Verkauf der Sprint-Anteile wird als Panikreaktion gewertet

Telekom-Chef Sommer steht mit dem Rücken zur Wand

02.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Geht er, geht er nicht, wann muss er gehen? Ron Sommer stand in den letzten Tagen wie kaum ein anderer deutscher Spitzen-Manager in den Schlagzeilen. Spätestens nach der notwendig gewordenen Wertberichtigung des konzerneigenen Immobilienvermögens, die die ursprünglich optimistische Gewinnprognose für das laufende Jahr zur Makulatur machte, gilt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom als schwer angeschlagen.

Nach monatelangen Gerüchten musste die Telekom Mitte vergangener Woche einräumen, dass eine Wertberichtigung ihres Immobilienvermögens in Höhe von rund zwei Milliarden Euro unausweichlich ist. Bislang hatte der Vorstand einen Abschreibungsbedarf immer verneint, jetzt sah er sich zu einer Gewinnkorrektur gezwungen. Statt des erst vier Wochen vorher für das Geschäftsjahr 2001 prognostizierten vorläufigen Ergebnisses von 7,4 Milliarden Euro sei nun voraussichtlich nur noch mit einem Ertrag von 5,9 Milliarden Euro zu rechnen, teilte der Bonner Carrier in einer Pflichtveröffentlichung mit. Der Kurs der T-Aktie stürzte daraufhin zeitweise auf knapp unter 25 Euro ab.

Kette von HiobsbotschaftenFür die meisten Analysten war diese Nachricht nur das vorläufige Ende einer ganzen Kette von Hiobsbotschaften, mit denen die Telekom-Verantwortlichen in den zurückliegenden Monaten nicht gerade zur Stabilität der T-Aktie beigetragen hatten. Der Management-Kehraus bei den Konzerntöchtern T-Online und T-Systems, die zu geringen Margen im Mobilfunkgeschäft in Kombination mit der von immer mehr Fachleuten als viel zu teuer eingestuften UMTS-Lizenzen, die nach wie vor äußerst kontrovers diskutierte Übernahme des US-Mobilfunkanbieters Voicestream, der anhaltende Umsatzrückgang bei Festnetzgesprächen - die Liste der "Baustellen" (O-Ton Sommer) ließe sich beliebig fortsetzen. Spätestens seit der 1999 missglückten Übernahme von Telecom Italia steht der Telekom-Frontmann in der Kritik. Die letzten Tage und Wochen dürften ihn aber endgültig zu einem Vorstandsvorsitzenden auf Abruf gemacht haben.

Bleibt er oder geht er?Dafür spricht allerdings weniger der kleinkarierte Parteienstreit, der nach entsprechenden Rücktrittsforderungen einiger Oppositionspolitiker eingesetzt hat. Nachdenklich stimmen eher die nur halbherzig dementierten Spekulationen, wonach sich der Telekom-Aufsichtsrat bereits informell auf die Suche nach einem potenziellen Nachfolger Sommers gemacht haben soll. Als mögliche Kandidaten werden laut einem Bericht der "Welt am Sonntag" Bahn-Aufsichtsratschef Dieter Vogel, Swisscom-Vorstandsmitglied Carsten Schloter sowie der - bisher allerdings ebenfalls glücklose - Telekom-Vertriebschef und Sommer-Vertraute Jo Brauner gehandelt. Ron Sommer hat, so das Blatt weiter, Telekom-Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus bereits seine Demission angeboten, wenn die Bundesregierung für ihn nicht eine Ehrenerklärung abgebe. Und der Bundeskanzler reagierte. Nicht nur, dass er Sommer offiziell den Rücken stärkte, Gerhard Schröder äußerte gegenüber dem Fernsehsender N-24 außerdem, dass er die Telekom-Aktie für unterbewertet halte. Die Regierung arbeite mit dem Telekom-Vorstand und -Aufsichtsrat vertrauensvoll zusammen. Für Personalentscheidungen sei laut Aktienrecht der Aufsichtsrat verantwortlich, für das operative Geschäft der Vorstand, hieß es.

