Telekomunikation wird Schlüsselmarkt werden

26.06.1992

Durch die Liberalisierung des britischen TK-Marktes zunehmend ihres Stammarktes beraubt, vollzieht die British Telecom (BT) der zeit den Wandel von einer nationalen PTT hin zu einem global operierenden Mehrwertdienste Anbieter. Mit der Übernahme des Tymnet-Netzes von McDonell-Douglas im Jahre 1989, dessen Ausbau zu den Global Network Services sowie durch die Gründung der Outsourcing Tochter Syncordia wollen die Briten zukünftig im Konzert der Großen die erste Geige spielen. CW-Redakteur Gerhard Holzwart sprach mit Wolfgang Mudter, Geschäftsführer der British Telecom (Deutschland) GmbH, über die Pläne und Strategien des Londoner Carriers.

CW: BT hat sich seit Beginn der Deregulierung des britischen TK-Marktes im Jahre 1984 von einer staatlichen PTT zu einem überwiegend in privatem Besitz befindlichen Carrier gewandelt. Wo steht BT Ihrer Ansicht nach heute?

Mudter: Die Öffnung des britischen Marktes ging in der Tat einher mit einer raschen Privatisierung unseres Unternehmens. Aus den zunächst 51 Prozent Anteilen in privater Hand sind bis heute mehr als 75 Prozent geworden. Wir können nicht ausschließen, daß die britische Regierung auch noch ihre restlichen Anteile an BT in den freien Handel geben wird.

In diesem Zusammenhang muß man die Entwicklung der letzten Jahre in Großbritannien Revue passieren lassen. Trotz der eingeleiteten Liberalisierung und eines Konkurrenten wie Mercury hat BT im englischen Netz nach wie vor einen Marktanteil von knapp 90 Prozent - und man will in Großbritannien, daß sich dieser Anteil verringert. Wir werden dort also sicherlich - allein schon aufgrund des klar erkennbaren politischen Willens - weitere Marktanteile verlieren.

Dies beurteilen wir jedoch keineswegs dramatisch. Natürlich geben wir uns nicht kampflos geschlagen, aber wir haben mittlerweile gelernt, im Wettbewerb zu bestehen. Um so mehr vertreten wir heute die Auffassung, daß im internationalen Geschäft nicht nur die Verluste auf dem heimischen Markt wett zumachen sind, sondern letztlich auch nur dort entscheidende Umsatzzuwächse erzielt werden können.

CW: Die Privatisierung sowie eine neue Rolle im Wettbewerb erfordern ja auch eine geänderte Unternehmenskultur.

Mudter: Dies ist richtig, und wir befinden uns ja auch inmitten eines großen Umstrukturierungsprozesses. Dabei geht es nicht nur um die Umwandlung einer - wenn man so will - Behörde in ein privates Dienstleistungsunternehmen. Wir haben es vielmehr - bei einer Größenordnung von rund 230000 Mitarbeitern - auch mit unerwünschten, die Effektivität hemmenden Eigenentwicklungen zu tun. Insofern ist dieser Prozeß auf absehbare Zeit auch noch nicht abgeschlossen.

Gleichzeitig stehen wir jedoch vor der Herausforderung, einen im Prinzip völlig neu entstehenden Markt erobern zu wollen - einen Markt, der meiner Ansicht nach in den nächsten zehn Jahren der Schlüsselmarkt der Industrie schlechthin sein wird. Anders formuliert: Die Rolle, die die DV in den siebziger und achtziger Jahren einnahm, wird zunehmend von der Telekommunikation besetzt.

CW: Und Sie halten sich für diesen Markt gerüstet ?

Mudter: Das wird die Zukunft erweisen. Wir stehen alle - ausnahmslos - am Anfang dieser Entwicklung. Es geht also nicht primär darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern jeder, der sich dem Wettbewerb stellt, nimmt einen Markt ins Visier, der erst langsam Konturen annimmt.

Allerdings bin ich der festen Überzeugung, daß am Ende dieses Prozesses maximal fünf große Anbieter übrigbleiben werden. Unter diesen fünf will BT dann nach Möglichkeit die Nummer eins sein.

CW: Wie sieht denn der von Ihnen skizzierte TK-Markt der Zukunft aus? Ihre Definition der Telekommunikation ist ja sehr breit gefächert und erstreckt sich auch auf Felder der klassischen Datenkommunikation, angefangen von X.25 über Managed Links bis hin zu Syncordia.

