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Telekom-Konkurrenten lassen im Ortsnetz den Worten Taten folgen

09.11.2000
Auf der SYSTEMS zeigen alle namhaften Carrier Flagge. Augenfällig ist, dass die Telekom-Konkurrenten im Ortsnetzbereich nun konkrete Dienste einführen. Außerdem sind im Mobilfunk die Weichen auf GPRS gestellt.

Von CW-Redakteur Peter Gruber

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die SYSTEMS ruft - und die Carrier kommen. Auf der Messe in München zeigten alle namhaften Carrier Flagge. Augenfällig ist, dass die Telekom-Konkurrenten im Ortsnetzbereich nun konkrete Dienste einführen. Außerdem sind im Mobilfunk die Weichen auf GPRS gestellt.

Es ist nichts Neues, dass die Konkurrenten der Telekom dem Ex-Monopolisten im Ortsnetz den Kampf angesagt haben. Doch was lange nur als Ankündigung im Raum stand, nimmt nun konkrete Formen an. Zumindest Mannesmann Arcor und Viag Interkom versuchen, der Telekom auch auf der letzten Meile Kunden streitig zu machen. Laut Elmar Hülsmann, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Mannesmann Arcor AG, wird sein Unternehmen bis Ende des Jahres 75 Ortsnetze in Deutschland direkt erschließen und den Ausbau der eigenen Netzinfrastruktur auch weiterhin forcieren. In diesem Zusammenhang deutete Hülsmann auch die Übernahme weiterer City-Carrier an.

Bei der Anbindung von Kunden setzen die Eschborner sowohl auf terrestrische wie auch funkgestützte Technik. Mit "Arcor Internet Business Flatrate" stellte das Unternehmen auf der Messe einen neuen Dienst vor, der speziell auf kleinere und mittelgroße Unternehmen sowie Filialorganisationen zugeschnitten ist. Der Service basiert auf dem Verfahren Digital Subscriber Line (DSL) und bietet dem Kunden downstream eine Übertragungsrate von 384 Kbit/s, upstream sind es 128 Kbit/s. Der Service soll bald auch mit symmetrischen Transferraten verfügbar sein und kostet monatlich 399 Mark inklusive zehn Mailboxen, einem eigenen Domain-Namen sowie 10 MB Web-Speicherplatz.

Trotz des großen Sterbens der Flatrate-Anbieter hat Hülsmann keine Sorge, der Dienst könne sich für Arcor nicht rechnen. Durch die Politik des eigenen Infrastrukturausbaus stelle die Flatrate, so der Manager, kein Problem dar, weil dadurch für sein Unternehmen eine bessere Kostenkontrolle möglich sei.

Neben der terrestrischen DSL-Technik setzt Arcor beim Ausbau der Ortsnetze auch auf die PMP-Technologie (Point-to-Multipoint). Dabei handelt es sich um Richtfunk, mit dem vor allem kleine und mittelständische Unternehmen via Luftschnittstelle mit dem Arcor-Backbone verbunden werden können. Über das Joint Venture Arctel, das Arcor und Teligent gemeinsam betreiben, sollen im kommenden Monat 44 der insgesamt 200 Lizenzgebiete technisch startklar sein. Erste PMP-Datendienste sind von Arcor Anfang 2001 zu erwarten, Sprachdienste sollen wenig später folgen.

Arcor will an die Börse

Mannesmann Arcor bereitet sich auf einen Börsengang vor. Vorstandsmitglied Elmar Hülsmann bestätigte auf der SYTEMS in München, dass die Muttergesellschaft Vodafone einen Teil der Festnetztochter an die Börse bringen möchte. Hülsmann schloss die Umwandlung von Arcor in eine Aktiengesellschaft in den nächsten Wochen sowie die Notierung an der Börse bereits im Frühjahr 2001 nicht aus. Ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest. Laut Hülsmann ist es denkbar, dass sich der 18-prozentige Anteil des angeschlagenen Gesellschafters Deutsche Bahn AG bei einem Going Public verringert.

Nicht auf DSL, sondern ausschließlich auf Richtfunktechnik baut derzeit Viag Interkom bei der Erschließung des Ortsnetzes. Die Münchner präsentierten auf der Systems nochmals ihren Dienst "E-Nfrastruktur", der Firmen via Funk Sprach-, Daten- und Internet-Services bietet. 15.000 Kunden will Viag Interkom kommendes Jahr über diesen Breitbanddienst im Ortsnetz anbinden.

"Wir sind damit nicht mehr auf die Infrastruktur Dritter angewiesen", hob Maximilian Ardelt, Vorsitzender der Geschäftsführung, den Vorteil des Richtfunks hervor. Gleichwohl räumte Ardelt ein, dass sein Unternehmen auch Interesse an Teilen des Kabelnetzes der Telekom als attraktive Zugangstechnologie zum Endkunden gehabt hätte. Dieses Vorhaben wird der TK-Konzern nun nicht mehr verfolgen. Ardelt dazu: "Wir müssen unsere Ressourcen bündeln, die durch die Ersteigerung einer UMTS-Lizenz in nicht akzeptabler Weise in Anspruch genommen wurden."

Um den Zugang zum Endkunden macht sich die Telekom indes wenig Sorgen. Wie gewohnt gefiel sich der Bonner Carrier in der Rolle des Platzhirsches. Bis Ende Oktober, so Josef Brauner, Vorstand Vertrieb und Services, habe der Konzern über 300.000 T-DSL-Anschlüsse vermarktet. Laut Brauner hätten es "aus dem Stand" sogar 600.000 bis 800.000 sein können, wenn es bei der DSL-Technik nicht zu Lieferengpässen gekommen wäre.

