Personal Computing kann auch an einem normalen Bildschirmgerät stattfinden:

Terminal oder Mikrocomputer ist auch eine Kostenfrage

19.06.1987

In den letzten Jahren mußten sich viele Unternehmen die Frage stellen, ob sie anstelle von Terminals Personal Computer anschaffen sollten, die die gleichen Funktionen ausführen und zusätzlich den Vorteil der lokalen Verarbeitung aufweisen können. Diese Überlegungen wurden verstärkt durch einen rasanten Preisverfall bei der PC-Hardware. Ahmet Cakir vom Ergonomic Institut, Berlin, geht der Frage des Personal Computing nach, das nicht immer mit einem PC zu tun haben muß.

Bereits kurze Zeit nach der Einführung der ersten Bildschirm-Terminals erschienen Geräte auf dem Markt, die eine relativ umfangreiche Elektronik und damit auch eine gewisse eigene Intelligenz besaßen. Sie übernahmen zunehmend die Funktionen vom Hauptrechner und unterscheiden sich damit von den rein physikalischen Geräteeinheiten der ersten Zeit. Seit mehr als zehn Jahren verfügen viele in der Umgangssprache als "Terminal" bezeichnete Geräte über lokale Speicher- und Verarbeitungsfunktionen, die auch einen Offline-Betrieb gestatten. Heute besitzen sie oft eine ähnliche technische Struktur, Speichergröße und Peripherie (Drucker, externe Speicher) wie ein PC.

Die Idee des "Personal Computing" ist wesentlich älter als der Personal Computer. Eigentlich waren die ersten Großrechner nichts anderes als Personal Computer für die damit arbeitenden Wissenschaftler. Personal Computing ist kein technisches Konzept an sich, sondern eine Philosophie, deren Kernstück die Möglichkeit der autonomen Verarbeitung und lokalen Speicherung von Daten darstellt. Früher konnte man an den Universitäten sogar den Hauptrechner nach Dienstschluß als "Personal Computer" benutzen, wenn man seine Qualifikation nachweisen konnte. Vom Taschenrechner bis zum selbstgefahrenen Großrechner können somit alle diese Maschinen ungeachtet ihrer Leistungsfähigkeit als Personal Computer bezeichnet werden.

Unterschiedliche Philosophie

Der Personal Computer (PC) als eigenständiges Produkt erschien auf dem Markt in der Mitte der siebziger Jahre. Bezeichnend ist sein Entstehungsort, eine Garage und nicht das Labor eines EDV-Herstellers. Er ist sozusagen die Umsetzung der Einfamilienhaus-Philosophie auf eine Maschine, ein Einbenutzer-System.

Der ausschlaggebende Unterschied zwischen einem Terminal und einem Personal Computer besteht somit in der Philosophie und nicht in der technischen Ausstattung. Das Terminal ist die - mehr oder weniger autonome - Station eines zentralen Systems, während der Personal Computer vollkommen autonom ist beziehungsweise sein sollte. Dieser Unterschied kommt in der Anwendung voll zur Geltung, und zwar mit unübersehbaren Folgen.

Für denjenigen Anwender, der bewußt ein Einplatzsystem betreibt, ist das Problem einfach, der PC - als Produkt - ist für ihn die einzige Lösung. Anders für eine Organisation, die mehrere Mitarbeiter beschäftigt und an einer Kontrolle der Datenbasis oder an Datensicherung interessiert ist. Für sie ist "PC oder Terminal" eine relevante Frage, zumal die PCs mit günstigen Preisen locken.

Die eine Antwort kann lauten, möglichst viele Arbeitsplätze mit autonomen Systemen zu bestücken und die bestehenden und neu entstehenden organisatorischen Probleme durch organisatorische Regelungen zu lösen. Ob diese Lösung brauchbar sein kann, läßt sich anhand der Tabelle 1 beantworten, die die Vor- und Nachteile der Mikrocomputer- und Großrechnerlösungen gegenüberstellt.

Es ist jedoch fraglich, ob dieses Modell ohne weiteres praxisfähig ist. Leute, die die Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Rechenzentrumsbetrieb kennen, geraten beim Anblick des Verhaltens der Benutzer leicht ins Staunen. Die Benutzer selbst merken sehr bald, daß der gewonnenen Freiheit sehr enge Grenzen gesetzt sind. Das erste, was die Benutzer hierbei lernen, ist die Tatsache, daß die eiserne Disziplin, die "altmodische" EDV-Leute an den Tag legen, keine böswillige Schikane ist. Der Benutzer muß alle Service-Funktionen, die in einem Rechenzentrum realisiert sind und täglich geleistet werden, selber wahrnehmen. Man ist somit unter anderem auch der Systemverantwortliche, der zum Beispiel die Früchte der ganzen, Arbeit des letzten Jahres mit einem einzigen Befehl vernichten kann.

Die zweite, technisch scheinbar einfache Lösung ist die Vernetzung der PCs und ihre Anbindung an einen Zentralrechner. Das ist zunächst eine Abkehr von der Philosophie des Einfamilienhauses und somit ein Verstoß gegen das wichtigste Prinzip des Personal Computing. Gegen Prinzipien verstößt man in der Regel nicht ungestraft. Die wirkliche Enttäuschung kommt, wenn man die wahren Kosten dieser Anwendung den "offenen" gegenüberstellt (siehe Tabelle). Die Gesamtkosten liegen nach dieser Berechnung etwa viermal höher. Alleine die sonstigen Kosten unter den Gesamtkosten sind in dieser Modellrechnung höher als die "offenen". Hierzu muß bemerkt werden, daß die Aufstellung von einem Befürworter der Vernetzung stammt und nicht etwa von einem Gegner.

