Test: Das leistet der Mobilfunk-Turbo LTE in der Praxis

12.04.2012
Long Term Evolution ist angekommen. Konnte man den Highspeed-Nachfolger für UMTS anfangs nur auf dem Land testen und messen, ist die Technik nun in immer mehr Städten verfügbar. Wir haben den mobilen Datenfunk ausprobiert.

Um es vorwegzunehmen: An sehr gut per Funk versorgten Standorten kann Internet over LTE schon mit den schnellen leitungsgebundenen VDSL-50-Internet-Zugängen der Telekom konkurrieren. Allerdings mit einer Einschränkung: Es müssen die teuersten LTE-SIM-Karten von Telekom und Vodafone verwendet werden, um die maximale Leistung zu bekommen. Für unsere Tests haben wir verschiedene LTE-Geräte benutzt. Die Palette der Testkandidaten reichte vom stationären LTE-Router über LTE-Sticks bis hin zum vollmobilen LTE-Handy.

Im Download erreichten wir mit den bes-ten LTE-Routern und LTE-Sticks in der Praxis schon einen Nettodurchsatz von 30 bis 45 Mbit/s. Und der Upload ist mit 20 bis 30 Mbit/s sogar dreimal schneller als bei VDSL 50. Bei den Ping-Zeiten haben wir in vielen Messungen Resultate von 30 bis 60 Millisekunden erhalten. An bestversorgten Messpunkten kamen wir auf Spitzenwerte von 20 bis 25 Millisekunden. Damit geht das Surfen oder Online-Arbeiten über das Highspeed-Netz flott von der Hand.

Business-Anwendungen via LTE

Obige Messwerte belegen klar: LTE taugt auch für anspruchsvolle Business-Anwendungen bis hin zur Standortvernetzung mittels VPN over LTE. Hohe LTE-Datenraten und kurze LTE-Ping-Zeiten sind noch unter einem anderen Aspekt von Bedeutung: Cloud-Anwendungen lassen sich auf den Endgeräten auch unterwegs reibungslos zum Arbeiten nutzen. Doch unsere Messwerte lassen noch einen weiteren Schluss zu: An gut versorgten Standorten reicht LTE für Voice over IP, Videotelefonie, Videoconferencing oder Videoüberwachung aus. Bei aller Freude über die in unserer Versuchsreihe gemessenen Werte gibt es jedoch einen Vorbehalt zu bedenken: Die dabei genutzten Netze werden noch weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit betrieben. Deshalb können sich die Ergebnisse später im Regelbetrieb mit vielen Usern ändern, auch wenn LTE technisch besser für große Benutzerzahlen gerüstet ist als der Vorgänger UMTS.

LTE-800-Router dominieren

Da die Mobilfunk-Provider, politisch gewollt, erst die weißen Flecken ohne Breitband-zugänge mit LTE zu versorgen hatten, dominierte LTE 800 anfangs den Markt als alternativer Internet-Zugang - die Zahl bezeichnet das Megahertz-Frequenzband der jeweiligen LTE-Variante. Dabei holen die LTE-Router quasi das Internet aus der Mobilfunkluft und geben es per LAN oder WLAN an die lokalen Surfgeräte weiter.

Die ersten LTE-800-Router kamen und kommen von Huawei. Das Modell "B390s-2" wird seit 2011 von Vodafone, Telekom und O2 in Deutschland vertrieben. Der B390 beherrscht nur LTE 800, das jedoch ziemlich gut, denn dafür ist er optimiert.

Wer in der Firma oder im Home Office also "nur" eine stabile LTE-800-Versorgung hat und den Huawei-Router auch nur dort verwenden will, kann damit sehr gut fahren. Bei einer LTE-800-Kanalbandbreite von 10 Megahertz schaffen die B390-Router-Varianten schon seit 2010 ungedrosselt in leeren LTE-Netzen fast 50 Mbit/s im Download. In der Praxis werden die Huawei-B390-Router von O2, Telekom und Vodafone aber meist nur als stationärer DSL-Ersatz vermarktet, mit bezahlbaren Tarifen, die nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein gutes DSL-6000-Feeling vermitteln sollen. Die LTE-Geschwindigkeit wird hier von den Providern künstlich gebremst.

