Zustände wie in den USA

Telekom-Wettbewerber warnen vor Regulierungsferien

13.11.2013
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Die mit Wettbewerbern der Deutschen Telekom besetzten Verbände BREKO und VATM warnen die künftige Bundesregierung davor, den Forderungen des Ex-Monopolisten nach einem Aussetzen der Regulierung nachzugeben. Damit würden Investitionen in den Breitbandausbau nicht angeregt, sondern vielmehr gestoppt.
Die in BREKO und VATM organisierten Telekom-Wettbewerber warnen vor den Folgen einer Deregulierung.
Die in BREKO und VATM organisierten Telekom-Wettbewerber warnen vor den Folgen einer Deregulierung.
Foto: Telekom

Auslöser ist ein dreiseitiges Positionspapier, mit dem das Bonner Unternehmen derzeit laut BREKO versucht, "die Koalitionsverhandlungen der Spitzen von CDU/CSU und SPD zu seinen Gunsten zu beeinflussen". In dem Papier soll der Ex-Monopolist den völligen Verzicht auf Regulierungsmaßnahmen, eine aktive Industriepolitik und weniger starke Fusionskontrollen fordern. Die "intensive Preisregulierung der letzten Jahre", wettert die Telekom gegen die Bundesnetzagentur, habe "zu immer geringeren Umsätzen und einem teils ruinösen Preiswettbewerb bei europäischen TK-Anbietern geführt". Diese Mittel fehlten laut Telekom beispielsweise beim flächendeckenden Breitbandausbau - die dafür notwendigen Investitionen könne man nur durch einen völligen Verzicht auf Regulierung - wie in den USA und China geschehen - schultern.

Aus Sicht des Bundesverband Breitbandkommunikation e.V. (BREKO) ist diese Argumentation indes unhaltbar: So seien seit der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes im Jahr 1998 zwar 105,3 Milliarden Euro investiert worden, von denen 65 Prozent in die Festnetzinfrastruktur flossen. Über die Hälfte (55 Prozent) dieser Investitionen seien jedoch durch Telekom-Wettbewerber - ein Großteil davon BREKO-Mitglieder - getragen worden. Außerdem verweist der BREKO darauf, dass die Verbraucher erst durch den zunehmenden Wettbewerb in Europa in hohem Maße von technischen Innovationen profitiert hätten, während die Preise für Telefonie und Internet gleichzeitig stark gesunken seien. Die maßvolle Regulierung habe in den vergangenen Jahren die Grundlage dafür geschaffen, dass regionale und lokale Carrier den Verbrauchern attraktive Alternativen zu den Telekom-Angeboten eröffnet haben, bricht der BREKO eine Lanze für die Arbeit der Bundesnetzagentur.

Auch der (andere) TK-Wettbewerberverband VATM ist von den Forderungen der Telekom "not amused" und warnt vor einem undifferenzierten Abbau von Regulierung im deutschen TK-Markt. Ein solcher "Regulierungskahlschlag" würde dem deutschen Markt massiv schaden, weitere Investitionen in den Breitbandausbau stoppen und auch die in den vergangenen Jahren etwa im Rahmen der großen TKG-Novelle eingeführten Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen leerlaufen lassen. Nicht zuletzt wäre eine Abkehr von Regulierung und Wettbewerb EU-rechtswidrig und würde erneut ein Vertragsverletzungsverfahren wie bei den "Regulierungsferien" nach § 9a provozieren.

Als Beispiel dafür, welchen Schaden mangelnde Regulierung anrichten kann, zieht BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers die USA heran: Dort müssten die Verbraucher mangels verfügbarer Alternativen deutlich höhere Preise zahlten - und das für eine im Vergleich zu Europa häufig deutlich schlechtere Leistung.

In Deutschland drohe aus Sicht des BREKO ein ähnliches Schicksal, zumal die Telekom als börsennotiertes Unternehmen auch nach Erfüllung der Forderungen keinen flächendeckenden Breitband-Ausbau in Deutschland umsetzen werde - weil dieser außerhalb der Ballungszentren doch besonders kostenintensiv und erst auf sehr lange Sicht rentabel sei. In solchen unterversorgten Gebieten seien laut Albers individuelle Lösungen gefragt, die regionale Netzbetreiber bereits heute in zahlreichen Ausbauprojekten gefunden haben und erfolgreich umsetzen.

Auch VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner lässt kein gutes Haar an den Ausbau-Ambitionen des Ex-Monopolisten: Von wegen, der Wettbewerb sei schuld, dass die Telekom so wenig in den Breitbandausbau investieren könne. "Jeder Bürgermeister weiß, dass auf dem Lande entweder ein Wettbewerber baut oder die Telekom, nur weil sonst eben ein Wettbewerber baut", so Grützner.

Den von CSU-Chef Horst Seehofer vorgeschlagene Plan, über einen Breitbanduniversaldienst eine flächendeckende Versorgung mit 50 Mbit/s zu erreichen, hält der VATM für ebenso unsinnig. Zu Recht sei dieser Ansatz von der zuständigen Facharbeitsgruppe verworfen worden, so der Verband. Eine Zwangsabgabe, um den Netzausbau zu finanzieren, koste die Verbraucher und Geschäftskunden in den USA 16 Prozent auf jede Telefonrechnung - insgesamt sind das mehr als acht Milliarden Dollar pro Jahr. Auf Anraten der Telekom riskiere Seehofer nun, das Problem der amerikanischen Kunden nach Deutschland zu holen. "Bundeskanzlerin Angela Merkel muss hier ganz schnell ein Machtwort sprechen, damit die Wettbewerbsstrukturen in Deutschland nicht aufs Spiel gesetzt werden, um die uns die Telefonkunden in den USA beneiden", appelliert der VATM-Geschäftsführer.