Erweitertes Dienstleistungsangebot der Bundespost- ein neuer Innovationsschub:

Telekommunikation mit Back-up im Orbit

12.06.1981

In den 80er Jahren wird sich unsere Bürowelt in einem heute ungeahnten Ausmaß und mit zunehmender Beschleunigung verändern. Der technischen Kommunikation kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn Datenverarbeitung, Textverarbeitung und Nachrichtentechnik ihre bisherige Isolation zugunsten einer funktionalen Integration aufgeben.

In dieser Innovation steckt mehr als nur die durch das Marketing der Computerindustrie angereicherte Oszillation. Was sich auf den bedeutenden Elektronikmessen des Jahres 1980 bereits abzeichnete, bestätigte sich im CeBIT '81 als stabiler Trend.

Verglichen mit den Meilenstein-Entwicklungen der 70er Jahre, dem allgemeinen Übergang zur Online-Datenverarbeitung und den Ansätzen zum sogenannten "Distributed Data Processing" (DDP), mutet diese neue Entwicklung auf den ersten Blick belanglos und unbedeutend an; lange Zeit schien es, als würde Europa im Gegensatz zu den USA, Kanada und auch Japan diesen "Innovations-Zug" verpassen.

Längst hat der Computer das Rechenzentrum verlassen und halt seinen Einzug in die Büros. Dies wird zu einer Kommunikationskette führen, deren Glieder die Anwender und Hersteller von Computertechnik sowie die einzelnen Postgesellschaften sind.

Nicht zuletzt die Einführung des entfernungsunabhängig tarifierten Datex-P-Dienstes der Deutschen Bundespost sollte für Anwender und Hersteller die lange erwartete Orientierungshilfe in. Sachen Telekommunikation geben.

Die denkbaren Formen der Telekommunikation unterscheiden sich dabei im wesentlichen durch die erbrachte oder zu erbringende Teilnehmerleistung, in den definierten Schnittstellen (V. 24, X.2 1, X.25) und in den von der Post angebotenen Telekommunikationsdiensten.

Sprache mit 64 KBits/s

Für die volle Nutzbarmachung der Telekommunikation sind dabei eine Reihe von Voraussetzungen zu sehen die sich als technologische Entwicklungsstufen wie folgt abzeichnen:

þDigitalisierung,

þHöhere Übertragungsgeschwindigkeiten

þIntelligenz der Endgeräte,

þIntegration der Dienste.

In den 70er Jahren erfolgte die Datenübertragung hauptsächlich über das Fernsprechnetz. Mit dem Wachstum der Anwendungen - vor allen Dingen in der Flugreservierung und im Bankwesen - wurden immer mehr Leitungen dafür angemietet. Zwar ist die Nutzung solcher Leitungen bei geringer Auslastung teurer als der öffentliche Telefonwählverkehr; letzterer unterliegt aber Begrenzungen, die seine preisliche Attraktivität überkompensieren, denn

- das öffentliche Telefonnetz ist im allgemeinen ungeeignet für hohe Übertragungsgeschwindigkeiten;

- es weist für einige Zwecke zu geringe Übertragungsqualität auf;

- es dauert lange, bis ein Ruf abgesetzt ist, und

- für viele Datenverarbeitungsanwendungen sind die angebotenen Sicherheist- und Kontrolleinrichtungen nicht hinreichend.

Deshalb will die Deutsche Bundespost nach eigenen Aussagen bis Ende der 80er Jahre das heute analoge durch ein digitales Telefonnetz ersetzen. Hierbei soll Sprache mit 64 KBit/s übertragen werden.

Für die Sprachübermittlungseinrichtungen räumt man der digitalen Übertragung heute schon höhere Wirtschaftlichkeit ein. Beleg dafür ist die EWS-Entscheidung der Deutschen Bundespost. Mit digitaler Übertragung ist es möglich, die Dämpfungs- und Verzerrungseffekte der analogen Übertragung für Daten, Text, Bild und Sprache zu vermeiden und höhere Übertragungsgeschwindigkeiten bei besserer Übertragungsqualität über größere Entfernungen zu erzielen.

Mit der digitalen Übertragung einhergehen wird die digitale Vermittlung. Schon heute bietet die Deutsche Bundespost mit Datex-L ein Wählnetz hoher Güte an, das nach dem Prinzip der Leitungsvermittlung (Circuit-Switching) arbeitet.

Diese Übermittlungsart ist zwar relativ einfach und schnell und darüber hinaus transparent (wie analoge Vermittlung), bedeutet aber auch, daß eben zwei oder mehrere Installationen solange und ausschließlich für den Gebrauch dieses Kreises verbunden sind, bis diese Verbindung wieder aufgegeben wird. Das heißt, die Leitung ist fest geschaltet und damit belegt, unabhängig davon, ob Daten fließen oder nicht.