LTE 800 in der Praxis

Bei Messungen im März 2012 brachte der O2-LTE-Router im O2-LTE-800-Vorzeigenetz in Pfaffing bei Ebersberg extrem stabile Downloads von 7,2 bis 7,3 Mbit/s. Auch bei den Uploads zeigten sich nur geringe Schwankungen um einen stabilen Mittelwert von 6,8 Mbit/s herum. Die in den O2-Router seitlich eingesteckte SIM-Karte hatte dabei einen Tarif von bis zu 7,2 Mbits im Download und bis zu 2,0 Mbit/s im Upload. Offenbar bekommt der ländliche O2-Kunde in der Senderichtung also das Dreifache der vertraglichen LTE-Leistung - zumindest in der näheren Umgebung der LTE-Basisstation. Residiert der LTE-Kunde jedoch am Rande der LTE-800-Funkzelle, bei ungehinderter Funkausbreitung also in sechs bis zehn Kilometer Entfernung zur LTE-Basisstation, dann geht das Netto-Tempo natürlich stark herunter und versiegt am Rand der Zelle völlig.

Telekom LTE 800 mit stabilen Raten

Bei den LTE-800-Messungen mit dem "Telekom Speedport LTE" alias Huawei B390s-2 in Neufinsing bei Markt Schwaben steckte eine SIM-Karte mit dem Tarif "Telekom Call & Surf Comfort via Funk" im Router. Auch damit kamen die Messwerte stabil knapp über den angekündigten Telekom-Wert von 7200 Kbit/s im Download und 1400 Kbit/s im Upload. Die Telekom scheint die Beschneidung des Durchsatzes gut zu beherrschen. So will der Bonner Carrier erreichen, dass das Netz länger stabil bleibt, wenn viele Nutzer darauf zugreifen.

LTE 2600 wenig verbreitet

Im November 2011 kam die "Fritzbox 6840 LTE" von AVM auf den Markt: Sie funkt in den LTE-Netzen bei 800 und 2600 Megahertz. Entgegen früheren Plänen werden LTE-Sender mit 2600 Megahertz bislang aber kaum ausgerollt. Ein Grund dürften die Kosten sein, denn mit LTE 800 versorgen die Provider einen Radius bis zu zehn Kilometern, LTE 2600 kommt dagegen nur auf einen knappen Kilometer. So erweist sich LTE-2600 in der Praxis als bislang fast nutzlos, weil es fast nirgends funkt. Das kann sich aber später ändern, wenn die LTE-800-Netze erst einmal überfüllt sind.

Wäre die AVM 6840 wie angekündigt mit LTE 1800 gekommen, dann hätte sie jetzt einen größeren Nutzwert, denn die Telekom rollt LTE 1800 noch dieses Jahr in über 100 Städten aus. Hinter den Kulissen funkt da schon sehr viel, nicht nur in Frankfurt am Main, Köln oder München.

Fritzbox für LTE 800 und 2600

Ansonsten bietet die rote Fritzbox eine aufgeräumte und verständliche LTE-Software und ein schönes Tool für die LTE-Antennenausrichtung. Im LTE-Netz von Vodafone unterstützt sie sogar schon die Voice-over-LTE-Telefonie, kurz VoLTE, die international noch gar nicht voll standardisiert ist.

Dazu kommt ein enormer Funktionsumfang jenseits der speziellen LTE-Features: Vier Gigabit-Ports, ein USB-Port mit NAS- und Druckerfunktion, Dual-Band-WLAN bei 2,4 oder 5 Gigahertz (jedoch nicht simultan), DECT-Basisstation sowie umfangreiche IP-Telefonie-Funktionen.

Einwahl bei O2 und Vodafone

Mit den LTE-800-Netzen von O2 und Vodafone hat sich die Fritzbox in unseren Tests gut vertragen. Mit der LTE-SIM-Karte von 1&1 ging die AVM-Box ebenfalls flott in das LTE-800-Netz von Vodafone. Bei den Downloads schlug sich die AVM 6840 ähnlich gut wie ein "Lancom-1781-4G"-Router und die Huawei-B390-Varianten der Provider. Bei den Uploads war die AVM 6840 in den Testreihen schwächer als die anderen Geräte, egal ob sie in den Netzen von O2 oder von Vodafone eingebucht war.

Im Telekom-LTE-Netz hakt es noch

Beim Einloggen in die ländlichen LTE-800-Netze der Telekom hatten wir bis Testschluss im März 2012 keinen Erfolg, obwohl AVM just dieses Problem bereits gegen Ende 2011 per Firmware-Update behoben haben wollte. Vielleicht klappt das nach dem nächsten Firmware-Update.

Die LTE-1800-Netze der Telekom erkennt die AVM 6840 definitiv nicht, weil der verbaute Altair-Chip noch kein LTE 1800 unterstützt. LTE-2600-Netze würde die AVM Fritzbox 6840 LTE laut Datenblatt zwar unterstützen, man findet sie aber entgegen den ursprünglichen Plänen der Netzbetreiber bislang nur höchst sporadisch. Uns stand jedenfalls kein kommerzielles LTE-2600-Kundennetz im Großraum München zur Verfügung.

