Terminplanung: Erfahrungswerte oft wichtiger als Netzplan

15.04.1983

Terminverschiebungen gehören trotz Netzplänen, Phasengliederung und Erfolgskontrollen noch immer zum EDV-Alltag. Neben "außergewöhnlichen" Umständen wie die langwierige Krankheit eines Programmierers oder Hardware-Crashs verhindern obendrein nachträglich gestellte Forderungen der Fachabteilung oder die Überschätzung der eigenen Möglichkeiten den termingerechten Projektabschluß. Letztlich ist aber bei der Vorgabe der Erfahrungswert des DV-Leiters meist wertvoller als der beste Netzplan. Beruhigend zu wissen: Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, können die Verantwortlichen nach wie vor darauf bauen, daß die gesamte Mannschaft, wie in Pionierzeiten, den Termin durch Nachtarbeit und Überstunden zu retten versucht. ih

Robert Hürten, Gnosis GmbH, Gesellschaft für normierte Organisations- Software und Informationsstandards mbH, Seeheim

Es ist leider nichts Außergewöhnliches, wenn beim Aufbau eines neuen EDV-Systems die geplanten Termine und Kosten nicht unerheblich überschritten werden.

Zwar sind schon viele Veröffentlichungen über Zeit- und Kostenplanung geschrieben worden, es ist mir jedoch keine Methode bekannt, bei der man auf das Schätzen aus der Erfahrung heraus verzichten kann. In vielen Untersuchungen hat man zum Beispiel festgestellt, wie viele Statements ein Programmierer im Duchschnitt pro Tag schreiben kann; leider ist man aber nicht in der Lage, die Anzahl der erforderlichen Statements für ein Programmsystem im voraus zu ermitteln. Deshalb muß man bewußt mit der Möglichkeit einer falschen Zeit- und Terminplanung rechnen. Als Projektverantwortlicher hat man sich dewegen klar darüber zu sein, wo die Ursachen für eine falsche Planung liegen können:

1. In der Schätzung selbst: Der Schätzer ist zu optimistisch, der Schätzer kann die Aufgabe nicht im Detail überblicken.

2. Bei den Projektmitarbeitern: Sie haben nicht die fachliche Erfahrung, sie haben nicht die notwendige EDV-Erfahrung, sie fallen während der Projekte aus (zum Beispiel Krankheit, Fluktuation).

3. Bei dem Benutzer des zukünftigen EDV-Systems: Er hat sein zu lösendes Arbeitsgebiet unvollständig dargestellt, er ist nicht in der Lage, notwendige Informationen schnell zu geben, er ist nicht in der Lage, notwendige Entscheidungen schnell zu treffen.

4. In dem zu nutzenden Betriebsmittel (Hard- und Software): Die EDV-Anlage fällt während der Programmierung und der Tests häufig aus, die EDV-Anlage steht nicht zu den erforderlichen Zeiten oder in notwendigem Umfang zur Verfügung.

In den Plan sind sogenannte "Termin-Analyse-Punkte" einzubauen. Zu diesen Analyse-Punkten, die zu Beginn des Projektes in einer dichteren Folge liegen sollen als zum Ende hin, ist zu untersuchen, warum das Projekt Abweichungen zum Plan hat (oder nicht). Man kann dann rechtzeitig Maßnahmen einleiten, um den Plan einhalten zu können (Personal verstärken, Mitarbeiter austauschen, zukünftige Anwender zusätzlich befragen, verstärkt technischen Kundendienst anfordern etc.) oder aber die Termine auf einen realistischen Zeitpunkt verschieben.