Deshalb hat die Deutsche Bundespost am 26. August 1980 das Datex-P-Netz zur Erweiterung ihres Angebotes in Probebetrieb genommen und damit die Möglichkeit geschaffen, eine Leitung mehrfach zu nutzen, Warteschlangen abzubauen, zwischenzuspeichern und Nachrichten zu identifizieren etc.

Diese Technik ist formalisiert in dem Übertragungsprotokoll X.25 mit CCITT. In diesem "Packet-Switching-Netzwerk" wird eine Nachricht in eine Zahl von Datenpaketen aufgebrochen Diese können auf verschiedene Wegen durch das Netzwerk kanalisiert werden, bevor sie wieder gesammelt und an die Schnittstelle des Adressaten ausgeliefert werden. Auf diese Weise sind X.25-Netzwerke nicht transparent, es bleibt in der Verantwortung des Benutzers, ein End-to-end-Protokoll zu beschaffen.

Beide Techniken der digitalen Vermittlung implizieren Netzwerke mit Computerleistung, was bedeutet, daß das Netzwerk interne Logik und Verarbeitungskapazität besitzt. Darüber hinaus kann die Speicherfähigkeit von X.25-Netzwerken für die Konversion von Geschwindigkeiten oder Codes verwendet werden.

In gegenwärtigen Publikationen wird oft von Netzwerk- und Computer-Heterogenität gesprochen. Die Unabhängigkeit das Netzwerkes vom Anwendungscomputer, an den es angeschlossen ist, wird von der Post als Schlüsselelement bezeichnet, um Heterogenität zu erreichen. Netzwerkunabhängigkeit dagegen impliziert, daß einige Funktionen, die Teil des Benutzernetzwerkes sind, wie Path Control oder Zugangskontrollen ebenfalls von der Post selbst durchgeführt werden. Dabei wird unterstellt daß dies die Komplexität der benutzereigenen Software senkt. Dem wird von Herstellerseite zum Teil massiv widersprochen.

Ein weiterer wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Entwicklung der Telekommunikation liegt in der Übertragungsgeschwindigkeit. Trotz zaghaft und ungeordnet formulierter Wünsche ist ein Bedarf für Bit-Raten über 48 KBits/s deutlich erkennbar. Zur Realisierung solcher Bitströme können terrestrische Systeme, aber auch Satellitensysteme herangezogen werden.

15 Satelliten für Telekommunikation

Die Aussage der Deutschen Bundespost, ab 1982 das terrestrische Fernleitungsnetz nur noch mit digitalen Übertragungseinrichtungen zu erweitern, und so bald zu geschlossenen digitalen Strecken zu kommen, muß bei den derzeit gültigen Kostenschätzungen für Erweiterung und Reinvestition des bestehenden Netzes mit entsprechender Vorsicht genossen werden. Selbst wenn Glasfiber als Medium (mit Laserdiode als Sender) in entsprechende Serienproduktion geht, ist von prognostizierten Investitionen in einer Größenordnung von 50 Milliarden Mark die Rede.

Eine andere Möglichkeit wäre die Satelliten übertragung mit kleinen Erdfunkstellen an den gewünschten Orten. Solche Satelliten wären geostationär (Umlaufzeit ein Tag um den Äquator); sie verfügten über ein Bakkup im Orbit; bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von sieben Jahren können sie mit globalen Antennen (Fernsehen) und Richtantennen (Telefon, Daten, Rundfunk etc.) versehen werden. Die Signallaufzeit betrüge etwa 0,5 Sekunden und die Übertragungskosten wären entfernungsunabhängig. Als optimale Entfernung für einen solchen Satelliten gelten 36 000 Kilometer, wobei der Abstand mindestens 1° von Satellit zu Satellit betragen müßte. Dadurch ist die Zahl von "Parkplätzen" limitiert.

Seit Mitte 1979 sind mehr als 15 Satelliten für allgemeine Telekommunikations-zwecke in Aktion. Es wird angenommen, daß ihre Zahl und ihre Kapazität in den nächsten zehn Jahren um ein Vielfaches wachsen wird.

Das Engagement der Deutschen Bundespost in dieser Angelegenheit wird sicher wesentlich vom Ergebnis anzustellender Bedarfsanalysen abhängen. Darüber hinaus wird diese Entwicklung von der Antwort auf die politische Frage beeinflußt werden, inwieweit Satellitenkommunikation die gegenwärtige Monopolstellung der europäischen Postgesellschaften gefährden könnte.