Fritzbox 6840 im Vodafone-Netz

Seit März 2012 funkt LTE-800 von Vodafone auch im Büro des Autors, unweit der Münchner Messeautobahn A94. Hier brachte die AVM 6840 relativ stabile Downloads um die 36 Mbit/s mit Schwankungen von 10 bis 42 Mbit/s sowie Uploads um die 6 Mbit/s mit Schwankungen von unter 5 bis über 10 Mbit/s. Wie in früheren Vergleichsmessungen schwächelte die AVM 6840 auch hier noch etwas beim Upload. Beim normalen Surfen merkt man das in so schnellen Netzen freilich nicht, erst bei großen Uploads oder bei Vergleichsmessungen.

Lancom 1781-4G

Seit März 2012 liefert der deutsche Router-Produzent Lancom Systems aus Würselen bei Aachen seinen ersten LTE-Business-Router Lancom 1781-4G aus. Der momentan jüngste und modernste Router bedient alle in Europa relevanten Mobilfunkarten, darunter auch LTE bei 800, 1800 und 2600 Megahertz. Findet der Lancom 1781-4G überhaupt kein LTE-Netz, dann schaltet er auf GPRS, EDGE, UMTS, HSPA oder HSPA+ zurück.

Fällt jedwede Funkversorgung aus, dann versteht der Lancom 1781-4G auch noch ISDN. Das vergrößert seinen Einsatzradius und die Ausfallsicherheit im Vergleich zu reinen LTE-Geräten wie etwa der LTE-Fritzbox 6840, dem Huawei-B390-Router und dessen Provider-Varianten.

Hoher Durchsatz auch im Upload

In den LTE-800-Netzen von Telekom, O2 und Vodafone zeigte der Lancom 1781-4G hohe und stabile Messwerte nicht nur bei den Downloads, sondern auch bei den Uploads. Im LTE-1800-Netz der Telekom wurden kürzlich die Kanalbandbreiten von 15 auf 20 Megahertz erweitert. Mit beiden hat sich der Lancom 1781-4G gut vertragen. Mit den 20-Megahertz-Kanälen kamen Mittelwerte von 42 Mbit/s im Download und 28 Mbit/s im Upload bei sehr geringen Schwankungen zustande. Besonders der Upload stellt sogar VDSL-50-Praxiswerte in den Schatten.

Der Wechsel zwischen LTE und HSPA hat manuell und automatisch geklappt. Das Fallback auf ISDN wurde nicht getestet. Die mitgelieferte "LANmonitor"-Software macht sehr präzise und nützliche Angaben zum aktuellen Funkmodus, Frequenzband und zu den Kanalbandbreiten. Sind die LTE-Verbindungseinstellungen im Web-Server oder in der gesonderten "LANconfig"-Software erst einmal richtig einjustiert, dann kann man die Details der laufenden 2G-, 3G- oder 4G-Verbindung sehr schön im LANmonitor überwachen.

Seit den Firmware-Updates vom 27. März 2012 lässt die Fülle der Funktionen und die Präzision der Monitoring-Auskünfte des LANmonitors, etwa zu LTE-Funk-Bändern und LTE-Kanalbandbreiten, gepaart mit guter Durchsatzleistung, das Herz des Testers höher schlagen. Features, die gerade Business-Anwender schätzen dürften.

Bedient alle LTE-SIM-Karten

Der Lancom-Business-Router funktionierte mit der aktuellen Firmware auf Anhieb mit allen eingesetzten LTE-SIM-Karten von Telekom, O2 und Vodafone. Dies ist zu betonen, weil das momentan nicht alle LTE-Router problemlos können. Dabei hatte die verwendete Telekom-SIM-Karte den Tarif "web‚Äôn‚Äôwalk Connect XXL". Dieser erlaubt bis zu 100 Mbit/s im Download und bis zu 50 Mbit/s im Upload - Werte, die wir bisher aber in keinem kommerziellen LTE-Netz erreichten. Der 2G-3G-4G-XXL-Dienst kos-tet knapp 75 Euro pro Monat. Von O2 kam eine 7200/2000-Kbit/s- und von Vodafone eine 50.000/10.000-Kbit/s-SIM-Karte zum Einsatz.

Der Lancom in der Praxis

Die besten Messwerte brachte der Lancom-Router im LTE-1800-Netz der Telekom in München-Riem: Mittelwerte von 42 Mbit/s im Download und 28 Mbit/s im Upload bei mittleren Ping-Zeiten von 31 Millisekunden. Die Download-Werte entsprechen einem sehr guten VDSL-50 Anschluss, die Upload-Werte sind etwa dreimal besser als VDSL 50 und die Pingzeit nur wenig schlechter.