Zumindest im Bundesfinanzministerium - der Bund hält direkt beziehungsweise über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch immer die Mehrheit der Telekom-Anteile - dürfte man dies etwas anders sehen. Seit ihrem Allzeithoch von 104,87 Euro am 6. März 2000 verlor die T-Aktie mehr als drei Viertel ihres Wertes, was einer Entwertung um rund 250 Milliarden Euro entspricht. Gelingt es Sommer bis zu der für Mai anberaumten Hauptversammlung nicht, das Ruder herumzureißen, werde man den Aktionären und den Finanzmärkten ein "neues Gesicht" präsentieren müssen, glauben Insider.

Auch der Telekom-Frontmann selbst scheint den Ernst der Lage erkannt zu haben und ging in die publizistische Offensive. Sowohl in einer internen E-Mail an alle Mitarbeiter seines Unternehmens als auch in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" übte sich Sommer in Durchhalteparolen.

Vier-Säulen-Strategie verteidigtDie negative Kursentwicklung der T-Aktie sei durch unternehmensbezogene Fakten nicht zu begründen; man sei vielmehr durch die allgemeine Marktschwäche und die "stürmischen Zeiten" im TK-Sektor in Mitleidenschaft gezogen worden. Die eigene Vier-Säulen-Strategie (Festnetz, Mobilfunk, Internet und Systemlösungen) werde von den Analysten schon sehr bald als entsprechend zukunftsträchtig gewürdigt, so Sommer.

Doch auf eine Trendumkehr an der Börse hoffte der Telekom-Chef bisher vergeblich. Auch der Verkauf des Zehn-Prozent-Anteils am US-Carrier Sprint zum derzeitigen Kurswert von rund 2,1 Milliarden Euro, den die Telekom vergangene Woche ebenfalls ankündigte, erwies sich als Rohrkrepierer. Begleitet von der ungeschickten Kommentierung eines Unternehmenssprechers, der davon sprach, dass trotz des derzeit niedrigen Kurses der Sprint-Aktie bei dem Verkauf unter dem Strich "noch etwas übrig bleibt", wurde der Deal allgemein als geradezu verweifelter Versuch gewertet, mit einer eher kosmetischen Maßnahme die Schuldenlast des Konzerns von insgesamt 60 Milliarden Euro zu drücken und damit für eine positivere Stimmung an der Börse zu sorgen.

Das Tafelsilber wird verkauftDavon, dass der Bonner Carrier jetzt darangeht, sein Tafelsilber möglichst schnell zu verschleudern, zeugt auch der überraschende Verkauf der Mehrheit der Anteile an sechs weiteren regionalen Kabelgesellschaften an das britisch-amerikanische Konsortium Klesch/Liberty Media, der laut einer gemeinsamen Absichtserklärung bis zum Sommer unter Dach und Fach gebracht werden und weitere rund fünf Milliarden Euro in die Kasse der Telekom bringen soll. Bisher hatte sich der deutsche Ex-Monopolist einer entsprechenden Aufforderung der EU-Kommission gegenüber reserviert gezeigt. Die Telekom wurde jedenfalls bis dato nur bei den Kabelnetzen in Nordrhein-Westfalen und in Hessen mit der US-Investorengruppe Callahan handelseinig; in Baden-Württemberg steht man mit den gleichen Interessenten dem Vernehmen nach kurz vor dem Abschluss. Der Verkauf der Anteile an den übrigen Kabelgesellschaften geriet jedoch in der Folge ins Stocken - angeblich, weil die Telekom zu hohe Preise gefordert hat. Dass jetzt in dieser Angelegenheit plötzlich der Knoten geplatzt sei, spricht nach Ansicht von Branchenkennern Bände.