Das Mitglied des Telekom-Vorstands wurde auch nicht müde, die Innovationskraft seines Unternehmens zu loben. Mit einem Seitenhieb auf den US-Konkurrenten Worldcom, dessen Aktienkurs vergangene Woche nach schlechten Ergebnissen einbrach, kritisierte Brauner die einseitige, rein tariforientierte Festnetzpolitik so mancher Wettbewerber. Mit ISDN und T-DSL sei die Strategie der Telekom im Festnetz im Gegensatz zu anderen Anbietern auf breitbandige Angebote ausgerichtet. "Trotz der hervorragenden Perspektiven im Mobilfunk sollten wir nicht übersehen, dass das Rückgrat der TK-Industrie nach wie vor das Festnetz ist - und auch in Zukunft bleibt", sagte Brauner.

Rückendeckung erhielt Brauner von seinem für Produkt-Marketing zuständigen Vorstandskollegen Detlev Buchal. Er bezifferte den Marktanteil der Telekom bei DSL zwischen 99 und 100 Prozent. Diese Spitzenposition ist sicher unbestritten, anders sieht es hingegen beim General Packet Radio Service (GPRS) aus. Bei der Aufrüstung der bestehenden GSM-Mobilfunknetze mit dieser schnelleren Datentransfertechnik haben die Bonner gegenüber der Konkurrenz die Nase nicht vorn. "Tests haben ergeben, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir es den Kunden eigentlich zugesagt hatten", sprach Buchal ein offenes Wort.

Die Telekom wird voraussichtlich im Laufe des ersten Quartals 2001 für Kunden den mobilen Zugriff via GPRS auf Firmennetze und Intranets ermöglichen, die auf den Services "LAN-to-LAN" und "T-Interconnect" basieren. Abgerechnet wird dann, so Buchal, nicht mehr nach Zeittakt, sondern nach übertragenem Datenvolumen.

Der schnellste Anbieter in der Umsetzung von GPRS scheint E-Plus zu sein. Die Düsseldorfer kündigten den Start für den 4. Dezember 2000 an (Computerwoche online berichtete), ebenso möchte Viag Interkom noch in diesem Jahr GPRS-Dienste im Portfolio haben. Ardelt nannte jedoch keinen konkreten Termin. "Der Start hängt von den Endgeräten ab", sagte er, und verwies damit auf die Probleme der Endgerätehersteller, Produkte zu liefern.

E-Plus wird nach Angaben von Uwe Bergheim, seit September neuer Vorsitzender der Geschäftsführung, zum Start im Dezember bereits 80 Prozent seines Netzes mit der neuen Technologie ausgerüstet haben. Zunächst sollen Übertragungsraten von 20 bis 40 Kbit/s möglich sein, später dann bis zu 170 Kbit/s. Mit GPRS wollen die Düsseldorfer unter anderem versuchen, den in diesem Jahr verloreneren Marktanteil wieder wettzumachen, der laut Bergheim von 19 auf 15 Prozent sank. "Wir haben die Dynamik des Marktes unterschätzt", räumte der Geschäftsführer unumwunden ein und sprach von einer "Hysterie, bei der es gilt, zu nahezu allen Bedingungen Nutzer zu gewinnen". Der Mobilfunk-Boom werde vor allem im Prepaid-Bereich teuer erkauft, warnte Bergheim, der diesen Trend nicht um jeden Preis mitmachen will. Vor allem über neue Services wie den "Online Organizer", den E-Plus "Voice Assistant" und Unified Messaging, die alle im ersten Quartal 2001 kommen sollen, sollen die Konsumenten geködert werden. Außerdem will E-Plus durch eine bessere Kostenstruktur bei der Kundengewinnung die Bilanz verbessern.

Mit "E-Plus Business VPN" bietet das Unternehmen ab Anfang Dezember außerdem ein Virtual Private Network (VPN) an. Der Dienst integriert bereits vorhandene Rufnummern aus dem Festnetz und Mobilfunk im E-Plus-Netz und erlaubt zudem, innerhalb der VPN Kurzwahlen festzulegen. Gespräche im Business VPN werden zu Sonderkonditionen abgerechnet. Die Mindestteilnehmerzahl liegt bei 20 Handys.

Im Bereich VPN sorgt auch Arcor zur Systems für eine Ergänzung seiner Servicereihe "Company Net". Die Einwahldienste "Company Dialog" für Filialen und "Company Remote" für Außendienstmitarbeiter sind jetzt auch im Flatrate-Modus verfügbar. Der Einsatz der DSL-Technik erhöht dabei die Übertragungsrate downstream bei Company Dialog auf 384 Kbit/s. Der monatliche Festpreis beträgt 399 Mark.

Nichts Neues in Sachen VPN gab es hingegen bei Viag Interkom und der Telekom. Beide Unternehmen könnten zur Systems generell nicht beziehungsweise kaum mit Neuerungen aufwarten. Viag hatte den Dienst E-Nfrastruktur wie gesagt schon im Vorfeld angekündigt, und die Telekom wartete in München lediglich mit Tarifsenkungen bis zu 20 Prozent bei "T-ATM" und ab 1. Dezember 2000 bei "T-Interconnect Classic", dem Internet-Zugang für Unternehmen, auf. Mit "T-Interconnect Office Solution" hatten die Bonner dann doch noch ein neues Produkt im Systems-Gepäck, das auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten ist. Kernstück ist ein Thin Server von IBM, auf dem bereits alle für den permanenten Internet-Zugang nötigen Funktionen wie E-Mail, Web-Server oder FTP-Server sowie Firewall-Technik vorinstalliert sind.