Ob diese Raten auch künftig dauerhaft in den LTE-1800-Netzen der Telekom erreicht werden, wird man sehen müssen, wenn der Ansturm auf die LTE-Netze begonnen hat. Denn auch LTE ist ein Shared Medium - je mehr Power User also online sind, desto weniger Speed bleibt für jeden Einzelnen übrig.

VDSL-Feeling aus der Aktentasche

Wer ein so umfangreiches 2G-3G-4G-Funkspektrum samt LTE 800, 1800 und 2600 wie beim Lancom-Router bundesweit auch unterwegs mit dem Laptop nutzen will, kann diesen Router per Spannungswandler im Auto oder an der Steckdose eines ICE-Zuges betreiben.

Eine elegantere und mobilere Alternative ist aber der Telekom Speedstick LTE alias "Huawei E398u-15". In vielen Messungen brachte er ähnlich gute Durchsatzleis-tungen wie der Lancom-LTE-Router. Die Deutsche Telekom vermarktet ihn seit Sommer 2011 mit einer eigenen Telekom-Software namens Internet Manager. Er hat ein flottes Design und ein flexibles 270-Grad- Gelenk, genau wie der fast baugleiche O2-LTE-Stick "E398u-18" von Huawei oder der ebenfalls sehr ähnliche USB-Stick "K5005 LTE" von Vodafone.

Vorzugsweise betreibt man den Telekom Speedstick LTE mit einer Telekom-SIM-Karte. Im Test funktionierten auch Telekom-fremde SIM-Karten von O2 Germany und Vodafone D2 mit dem Gespann aus T-Stick und T-Software. Hierzu mussten jedoch neue Verbindungsprofile mit gültigen Einwahldaten von O2 und Vodafone erstellt werden.

Die zu erreichenden Durchsatzwerte hängen maßgeblich davon ab, für welche Speed-Klasse die jeweilige SIM-Karte freigeschaltet und wie leistungsstark das Netz ist, in dem der Stick samt SIM sich gerade aufhält. Den bisherigen Bestwert erzielten wir im Februar 2012 im parkenden Auto mit direkter Sicht auf den Eingang West der Messe München im LTE-1800-Netz der Telekom. Gleich bei der ersten Messung ergab der Downlaod 48,56 Mbit/s und der Upload 21,09 Mbit/s. Die Ping-Zeiten lagen um die 35 Millisekunden.

VDSL aus der Hosentasche

Noch mobiler als über den Laptop samt Surfstick kommt die LTE-Power aus dem LTE-800-2600-Megahertz-Smartphone "HTC Velocity 4G". Vodafone liefert es seit März 2012 in Düsseldorf und seit Anfang April 2012 auch bundesweit aus. Für das Smartphone ermittelten wir im März bei einem ersten Versuch 42,31 Mbit/s Download und 7,38 Mbit/s Upload. Die Ping-Zeiten lagen bei 78 Millisekunden, gemessen mit der Android-App Speedtest.net. Für die - auf ein Smartphone bezogen - guten Werte gibt es zwei Erklärungen: Der Vodafone-Funkturm lag nur rund 650 Meter Luftlinie entfernt. Zudem war das Netz vermutlich noch halbwegs leer.

Ein Fußmarsch zeigte denn auch schnell, wie stark die Download-Raten von der Entfernung abhängen. Doppelt so weit entfernt (1450 Meter) lieferte das Smartphone nur noch Transferraten von 22,13 Mbit/s Download sowie 7,16 Mbit/s Upload bei 85 Millisekunden Ping. In knapp drei Kilometer Distanz hielt das Handy zwar seine 4G-Verbindung, doch der Datendurchsatz brach drastisch ein: Download 4,10 Mbit/s, Upload 0,51 Mbit/s, 146 Millisekunden Ping. Erste Kommunikationsprobleme mit dem Netz meldete das LTE-Handy fast 3,4 Kilometer vom Sendemast entfernt. Danach schaltete das HTC-Gerät den Funkmodus von selbst auf HSPA zurück, was jedoch mehrere Sekunden dauerte.

Fazit

Alles in allem zeigten unsere Versuche, dass LTE leistungsmäßig durchaus einem kabelgebundenen VDSL-50-Anschluss Paroli bieten kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Standort gut per Funk versorgt ist. In diesem Fall ist LTE eine echte Alternative zur Standort- oder Filialvernetzung. Auf der anderen Seite sollte, wie die Erfahrungen mit dem Smartphone demonstrierten, nicht vergessen werden, dass LTE noch ein Flickenteppich ist. Zwar wird zügig ausgebaut, doch eine LTE-Abdeckung ist in naher Zukunft nicht überall zu erwarten. Anwendungen für den mobilen Einsatz sollten deshalb auch künftig so konzipiert werden, dass sie auch mit Übertragungsverfahren wie Edge oder UMTS funktionieren. (hi)

Harald Karcher ist freier Journalist in München.