Auch die technische Seite ist nicht problemlos. Viele Produkte, die als "Netzwerk für PCs" angeboten werden, sind Hilfskonstrukte, die ihre Grenzen in den Betriebssystemen der PCs finden, die eben als Betriebssysteme für Einplatzsysteme konzipiert worden sind.

Die kalte Zentralisierung

Die "kalte" Zentralisierung ist ein Zustand, bei dem der Benutzer nur technisch gesehen autonom arbeitet, jedoch durch organisatorische Regelungen in seiner Handlungsweise sehr stark eingeengt ist. Diese funktionieren zuweilen perfekter als die physischen Leitungen zum Rechner.

In organisierten Unternehmen existieren Kräfte, die die Anschaffung von PCs zum Zwecke des Personal Computing mit Sorge und als Wildwuchs betrachten, und andere, die dies wiederum mit allen Finessen betreiben. (Man sollte in diesem Zusammenhang einmal feststellen, wieviele "Speicherschreibmaschinen mit Festplatten" angeschafft worden sind.) Nicht selten versuchen daher die Anhänger der Zentralisierungsidee, bei der Softwareauswahl, Hardwarebeschaffung, Benutzerschulung, Anwenderunterstützung und ähnlichem alle Entscheidungen an sich zu ziehen und somit dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Sie haben hierbei gute Argumente in der Hand, da die wenigsten Anwender an der Lage sind, Soft- und Hardware sachgerecht zu nutzen. Die Grenze zwischen wohlwollender Unterstützung und kalter Zentralisierung ist dabei fließend.

Ergonomie der Hardware

Vor einem halben Jahr hat die Beschaffungsstelle eines Bundeslandes alle namhaften Anbieter von PCs eingeladen, ihre Produkte in einer Ausstellung zusammenzustellen. Bei dieser Gelegenheit haben die Teilnehmer, Anwender der öffentlichen Hand, die Geräte beurteilt. Das Ergebnis fiel für die Anbieter recht negativ aus. Die Qualität der meisten Bildschirme wurde bemängelt, und unter den Farbbildschirmen befand sich nur ein brauchbares Produkt.

Das Ergebnis wäre noch schlechter ausgefallen, wenn die Anwender die Tastaturen hätten prüfen können. Da es keine einfach prüfbaren Qualitätskriterien für Tastaturen gibt, sparen viele Hersteller daran. Jemand, der über lange Jahre für die Entwicklung hochqualitativer Tastaturen in seiner Firma verantwortlich war, hat sich über die PC-Tastatur seines Hauses entrüstet: "Es ist eine Schande, daß diese Tastatur mit unserem Firmenlogo auf den Markt kommen durfte." Die in dieser Äußerung gemeinte Tastatur ist unser den Fingern einer schnellen Kraft lauter als ein Typenraddrucker!

Zumutung für Benutzer

Seit einigen Jahren existieren PCs, deren Benutzerschnittstelle ergonomisch gesehen mit guten Terminals vergleichbar ist. Daneben sind auf dem Markt zahlreiche Produkte vorhanden, die - mit unterschiedlicher Elektronik ausgestattet - sowohl als PC als auch als Terminal angeboten werden. Bei vielen PCs ist jedoch die Benutzerschnittstelle, gemessen an dem, was bei Terminals realisiert ist und als Standard betrachtet werden kann, eine Zumutung.

Die Idee des Personal Computing entspricht einem Grundbedürfnis des Menschen, autonom zu arbeiten. Sie ist älter als der Personal Computer. Autonom zu arbeiten kann heißen, eigene Datenbestände zu pflegen, von den Kommunikationsvorgängen mit dem Rechner möglichst unabhängig zu sein oder Programme nach eigener Wahl benutzen zu dürfen. Diese Autonomie findet ihre Grenzen nicht selten in mehr oder weniger rigiden organisatorischen Regelungen. In diesem Fall kann bei entsprechender Auslegung der Software, der Benutzungsprioritäten und der Hardware dem Bedürfnis nach weitgehender Autonomie auch mit einem intelligenten Terminal entsprochen beziehungsweise darüber hinaus weitere Vorteile geboten werden.

Die sichtbaren Kosten eines PC betragen einen Bruchteil der Gesamtkosten einer Anwendung. Die technischen Probleme der Vernetzung sind keineswegs befriedigend gelöst. Selbst wenn eine einwandfreie Lösung vorläge, muß man sich fragen, was von der Grundidee des Personal Computing noch übrigbleibt, wenn die Geräte vernetzt und die Entscheidungen zur Auswahl und Beschaffung von Soft- und Hardware zentral getroffen werden.

Von der ergonomischen Gestaltung her gesehen sind einige PCs mit Terminals vergleichbar, wenn nicht gleich. In den meisten Fällen dürfte der Vergleich zugunsten der als Terminal angebotenen Produkte ausfallen.

Die anfängliche Fragestellung "PC oder Terminal" erweist sich ohne Hinzuziehung der organisatorischen Randbedingungen als wenig sinnvoll. Entscheidend dabei sind nicht primär die technischen Eigenschaften der maschinellen Komponenten, sondern vielmehr die Qualität, die Benutzerschnittstelle sowie die Kosten und der Nutzen der gesamten Anwendung.

Literatur

Keen, P. G. W.; Woodman, L. A.: Die Invasion der Mikros, in: HARVARD manager, 1985/II.