Noch dominieren Client-Server-Tests

Testwerkzeuge finden nur langsam ihren Platz im E-Business

17.11.2000
Mit Stephen Butler, President und Chief Executive Officer von Segue Software, sprach CW-Redakteur Sascha Alexander über die Unternehmensstrategie und Trends im Software-Testing.

CW: Sie bieten Werkzeuge für Last- und Regressionstests, für Monitoring und Debugging von Corba-Anwendungen sowie für die Zugriffskontrolle und Netz-Monitoring. Dabei ist Segues Strategie stark auf das Testen mehrschichtiger E-Business-Architekturen und Websites ausgerichtet. Aber dominieren in den Unternehmen nicht eigentlich immer noch Tests von Client-Server-Anwendungen?

Butler: Ja, denn es gibt immer noch wenige mehrschichtige, verteilte Systeme. Unser Wettbewerber Mercury Interactive ist beispielsweise die erste Wahl, wenn es um Tests von Oracle-basierten Client-Server-Anwendungen geht. Ebenso sind etwa Rational und Compuware vor allem auf das Backoffice spezialisiert, Segue macht hier kaum Umsatz. Unsere Strategie zielt bisher auf das Middle- und Front-Tier und Tests von Web- und Applikations-Servern ab. Um in Zukunft zu wachsen, müssen wir uns jetzt verstärkt um Großkunden und das Backoffice kümmern. Derzeit haben wir keine Kooperationsabkommen mit Oracle oder ERP-Anbietern wie SAP, obwohl hier die größten Investitionen getätigt werden.

CW: Wächst mit dem E-Business der Bedarf an Testwerkzeugen?

Butler: Bisher waren hauptsächlich Dotcoms unsere Kunden. Seit etwa sechs Monaten beobachten wir nun, dass auch traditionelle Fortune-1000-Unternehmen die Planungsphase beenden und in ihre E-Business-Strategie investieren. Dabei wird auch der Qualitätskontrolle mehr Beachtung geschenkt.

CW: Hat das Jahr-2000-Problem im Nachhinein seinen Teil dazu beigetragen, dass die Unternehmen mehr auf die Qualität ihrer Software achten?

Butler: Ich glaube nicht, dass das Jahrtausendproblem die Leute wirklich zum nachdenken gebracht hat - einfach deswegen, weil nicht genug passiert ist. Vielmehr sind die Anwender zunehmend frustriert, je mehr sie das Internet nutzen und die geringe Qualität (Antwortzeiten etc.) vieler Web-Auftritte erleben.

CW: Glauben Sie nicht, dass Website-Performance in erster Linie noch ein Thema für Firmen ist, die Online-Brokering, oder E-Commerce mit Privatkunden machen wollen?

Butler: Ich glaube, dass dem Management und den mit der Qualitätskontrolle beauftragten Mitarbeitern grundsätzlich klar ist, dass getestet werden muss. Die Frage ist nur, in welchem Maß. Bisher sind viele Firmen nicht bereit, den Freigabetermin einer Softwareimplementierung gegebenenfalls zu ändern, wenn noch nicht ausreichend getestet wurde. Wir und andere Hersteller versuchen deshalb derzeit, auch das höhere Management davon zu überzeugen, wie wichtig durchgängige End-to-End-Tests sind.

CW: Da werden Sie doch vermutlich gleich nach den Kosten und Einsparungen durch Testwerkzeuge gefragt. Am Anfang bedeutet Testen ja mehr Investitionen und Zeitaufwand.

Butler: Ich sage den Vorständen, dass sich Fehler zwar nie ganz vermeiden lassen, dass sich aber durch Tests das Risiko von Systemausfällen oder schlechter Performance verringern lässt. Auch verweise ich beispielsweise auf Untersuchungen aus den USA aus dem letzten Jahr, nach denen den Betreibern von E-Commerce-Sites durch die ungenügende Skalierbarkeit ihrer Systeme schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden Dollar Umsatz entgangen sind. Jetzt befinden wir uns in der zweiten Internet-Phase, in der große Unternehmen wie Bertelsmann oder Siemens in das Internet investieren. Diese sind bis heute deshalb so erfolgreich, weil sie hochwertige Produkte herstellen. Daher fordere ich die Manager auf, nicht nur auf die Kosten der Investitionen und den technischen Aufwand zu schauen, sondern sich auch zu fragen, was für einen Qualitätsanspruch sie bei ihrem Online-Geschäft haben. Das Argument zieht meistens.

CW: Bleiben die Kosten. Außerdem werden immer mehr IT-Abteilungen ausgelagert oder reduziert, und das bei steigendem Zeitdruck. Wird es da nicht schwer, Firmen zu überzeugen, sich zusätzlich auch noch mit Testwerkzeugen zu beschäftigen?

