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Telecom 99: Gerstner warnt vor der proprietären "Falle"

12.10.1999

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In seiner Keynote-Ansprache auf der Telecom 99 in Genf attackierte IBM-Chairman Lou Gerstner den Erzrivalen Microsoft scharf, auch wenn er dessen Namen nicht explizit nannte. Gerstner warnte die Industrie und Verbraucher davor, sich von den "schlechtesten" Elementen der Computerbranche in die "Falle" locken zu lassen. Damit meinte er Hersteller, die durch proprietäre Technologien den Markt dominieren wollen. "Es gibt einige Firmen, die es immer noch nicht kapiert haben, die immer noch versuchen, proprietäre Computer- und Telekommunikationssysteme zu propagieren, um die Kontrolle über den Markt zu erlangen. Ich glaube, deren Motive sind klar. Aber meiner Meinung nach stehen sie auf der falschen Seite der Geschichte," fügte er hinzu. Weiterhin kritisierte er den Versuch der Gates-Company, durch Kabelinvestitionen mit Telefongesellschaften konkurrieren zu wollen. IBM hingegen habe an diesem Markt kein

Interesse und wolle statt dessen lieber mit den TK-Carriern zusammenarbeiten.

Zum Thema Computer hatte Gerstner ebenfalls einiges zu sagen: "Jeder weiß, daß die PC-Ära vorbei ist. Der PC selbst ist nicht tot. Er befindet sich allerdings nicht mehr im Rampenlicht und liefert schon lange nicht mehr die einzige Netzwerkverbindung." Auch wenn es bis 2003 weltweit rund 600 Millionen PCs geben soll, werde die Zahl der Handheld-Geräte mit Internet-Verbindung auf über zwei Milliarden steigen, so der IBM-Chairman weiter. "Die gute Nachricht ist, daß die Java- und Linux-Bewegungen deutlich machen, daß diejenigen, die auf proprietäre Standards setzen, in einer heterogenen, offenen und vernetzten Gesellschaft nicht gewinnen werden. Und jeder Kunde oder jede Nation, die sich von einer geschlossenen Architektur fangen lassen, laufen Gefahr, den Zug zu verpassen," teilte der IBM-Frontmann noch einmal in Richtung Microsoft aus.

Den Europäern gab Gerstner den Rat mit auf den Weg, ihre Deregulierung der Telekommunikationsbranche weiter voranzutreiben, um von der globalen Internet-Revolution nicht überrannt zu werden. Die Liberalisierung der durch die Regierungen kontrollierten TK-Märkte würde es Europa ermöglichen, "aggressiv voranzuschreiten". Seiner Ansicht nach wird auch die alte Welt eine große Rolle in der Entwicklung des "E-Business" spielen. Der europäische Anteil an den Internet-Transaktionen werde von derzeit elf auf 33 Prozent im Jahre 2003 anwachsen, mutmaßte Gerstner.