Marktforscher halten hohe TK-Tarife in Deutschland vorerst fuer unverzichtbar

Telekom hat in Europa bei den ISDN-Anschluessen die Nase vorn

27.08.1993

MUENCHEN (hi) - Durchweg befriedigende bis gute Zensuren geben die Auguren des IDC Network Expertise Centre Europe mit Sitz in Amsterdam der Telekom fuer den Aufbau eines modernen TK-Netzes in der Bundesrepublik. So zaehlt die Studie "Country profiles" in Deutschland bereits 45 000 ISDN-Anschluesse, womit die Deutschen im europaeischen Vergleich bei der Einrichtung moderner TK-Netze eine Spitzenposition einnehmen.

Mit 85 Prozent ist der Digitalisierungsgrad des Netzes hierzulande bemerkenswert hoch. In bezug auf die absoluten ISDN- Anschluesse und im Verhaeltnis von analoger zu digitaler Technik teilen sich Deutschland und Frankreich die ersten Plaetze in Europa.

Obwohl Deutschland mit 33,6 Millionen Anschluessen die hoechste TK- Teilnehmerzahl aufweist, erreicht die Telekom mit einer Anschlussdichte von 42 Prozent nur Rang zwoelf unter den 17 untersuchten europaeischen Nationen. Die groesste Verbreitung pro 100 Einwohner haben Grossbritannien, Frankreich und Schweden.

Als Ursache fuer den schlechten Versorgungsgrad nennen die Autoren der Studie die fuenf neuen Bundeslaender mit ihrer maroden TK- Infrastruktur. Allerdings, so die Analysten, sei bei einem Investitionsvolumen von 14,7 Milliarden US-Dollar in den oestlichen Bundeslaendern mit einer baldigen Verbesserung der Situation zu rechnen. Aufgrund dieser Ausgangslage ist fuer die Marktbeobachter das hohe Tarifniveau in Deutschland in naechster Zeit unverzichtbar, auch wenn es fuer die Unternehmen zu einer Verteuerung der TK-Aufwendungen und damit zu hoeheren Produktionsnebenkosten fuehrt.

IDC-Analystin Josee van den Berg ist denn auch davon ueberzeugt, dass "Deutschland von einer Verzoegerung der EG-TK-Liberalisierung profitiert", weil nur ohne reinen Wettbewerb das hohe Preisniveau gehalten werden kann. Langfristig prognostizieren die Analysten dem deutschen TK-Markt, der bereits heute mit einem Investitionsvolumen von 35 Milliarden Dollar der groesste europaeische Markt ist, als Sprungbrett zu den ehemaligen RGW- Staaten im Osten hervorragende Wachstumschancen.

Die Branchenkenner empfehlen Deutschland deshalb bereits heute als Investitionsumfeld Nummer eins, auch wenn die Chancen fuer einen Short-term-profit aufgrund der hohen Inflationsrate von 3,9 Prozent momentan aeusserst gering sind. Schnelles Geld ist eher auf der britischen Insel, in Frankreich oder Daenemark zu verdienen. Langfristig ist aber mit einer Investition in Deutschland auf alle Faelle eine lohnende Rendite zu erreichen. Vor Spanien und der Schweiz prognostizieren die Marktforscher dem deutschen TK-Sektor auf lange Sicht die besten Wachstumsaussichten.

Diesen Optimismus sieht IDC auch durch die Tatsache bestaetigt, dass Deutschland mit 11,5 Millionen White-collar-Beschaeftigten den groessten Anteil an Buerotaetigen hat. Von Ihnen haben 64 Prozent einen Telefonanschluss am Arbeitsplatz und sind auf die Datenkommunikation via TK-Leitungen angewiesen. Kein Wunder also, dass sich in Deutschland neben Grossbritannien und Frankreich im europaeischen Durchschnitt am meisten Geld im Segment der Datenkommunikation verdienen laesst.

98 Prozent der gezaehlten 260 000 Leased lines, die vorwiegend im professionellen Bereich genutzt werden, basieren bereits auf der Digitaltechnik. An zweiter Stelle in der Beliebtheitsskala stehen die paketvermittelnden Datennetze. Neben den reinen Mietleitungen bietet die Telekom noch sogenannte "Datendirektverbindungen", die aus zwei Modems am Leitungsende bestehen, verknuepft mit einigen Dienstleistungen. Nach den Berechnungen der Amsterdamer ist das Angebot etwa vier- bis achtmal so teuer wie vergleichbare Leistungen in Grossbritannien. Auch bei den reinen Mietleitungen kommen die Marktforscher auf einen Preis, der um das Drei- bis Vierfache ueber dem Niveau in Grossbritannien liegt.

Allerdings gehen die Auguren davon aus, dass die Preise in Deutschland kraeftig fallen werden, wenn die oben angesprochenen Investitionen den Leitungsunterhalt fuer die Telekom deutlich verbilligen.

Dies wird aber, so die Autoren der Studie, deutlich laenger dauern, als in den EG-Szenarien immer wieder angenommen wird.

Langfristig prophezeien die IDC-Marktanalysten dem deutschen TK- Markt die besten Wachstumschancen in Europa.