Gerhard Schmidtkonz, Leiter Org./DV, Bekleidungshäuser Rudolf Wöhrl, Nürnberg

Wenn wir ein großes Projekt wie beispielsweise eine Umstellung planen, wird erst einmal ein Netzplan erstellt. Die einzelnen Zuständigkeiten sind übergreifend und betreffen nicht nur die Organisation, sondern auch die Verkaufshäuser, die internen Abwicklungsverfahren sowie natürlich die Programmierung und die EDV. Allerdings haben wir nicht die besten Erfahrungen damit gemacht, den Netzplan per Computer durchzuführen. Der Aufwand war einfach zu groß. In unserem Hause wird deshalb mit einem relativ einfachen Tableau gearbeitet, in dem die Termine und die Namen der für die Einhaltung zuständigen Mitarbeiter stehen. Daneben gibt es einen projektbegleitenden Ausschuß, dem die Geschäftsführer der einzelnen Verkaufshäuser und die für das jeweilige Projekt Verantwortlichen angehören.

Treten Situationen auf, die der Verantwortliche allein nicht meistern kann, wird der Ausschuß auch zwischendurch einberufen. Diese Vorgehensweise hat sich in unserem Unternehmen bis jetzt gut bewährt. Kommt es aber durch außergewöhnliche Umstände wie Krankheit eines Programmierers dazu, daß die Einhaltung eines Termines gefährdet ist, wird jemand von draußen geholt. Hier handelt es sich meist um ehemalige Mitarbeiter, die uns für solche Fälle nach wie vor zur Verfügung stehen.

Was die EDV anbelangt, die ich zu vertreten habe, kann man bei Terminschwierigkeiten einiges mobilisieren. Persönlich halte ich allerdings nicht sehr viel davon, wenn ein Programmierer 24 Stunden an seinem Arbeitsplatz sitzt. Bei den letzten zehn Stunden können von ihm keine großen Leistungen mehr erwartet werden. Es kann schon mal passieren, daß es einen furchtbaren Crash gibt. Dann muß die ganze Mannschaft einschließlich Programmierer zusammenstehen und in Tag- und Nachtarbeit versuchen, das wieder in Ordnung zu bringen.

In meiner langjährigen Erfahrung habe ich immer wieder festgestellt, daß die meisten Termine zu knapp bemessen waren. Deshalb versuche ich, in meine eigene Schätzung noch Reserven einzubauen. Wenn so ein Zeitpuffer nicht möglich ist, vergewissere ich mich rechtzeitig, daß für den Fall des Falles Hilfe von draußen gewährleistet ist.

Adalbert Schehr, DV-Leiter, Kunststoffwerk F. Kutterer, Karlsruhe

Bei Festlegung eines Projektes ist der Umfang des voraussichtlichen Nutzens zu überprüfen. Der Aufwand muß in einem angemessenen Verhältnis zum erwartenden Erfolg stehen. Die Prüfung eines Projektes muß in sachlicher und zeitlicher Hinsicht erfolgen. Für die Zeitplanung empfiehlt es sich, das Arbeitsgebiet in logische Abschnitte aufzuteilen und nach jedem Abschnitt eine Erfolgskontrolle in sachlicher und zeitlicher Hinsicht vorzunehmen, damit bereits in der Entwicklungsphase eventuelle Terminabweichungen erkennbar sind.

Umfangreiche organisatorische Voraussetzungen sind zu erfüllen. Die Aufgabenstellung beinhaltet intensive Detailsammlung an Information und Festsetzung der Prioritäten. Danach kann der zeitliche Ablauf festgelegt werden. Es muß jedoch beachtet werden, daß der Erwartungshorizont nicht zu hoch geschraubt ist, denn die Wunschvorstellungen gehen häufig an den Möglichkeiten der praktischen Durchführung vorbei.

Da in der Praxis häufig Kommunikationsprobleme zwischen Fachabteilung und Organisation bestehen, sind diese in erster Linie zu bereinigen. Sonst besteht die Möglichkeit daß ein Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Durch unzureichende Information eines solchen Partners kann der Erfolg eines Projektes wesentlich beeinträchtigt werden. Durch den Lernprozeß, den die Fachabteilung durch die enge Mitarbeit an der Aufgabe durchmacht, können sich neue Gesichtspunkte ergeben, die die ursprüngliche Aufgabenstellung verändern. Die Integration der Fachabteilung in den Projektablauf wirkt sich auf die Effektivität der Lösung positiv aus. Durch die abschnittweise Realisierung des Projektes wird sichergestellt, daß nicht erst beim Abschluß des Aufgabengebietes, sondern schon bei Kontrollabschnitten Fehler oder Abweichungen festgestellt werden. Hierdurch bestehen rechtzeitig die Möglichkeiten der Korrektur, den Termin zu forcieren oder bei Feststellung der Unwirtschaftlichkeit das gesamte Projekt einzustellen.