Mudter: Die Telekommunikation wird in absehbarer Zeit alle Möglichkeiten der Sprach-, Daten- und Bildübertragung abdecken können. Aus dieser Tatsache resultiert unser TK-Verständnis.

Wir müssen zudem berücksichtigen, daß in zwei der genannten Bereiche - der Bild

und Datenübertragung - bereits ein freier Wettbewerb gegeben ist. Das heißt, das reine Telefon-Business in Europa wird, zumindest solange die Sprachmonopole nicht fallen, ein Geschäft vorwiegend national agierender PTTs bleiben. Daher glaube ich auch, daß unter den von mir erwähnten fünf Großen außer uns kein weiterer Europäer vertreten sein wird.

CW: Befürchten Sie nicht, daß Ihre Kundschaft Mühe hat, die rasante Entwicklung von einer nationalen PTT zu einem global ausgerichteten Mehrwertdienste-Anbieter nachzuvollziehen ?

Mudter: In diesem Punkt gibt es sicher noch einiges zu tun. Vielerorts verknüpft man mit BT immer noch die alte britische Telefon-Company. Die sind wir zwar immer noch und werden es auch bleiben, aber das ist nur einer von drei Bereichen. Das gesamte Dienstleistungsspektrum von BT zu erklären und darzustellen wird eine vorrangige Marketing-Aufgabe - gerade auch in einem Land wie Deutschland - bleiben.

CW: Fangen wir gleich mit einer Klärung an. Wofür steht nun der Name BT ?

Mudter: Wenn wir unser Angebot aufgliedern, kommen dafür in der Regel drei unterschiedlichen Zielgruppen in Frage. Entsprechend haben wir uns auch intern organisiert, in dem wir je eine Division für die Bereiche Personal Communication - also Telefon-Business -, Business Communication für Mehrwertdienste sowie die Abteilung Special Business für - wie wir es nennen - Regional Broadcasting, etwa Videokonferenzen und Satellitenübertragung, etabliert haben.

Sie haben vorhin die Bereiche X.25, Managed Links beziehungsweise Global Network Services und Syncordia genannt Das jeweilige auf den Anwender zugeschnittene Angebot ist also letztlich abhängig von der Größenordnung und der Struktur der vom Kunden gewünschten Applikationen. Syncordia ist beispielsweise eine Ebene, von der wir sagen, daß hierfür in erster Linie die Top-300-Unternehmen der Welt in Frage kommen.

Den gewinnträchtigen Zukunftsmarkt sehen wir aber vor allem in einer sinnvollen Kombination aller drei Anwendungsebenen. Unser Ziel ist, die Kommunikationsbedürfnisse international operierender Unternehmen zu befriedigen. Unser Vorteil ist, daß deren Auswahlmöglichkeiten eigentlich noch sehr begrenzt sind.

CW: Sie sagten vorhin, daß BT in den nächsten fünf Jahren die internationale Marktführerschaft anstrebt. Was macht Sie in diesem Punkt so zuversichtlich ?

Mudter: Wir begründen dies mit der Tatsache, da? wir - was die europäischen PTTs betrifft - in Sachen Privatisierung und Orientienung am Wettbewerb am weitesten sind. Hinzu

kommt, daß sich aller Voraussicht nach gerade Europa zu einem ganz entscheidenden Markt im Bereich der Telekommunikation entwickeln wird. Ich persönlich glaube, wer weltweit die Nummer eins sein wird hängt in erster Linie vom europäischen Business ab.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der Bereitschaft, die dazu notwendigen Investitionen -denken Sie nur an die jetzt beginnende Erweiterung der Global Network Services - zu leisten, sind wir der Überzeugung, daß BT am Ende dort steht, wo wir gerne hin wollen.

CW: Wird BT diesen Weg allein gehen, oder halt man Ausschau nach potentiellen Partnern?

Mudter: Wenn ich von der vorhandenen Flexibilität und Investitionsbereitschaft gesprochen habe, schließt dies für uns sinnvolle Kooperationen mit ein. Sinnvoll bedeutet, daß es dabei nicht um finanzielle Beteiligungen, sondern um technische Zusammenarbeit geht. Interessant für BT sind daher Netzbetreiber; seien es große Unternehmen, die ein privates Netz betreiben, oder kommerzielle Anbieter.

