Teradici verspricht echtes "Long Distance Computing"

05.06.2007
Das Konzept zentral vorgehaltener PC-Blades anstelle von Arbeitsplatzrechnern gibt es schon länger. Ein Chiphersteller will den "PC over IP" nun auch über praktisch beliebige Entfernungen hinweg ermöglichen.

Die Firma heißt Teradici, sitzt im kanadischen Vancouver und wird vom früheren Intel-Manager Dan Cordingley geleitet. Sie hat Technik entwickelt, um die Computing-Ressourcen für Endnutzer von einem Rechenzentrum aus zu verwalten, das hunderte oder tausende Kilometer von den eigentlichen Arbeitsplätzen entfernt stehen kann. Anwender sollen damit sowohl ihren Energieverbrauch als auch ihren Wartungsaufwand reduzieren sollen.

Laut Cordingley ist es das Ziel von Teradici, es Long-Distance-Nutzern unmöglich zu machen, zu unterscheiden, ob sie auf einem lokalen Desktop oder weit entfernten PC-Blade arbeiten. Und einige Kunden finden, dass das bereits gelungen ist. "Ich kann nicht glauben, was das leistet", sagt zum Beispiel Joe Makoid, President von DevonIT, das zusammen mit der IBM eine PC-Blade-Lösung entwickelt hat. Und Bruce Cohen, Chef des PC-Blade-Pioniers ClearCube, urteilt: "Ich denke, das wird die Leute umhauen."

Anfänglich wurde die Rechenleistung zentralisierter Großrechner über simple Terminals an den Nutzer ausgeliefert. Diese wurden dann von PCs verdrängt, die Rechenleistung boten und viele nützliche Programme entstehen ließen. Namhafte IT-Firmenchefs wie Larry Ellison von Oracle propagierten später die Rückkehr zu preisgünstigen "Network Computers" oder "Thin Clients", um Hardware- und Betriebskosten zu reduzieren. Sie blieben indes in der Minderheit, einerseits wegen des Preisverfalls bei PCs und andererseits, weil sich die Nutzer an Leistung, Grafik und Sound "echter" PCs gewöhnt hatten und sich nicht mehr mit beschränkten Terminallösungen von etwa Microsoft oder Citrix zufrieden gaben (und geben).

Dann kamen Blade-PCs auf, die bislang ebenfalls ein Nischendasein fristen, unter anderem bei Finanzdienstleistern, deren Trader meist vor mehreren Bildschirmen sitzen und die Rechenleistung mehrerer PCs benötigen, aber keine lauten Lüfter oder Besuche von Technikern im Pannenfall wünschen.

Bislang konnten solche Nutzer nicht weiter als 200 Meter von ihren PC-Blades entfernt arbeiten. Teradici will dies ändern. Sein Trick: Der Hersteller komprimiert das Bildschirmsignal zusammen mit den USB-Daten von Peripheriegeräten wie Tastatur und Maus und wandelt sie in IP-Datenpakete um. Diese Aufgabe übernehmen spezielle Chips, die jeweils im PC-Blade und dem Desktop-"Portal" auf dem Anwenderschreibtisch stecken und den "PC over IP" ermöglichen.

Eine solche Anschlussstation braucht nach Einschätzung von DevonIT und IBM nur um die 15 Watt Strom und könnte bis zu 2500 Meilen entfernt vom PC-Blade stehen. Über diese Entfernung hinaus könnten allerdings merkliche Verzögerungen auftreten, weil die Pakete auf ihrem Weg durchs weltweite Datennetz zu lange brauchen.

Ein Portal hat keine CPU, keinen Speicher, keine Festplatte und auch kein CD- oder DVD-Laufwerk. Stattdessen bietet es hauptsächlich Anschlüsse für Monitor, Tastatur, Maus und andere USB-Geräte. Potenzielle Kunden sind zum Beispiel Krankenhäuser, Geheimdienste oder jede Art von Unternehmen, das besonders um die Sicherheit seiner Daten besorgt ist. Teradici bietet allerlei Sicherheitsfunktionen. So lässt sich etwa festlegen, ob ein Nutzer an seinem Portal einen USB-Stick anschließen darf oder nicht. "Viele dieser Möglichkeiten sind mit Desktop-Rechnern nicht machbar", sagt Tom Bradicich, Vice President in der Systems and Technology Group der IBM.

IBM, Clearcube und andere Anbieter wollen ab dem dritten Quartal Produkte auf Basis der Teradici-Technik herausbringen. Die Preise sind noch nicht bekannt. Firmenchef Cordingley geht aber davon aus, dass ein Portal etwa so teuer wird wie ein heutiger Thin Client. Teradici, das laut "Wall Street Journal" 55 Mitarbeiter beschäftigt und bislang 34 Millionen Dollar Wagniskapital erhalten hat, erwartet im Übrigen auch Anwendungen außerhalb von Unternehmen - Portals könnten schließlich auch daheim stehen und nicht nur auf dem Schreibtisch im Büro. (tc)