Rolf-Udo Reinholdt, Leiter Org./DV, Maschinenfabrik Göbel, Darmstadt

Die Entwicklung von Anwendungsprogrammen ist eine typische Einzelfertigung. Als Konsequenz sei festgehalten, daß ein vor Projektstart ermittelter Aufwand und die daraus abgeleiteten Termine eine Schätzung darstellen. Es sind also keinesfalls aus exakten Verfahren beruhende Vorgabezeiten. Die ganze Tragweite der sich daraus ergebenden Situation ist uns während zweier Systemumstellungen bei gleichzeitigem Herstellerwechsel bewußt geworden. Die Terminproblematik zeigt sich am besten am Beispiel derartiger Großprojekte. 1971 fiel die Entscheidung, mit Siemens zu arbeiten. Auf Basis einer gemeinsam verabschiedeten Organisationsstudie war vorgesehen, im Hause Göbel die integrierte Datenverarbeitung unter Einschluß der Gebiete Fertigungssteuerung und Materialplanung zu realisieren. Fehleinschätzungen, Zurückziehen der zunächst vorgesehenen Standardsoftware und Überschätzung der gegebenen Möglichkeiten führten zu erheblichen Terminverzögerungen.

Der Zeitraum vom Vertragsabschluß bis zur Aufnahme eines Produktionsbetriebes bei stark kritisiertem Anwendungsumfang und Ablösung der alten Anlage dauerte nahezu fünf Jahre. Die völlig unbefriedigenden Ergebnisse führten schließlich Ende 1980 zu der Entscheidung, von Siemens zurück zu IBM zu wechseln. Bei dieser neuerlichen Umstellung handelt es sich um eines der größten im Hause Göbel durchgeführten EDV-Projekte. Als Dauer waren ursprünglich 15 Monate angesetzt. Die Zahl der beteiligten Teammitglieder schwankte zwischen sechs und zwölf. Nach unseren Erfahrungen wird ein erfolgreicher Abschluß durch vorbeugende Maßnahmen mitbestimmt. Die Aufstellung eines sehr fein gegliederten Aktivitätenplanes mag selbstverständlich klingen.

Ein totaler Programmänderungsstopp während der Umstellungsphase verhinderte, daß durch viele teilweise ungeplante Kleinigkeiten wertvolle Kapazität verbraucht wurde.

Als Ursache für Startplanabweichungen lassen sich Schätzfehler genauso nennen wie nachträgliche Forderungen der Fachabteilungen, welche letztlich zu Produktverbesserungen führten. Eine durchgehende Produktüberwachung half beim frühzeitigen Erkennen der sich abzeichnenden Abweichungen. Ein wirksames gegensteuerndes Mittel war vor allem die Erhöhung der Personalkapazität unter anderem durch zusätzliche externe Unterstützung. Auf der anderen Seite ergab sich eine daraus sinnvolle Möglichkeit, den geforderten Leistungsumfang der zu bearbeitenden Projekte im Einzelfall zu reduzieren.

Als letztes blieb eine Verschiebung der Termine selbst. Wir haben mit allen Mitteln versucht, dies in engen Grenzen zu halten, da unseres Erachtens Verzögerungen größeren Umfanges den Erfolg am ehesten gefährdet hätten und in diesem speziellen Fall die Abhängigkeit vom bisherigen Hersteller unnötig verlängert worden wäre. Entgegen der ursprünglich angesetzten 15 Monate nahm die ganze Systemumstellung insgesamt 17 Monate in Anspruch, an deren Ende die Aufnahme des vollen Produktionsbetriebes auf der neuen IBM-Anlage einschließlich zusätzlicher Dialoganwendungen standen.