brieferstellung brauchen die Damen nicht auf das Ende der Bildschirmzeile zu achten, da jedes Dokument automatisch (einschließlich Silbentrennung) formatiert wird.

Aufbauend auf den Erfahrungen anderer Banken haben wir nach Lösungen gesucht, das Texthandbuch als ein auf Dauer "lebendes" Hilfsmittel der Sachbearbeitung einzusetzen. Dies schien uns nur möglich, wenn die Abteilung in die Verantwortung für Pflege und Wartung der Texte einbezogen werden konnte. Zum anderen sollte sichergestellt werden, daß Textänderungen schnell umgesetzt werden. Die Schreibdienstleiterin erhielt deshalb eine besondere Ausbildung, die sich mit dem Eingabeformalismus, der Bereitstellung neuer Texte, der Pflege des Texthandbuches und der Abstimmung mit dem Textverarbeitungs-Beauftragten der Abteilung befaßte.

Die Sachbearbeiter-Schulung konnte wegen der vorgeschalteten Testphase auf ein Minimum beschränkt werden und hatte im wesentlichen die Darstellung der neuen Abläufe, die Arbeit mit dem Handbuch und dem Schreibauftrag zum Inhalt. Nach Produktionsaufnahme stand ein Mitarbeiter des Projektteams vier Wochen als Betreuer bereit.

Ergebnisse

In einer ersten Phase nach der Realisierung haben wir uns für die ausgebrachte Schriftgutmenge interessiert. Wir waren angenehm überrascht, daß bereits nach relativ kurzer Einarbeitungszeit annähernd die geschätzten Werte erreicht wurden. Der tatsächliche Anteil der CTV-fähigen Korrespondenz lag bei 56 Prozent, bei einem ursprünglichen Schätzwert von zirka 60 Prozent. Nach aller Erfahrung mußten wir davon ausgehen, daß dieser Wert sich im Lauf der Zeit negativ verändern würde.

Wir haben aus diesem Grund verschiedentlich Gespräche mit den Sachbearbeitern und den Schreibdamen geführt, ihre Anregungen aufgenommen, kleine Verbesserungen umgesetzt und Lösungen angeboten. Es ist festzustellen, daß damit das positive Gesamtbild noch verstärkt wurde. Eine nach weiteren vier Monaten durchgeführte Erhebung erbrachte eine auf 66 Prozent gesteigerte CTV-Schriftgutmenge.

Durch die für die computerunterstützte Textverarbeitung in der Hypothekenabteilung der Helaba durchgeführte Bildschirminstallation haben wir die Möglichkeit geschaffen, auf unsere Kunden-Informations-Systeme direkt zugreifen zu können. Damit entfallen die bisher üblichen, relativ langen Wartezeiten bei der Einholung von Kunden- und Kontendaten.

Neben dem immateriellen Nutzen, der sich in der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes, dem Abbau von Engpässen und der Beschleunigung des Arbeitsablaufs darstellt, ist mit dem Einsatz der computerunterstützten Textverarbeitung auch ein wesentlicher wirtschaftlicher Erfolg verbunden. Vor der Einführung lagen die Kosten je Brief bei zirka 30 Mark. Nach Realisierung kostet jeder Brief nur noch zirka 14 Mark, wobei dieser Wert eine Mischkalkulation aus sogenannten CTV-Briefen und individuellen Briefen darstellt.

Ein Ziel unserer Arbeit war die Entwicklung der computerunterstützten Textverarbeitung als Einstieg zur computerunterstützten Sachbearbeitung. Mit dem Aufbau des Dokumentennamens haben wir eine der Voraussetzungen geschaffen, die in einer Archivdatei gespeicherte Korrespondenz zu jeder Zeit und an jedem Platz mittels Bildschirm sichtbar zu machen. Unsere künftige Aufgabe besteht darin, die entsprechende DV-Anwendung zu konzipieren und bereitzustellen.

Unsere Erfahrungen haben gezeigt, daß der erfolgreiche Einsatz der computerunterstützten Textverarbeitung bei der Helaba wesentlich davon abhängt, die Mitarbeiter der Fachabteilungen umfassend und vorbehaltslos zu informieren und sie in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das Instrument der Projektorganisation schafft hierfür durch Abordnung verantwortlicher Mitarbeiter in das Projektteam ideale Voraussetzungen.

Wir haben außerdem die Erkenntnis gewonnen, daß Textverarbeitung und Datenverarbeitung Anwendungsbereiche sind, die künftig enger verzahnt werden müssen.

*Horst Biadala, Projektleiter für Textverarbeitung bei der Hessischen Landesbank - Girozentrale -, Frankfurt.

Gekürzte Fassung eines Beitrages aus den IBM Nachrichten 32 (1982) Heft 258.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der IBM Deutschland GmbH.