Test - Videokonferenzsystem Vidyo

TelePresence auf dem Desktop für 7000 Euro?

09.06.2010
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

SVC-Codec statt H.264/AVC

Konfiguration: Mit wenigen Mausklicks kann der User das System an seine Bedürfnisse anpassen.
Konfiguration: Mit wenigen Mausklicks kann der User das System an seine Bedürfnisse anpassen.

Möglich wurde dies, weil der Hersteller nicht auf den bisher bei HD-Videosystemen üblichen H.264/AVC-Codec setzte, sondern auf die Weiterentwicklung SVC, die im Juli 2007 standardisiert wurde. Das Scalable Video Coding (SVC) verfolgt eine Idee, die ebenso simpel wie tricky ist: Warum zerlegt man einen Video-Bitstream nicht in mehrere Subset-Bitstreams, die dann beim Empfänger wieder zusammengesetzt werden? Erfolgt dies intelligent, können später Subsets verloren gehen (Packet loss), ohne dass dies sichtbare negative Auswirkungen auf das Bild hat. Oder man nutzt SVC, um die Videoübertragung an die Transferraten im Netz anzupassen, indem Substreams nicht mit übertragen werden. Dabei sieht SVC drei beeinflussbare Skalierungsparameter vor:

  • Temporal Scalability, also die Skalierbarkeit der Frame Rate;

  • Spatial Scalability definiert die Auflösung eines übertragenen Einzelbildes;

  • SNR/Quality/Fidelity Scalability: Hier wird ein Videobild nur in einer Auflösung, aber in unterschiedlichen Qualitäten codiert

Etwas über 700 kbit/s benötigt eine Videokonferenz an Transferrate.
Etwas über 700 kbit/s benötigt eine Videokonferenz an Transferrate.

Vidyo benutzt dabei eigenen Angaben zufolge eine Kombination aus Temporal und Spatial Scalability. Auf diese Weise sei man nicht nur in der Lage, wenig Bandbreite zu benötigen, sondern auch HD-Videokonferenzen über das öffentliche Internet zu führen. Zudem verkrafte das System einen prozentual höheren Paketverlust bei der Datenübertragung als ein klassisches System.

Die Installation - die Bilder lernen laufen

Doch genug der Technik. Die Installation auf der Client-Seite war ein Kinderspiel. So mussten lediglich die Treiber für die Videokamera eingespielt und dann die eigentliche Vidyo-Desktop-Software installiert werden. Zudem ist sicherzustellen, dass der Port 80 oder 443 verfügbar ist und die Firewall oder der Router STUN (ursprünglich nach RFC 3489: Simple traversal of UDP through NAT, heute nach RFC 5389: Session Traversal Utilities for NAT) erlaubt. Das sind im Grunde die ganzen Vorarbeiten, die ein Anwender zu leisten hat, um an einer Videokonferenz teilzunehmen. Den Konferenzraum selbst betritt der man per Internet-Browser über ein Web-Portal.

Technische Daten

  • Gerät: VidyoDesktop;

  • Hersteller: Vidyo;

  • Typ: Multipoint Videokonferenzsystem mit HD-Auflösung (720p) und dynamischen Videocodec (SVC);

  • Systemkomponenten: Desktop-Software für Windows und MAC, Appliance mit Video-Portal und Video-Router;

  • optionale Komponenten: Videokamera und evtl.Mikrofon sind extra zu erwerben;

  • Erweiterungen: Ausbau des Systems mit VidyoRoom, VidyoRouter, VidyoGateway möglich;

  • Preis: (getestete Variante) 25 User Lizenz mit 5 Multipoint-Ports rund 7000 Euro, pro Videokamera etwa 100 Euro.

Von der Technik im Hintergrund bekommt der Anwender auf diese Weise nichts mit - er steuert sein Konferenzsystem lediglich über das Web-Portal, das VidyoPortal beziehungsweise lokal über das VidyoDesktop. Das VidyoPortal vereint als Appliance Router und Portal-Software in einem. Ergänzend könnten in Außenstellen oder Niederlassungen zusätzliche VidyoRouter installiert werden, um ein dezentrales System aufzubauen. Die Verbindung zu klassischen Videosystemen, beispielsweise von Polycom oder Tandberg, knüpft bei Bedarf das VidyoGateway.