Strategiewechsel bei spanischem ISP

Terra Networks kauft sich mit Lycos weltweite Präsenz

26.05.2000
MÜNCHEN (fn) - Mit der Übernahme des Web-Portals Lycos gibt sich der spanische Internet-Service-Provider (ISP) Terra Networks einen internationalen Anstrich. Für Lycos kommt der Deal gerade noch rechtzeitig, doch nicht alle halten die Tochter des TK-Carriers Telefónica für den geeigneten Käufer.

Bisher war Lycos unter den Internet-Companies die Braut, die sich nicht traut. Nachdem im letzten Jahr die Übernahme durch USA Networks am Veto der Lycos-Aktionäre, allen voran der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft CMGI, scheiterte, rührte sich praktisch nichts mehr. Das ist jetzt vorbei. Mit der Übernahme des Portals durch den spanischen ISP Terra Networks enden nun alle Spekulationen. Per Aktientausch übernehmen die Iberer für den hohen Preis von 12,5 Milliarden Dollar die in Waltham, Massachusetts, ansässige Internet-Firma. Nicht alle Investoren zeigten sich mit dieser Verbindung einverstanden: Trotz der günstigen Quartalszahlen, die Lycos kurz nach der Übernahme veröffentlichte, sackte der Börsenkurs der Portalfirma ab.

Die Verunsicherung ist verständlich, denn auf den ersten Blick mutet der Deal ungewöhnlich an. Terra Networks, eine Tochter des spanischen Telekommunikationskonzerns Telefonica, ging als Internet-Dienstleister für Spanisch und Portugiesisch sprechende Nutzer in Europa, Nord- und Lateinamerika an den Start. Fast 80 Prozent seines Umsatzes (er betrug 35 Millionen Euro im ersten Quartal 2000) erwirtschaftete das Unternehmen in den Ländern Brasilien, Mexiko und Spanien. Lycos dagegen betreibt Internet-Portale in 13 Sprachen, wobei der Schwerpunkt - schon wegen der Herkunft - auf dem US-amerikanischen Markt liegt. "Von einer idealen Partnerschaft kann nicht die Rede sein", kritisierte etwa James Mac Aonghus, Analyst des Marktforschungsunternehmens Jupiter Communications aus London.

Terra Networks will zwar unter den rund 35 Millionen Spanisch sprechenden Menschen in den USA Neukunden gewinnen, doch von dem Lycos-Kauf erhofft sich das Unternehmen weit mehr. Es möchte sich auf dem internationalen Parkett gegen Internet-Schwergewichte wie zum Beispiel AOL Time Warner und Yahoo behaupten. Doch die Spanier haben noch viel zu tun, um in dieser Liga mitspielen zu können. Nach Firmenangaben gehen knapp zwei Millionen Internet-User mit Terra Networks ins Netz, die meisten davon sind Brasilianer. AOL hat zehnmal mehr Mitglieder. Auch die Reichweite des Lycos-Portals liegt unter der von AOL und Yahoo.

In Europa muss sich Terra Lycos ebenfalls erst noch behaupten. Terra ist außer in Spanien, wo das Unternehmen 20 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet, nirgendwo sonst in Europa präsent. Zumindest eine Grundlage liefert Lycos Europe. Das im Mai 1997 gegründete Joint Venture zwischen Lycos Inc. und der Bertelsmann AG aus Gütersloh betreibt Portale in elf europäischen Ländern und hat eine Million ISP-Kunden über den Zugangs-Provider Comundo.

Der nun übernommenen Lycos Inc. gehören 43,9 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen. Weitere Anteilseigner sind Bertelsmann und Gruner + Jahr (gemeinsam 27,3 Prozent) sowie Christoph Mohn. Der Lycos-Europe-Chef hält 16,5 Prozent am Unternehmen. Die verbleibenden Aktien sind auf eine Vielzahl von Anlegern verstreut.

Lycos spielt, insbesondere nachdem sich Bertelsmann aus dem Joint Venture mit AOL verabschiedet hat, eine zentrale Rolle in der Inhaltestrategie der Gütersloher. So verwundert es nicht, dass die Terra-Mutter Telefónica mit Bertelsmann ein Vertriebsabkommen abgeschlossen hat. In dem Vertrag verpflichten sich beide Seiten, über die nächsten fünf Jahre Geschäfte im Wert von einer Milliarde Dollar über Terra Lycos zu tätigen. Dies schließt Traffic-Deals, Geschäfte mit dem Download von Inhalten, Online-Werbung sowie E-Commerce ein.

Lycos steigert GewinnMit Lycos kaufen die Spanier einen der wenigen Web-Anbieter, die schwarze Zahlen schreiben. Mit einem Gewinn von fast acht Millionen Dollar schloss der Portalbetreiber sein drittes Quartal ab und übertraf damit die Erwartungen der Börsenanalysten. Im Vorjahreszeitraum wies Lycos noch einen Verlust von einer Million Dollar aus. Der Quartalsumsatz liegt bei 78,6 Millionen Dollar, was gegenüber dem dritten Kalendervierteljahr 1999 einer Verdoppelung entspricht. Lycos-Käufer Terra Networks rechnet dagegen erst im Jahr 2003 mit Gewinnen.