Butler: Das Budget und der Umfang der benötigten Testszenarien schwanken je nach Projekt. Deshalb versuchen wir, unseren Kunden ein möglichst flexibles Angebot bieten zu können. So gibt es Kunden wie etwa die Citti Group, die die Werkzeuge kaufen wollen, um eigene Lösungen im Haus zu implementieren. Andere haben nur punktuelle oder zeitlich begrenzte Anforderungen, teilweise fehlen auch Kennntnisse und die Infrastruktur für umfangreiche, fortlaufende Tests. Für diese Firmen haben wir im Sommer das Serviceangebot "E-Confidence Scale" (Ecscale) vorgestellt. Es soll bei der Beurteilung der Skalierbarkeit von E-Business-Anwendungen helfen und basiert auf dem Last- und Leistungstest-Werkzeug "Silkperformer". Es kann gegen eine Mietgebühr über einem Application-Service-Provider oder per Vor-Ort-Beratung genutzt werden. Unser erster Partner ist der US-Hoster Navisite.

CW: Trotzdem brauchen Anwender eine Menge Know-how für Softwaretests, und das bei steigendem Fachkräftemangel.

Butler: Das ist ein großes Problem. Immerhin gibt es immer mehr Leute, die sich mit der Entwicklung von Websites auskennen und die entsprechenden Werkzeuge beherrschen. Allerdings kümmern sich noch zu wenige von ihnen um ein zuverlässiges und skalierbares Design. Segue hat daraus die Konsequenz gezogen, zusammen mit Partnern wie Razorfish und IBM mehr Schulungsangebote anzubieten oder etwa durch den auch in Deutsch erhältlichen Leitfaden "The E-Business E-Reliability-Guide" für mehr Aufklärung zu sorgen.

In den letzten sechs Monaten haben wir zudem beobachtet, dass nicht nur den Dotcoms langsam das Geld ausgeht, sondern auch Beratungsunternehmen davon betroffen sind, die solche Unternehmen betreut hatten. Die positive Folge ist, dass ihre Mitarbeiter sich auf dem Markt umsehen, bei traditionellen Firmen, Herstellern und anderen Consulting-Firmen anfangen und so zur Verbreitung des Wissens beitragen.

CW: Trifft das auch auf Deutschland zu?

Butler: Bisher nicht.

CW: Führt dieser Trend zumindest in größeren Unternehmen zum Aufbau von Abteilungen für das Qualitäts-Management? Oder wird lediglich ein Testfachmann der IT-Abteilung hinzugestellt?

Butler: Viele Unternehmen haben lange geglaubt, dass sich Qualität am besten über externe Dienstleister sichern lasse. Nun beginnen manche von ihnen, stattdessen Spezialisten einzustellen, die meist zur IT-Abteilung gehören.

Butler: Lasttests bei der Softwareentwicklung sind die häufigste Form. Wir machen 50 Prozent unseres Umsatzes mit Tools für Lasttests in der Entwicklungsphase und 50 Prozent mit Funktionstests von Websites vor der Life-Schaltung. Was ich seit Jahresbeginn beobachte, ist aber, dass Unternehmen beginnen, eine Transaktion komplett zu testen. Dieses Konzept existierte zwar schon im Client-Server-Umfeld mit den GUI-Tests, aber mit dem E-Business entsteht in den Websites ein immer größeres und komplexeres Transaktionsaufkommen, das durch eine Kombination von automatisierten Funktions- und Lasttests simultan überprüft werden soll.

CW: Werden Testszenarien auch schon für die laufende Kontrolle von Anwendungen entwickelt?

Butler: Das Interesse an einer ständigen Überwachung einer Website mit Hilfe von Monitoring-Werkzeugen nimmt zu. Wir haben beispielsweise eine Partnerschaft mit BMC abgeschlossen, die eine Anbindung unseres Werkzeugs für Lasttests mit der eigenen System-Management-Lösung "Patrol" vorsieht. Wenn Patrol ein Problem mit der Website, einer Anwendung oder dem Netzwerk registriert, lassen sich diese Daten in unser Tool übernehmen und weiter auswerten. Daneben haben wir kürzlich mit IBM ein Distributionsabkommen geschlossen, in dem es um die Bündelung des "Websphere Commerce Servers" mit unserem Tool für Website-Monitoring "Silkpreview" geht. Ich glaube, dass diese Kopplung von Applikations-Servern mit Werkzeugen zur ständigen Leistungsmessung ein neuer Trend ist.

CW: Bei den Anwendern wächst der Wunsch, ihre Entwicklungswerkzeuge besser miteinander integrieren und den ganzen Softwarezyklus abdecken zu können. Was macht Segue in dieser Hinsicht?

Butler: Wir planen weitere Bundling-Abkommen wie das mit IBM. Auch wollen wir mit anderen Herstellern aus dem Entwicklungsumfeld kooperieren, die selbst nur Modellierungs- und Konfigurations-Management-Tools bieten. So koppeln heute schon beispielsweise Computer Associates die früheren Platinum-Produkte und die Software AG ihre Entwicklungsumgebung "Natural" mit unseren Werkzeugen.

CW: Wie sieht Segues Strategie für Deutschland aus?

Butler: Wir liegen in Europa bisher stärker als in den USA hinter unseren Wettbewerbern zurück und wollen das nun durch Partnerschaften wettmachen. Auch bauen wir jetzt eigene Consulting- und Trainingsmannschaften in Europa auf. In Deutschland haben wir zurzeit etwa sechs Beratungspartner, darunter Razorfish und IBM Global Services sowie kleinere Firmen wie Isardata aus München.