CW: Wird es einen BT-Partner in Deutschland geben?

Mudter: Das kann und will ich nicht ausschließen.

CW: Sind Sie bereits in Verhandlungen mit entsprechenden Kandidaten?

Mudter: Wir führen zu jeder Zeit Gespräche.

CW: Konnten diese Gespräche noch in diesem Quartal zu einem Ergebnis führen ?

Mudter: Auch das würde ich nicht völlig ausschließen.

CW: Richten wir den Blick noch einmal auf das internationale Business. Die neu gegründete BT-Outsourcing-Tochter Syncordia macht im Moment hauptsächlich Schlagzeilen durch das Gerangel um die Beteiligung externer Partner. Was ist mit Anwendern, die das Syncordia-Angebot in Anspruch nehmen wollen. ?

Mudter: Die können das selbstverständlich. Syncordia arbeitet und ist weltweit - auch in Deutschland - auf dem Markt präsent. Einer der Großkunden die Syncordia-Services in Deutschland bereits nutzen, ist das Rechenzentrum Amadeus. Dieser Tage konnten wir darüber hinaus die IBM als Vertragspartner gewinnen.

Hier wurde viel zuviel Staub aufgewirbelt. Tatsache ist, daß es das Syncordia-Angebot im Prinzip erst seit Ende letzten Jahres gibt. Angesichts dieses kurzen Zeitraumes kann sich das Projekt durchaus sehen lassen. Tatsache ist ferner - um es noch einmal klar zu formulieren -, daß die Kunden Syncordia-Dienstleistungen nicht nur in Anspruch nehmen können, sondern dies bereits tun.

CW: Nun hat Ihnen ja zumindest die deutsche Telekom - was die Beteiligung an Syncordia angeht - einen Korb gegeben.

Mudter: Wir haben immer Gespräche mit der Telekom geführt und werden dies auch weiter tun. Was Syncordia betrifft, mußten wir feststellen, daß unterschiedliche Vorstellungen darüber existierten, wie eine solche Partnerschaft auszusehen hat.

CW: War der Wunsch der Telekom, die France Telecom als Juniorpartner mit ins Boot zu nehmen, der entscheidende Zankapfel?

Mudter: Eigentlich nicht. Die enge Beziehung der Telekom zur France Telecom war uns ja bekannt. Ich glaube eher, daß es Probleme bei der Frage gab, wer letztlich das Sagen bei Syncordia hat, vielleicht auch in der Gestaltung der Kundenbeziehungen und der Aufteilung des Marktes.

CW: Sie sprechen derzeit aber noch mit NTT über eine Beteiligung ?

Mudter: Das ist richtig, und diese Gespräche verlaufen sehr positiv.

CW: Syncordia stellt nach Ihren Angaben ein umfassendes Outsourcing-Angebot dar. Wie beurteilen Sie - davon abgesehen, daß BT damit in Zukunft einen Großteil des Umsatzes generieren will - diesen Trend zur Auslagerung von DV-Kapazitäten ?

Mudter: Outsourcing ist ein Begriff, den wir gar nicht so gern verwenden, weil er überwiegend negativ besetzt ist. Dem Outsourcing geht immer Ruf eines Jobkillers voraus - eine Behauptung, die einfach nicht zutrifft. Genauso wenig, wie durch das Aufkommen der DV in den sechziger und siebziger Jahren Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden, wird dies nun in Folge eines vermehrten Zugriffs auf externe Dienstleistungen geschehen. Ganz im Gegenteil: Es entstehen neue Märkte und Wirtschaftsbereiche.

Worum es hier letztlich geht, ist nichts anderes als die Tatsache, daß sich die Unternehmen wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können und nicht mehr gezwungen sind, teure Technologie Stäbe zu unterhalten. Outsourcing ist jedoch nicht nur eine Frage des zunehmenden Kostendrucks, sondern auch ein Problem immer komplexer werdender Anforderungen.

Wenn Outsourcing heute in fast jedem Großunternehmen ein Thema ist, dann auch deshalb, weil die Anwender beziehungsweise ihre DV-Spezialisten mit der technologischen

Entwicklung nicht mehr Schritt halten können.