Externe Arbeitsplätze erfordern ausgefeilte Organisation, aber:

Telearbeit wird noch nicht akzeptiert

03.06.1988

Büro-Fernarbeit könnte bisher in der Bundesrepublik nicht Fuß fassen, die Anzahl der bisher vorhandenen externen Büroarbeitsplätze kann als quantité négligeable gelten. Das deutsche - Management scheut größtenteils Experimente mit dieser elektronischen Variante der Heimarbeit, der Aufwand scheint zu groß und der Erfolg zu unsicher. Mit einem durchdachten Organisationsvorlauf ist die Arbeit am häuslichen Computer jedoch durchaus praktikabel zu gestalten.

Seit etwa 1982 wird eine neue Arbeitsform, die Telearbeit, intensiv diskutiert, wobei unter "Telearbeit", ohne daß es bisher eine einheitliche Definition gäbe, eine informations- und kommunikationstechnisch unterstützte Büro-Fernarbeit verstanden wird.

Die derzeitige Verbreitung der Telearbeit in der Bundesrepublik Deutschland wird auf maximal 1000 dezentrale Arbeitsplätze geschätzt. Hierbei dominieren Tätigkeiten der Datenerfassung, der Textverarbeitung und der (Tele-)Programmierung. Mit Telearbeit ist also die Vergabe von Bürotätigkeiten verbunden.

Als notwendige Anforderungen an dezentralisierbare Bürotätigkeiten im Rahmen der Telearbeit gelten eine hohe Strukturier-, Formalisier- und Standardisierbarkeit. Daneben wird häufig auch ein geringer Ressourcenbedarf, das heißt eine weitgehende Unabhängigkeit der Telearbeiter von zentral gelagerten Aktenordnern und Kundenbriefen sowie teilweise auch eine Zugangsberechtigung dezentraler Arbeitnehmer zu zentralen Datenbanken gefordert. Ferner kommt es in der Regel darauf an, daß sich die Informationsbeziehungen zwischen den Telearbeitern und der Zentrale weitgehend, auf technische, Kommunikationsbeziehungen (zum Beispiel per Telefon, Teletex, Telefax) beschränken lassen. Der Maßstab, an dem daher die Dezentralisierbarkeit von Bürotätigkeiten in Form von Telearbeit zu messen ist, ergibt sich folglich aus dem Grad möglicher Unterstützung der Telearbeiter durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken (den sogenannten IuK-Techniken).

Verschiedene organisatorische Alternativen der Telearbeit haben sich inzwischen herausgebildet. Im Vordergrund steht (noch) die "reine" Teleheimarbeit durch "Subunternehmer", bei der ausschließlich von zu Hause aus unter Zuhilfenahme von IuK-Technologien gearbeitet wird. Diese Organisationsform bietet sich jedoch für höherqualifizierte Tätigkeiten (wie zum Beispiel Teleprogrammierung) in der Regel nicht an. Speziell für diese haben sich daher inzwischen "Mischformen" durchgesetzt, die sich aus der Kombination einer zeitweisen zentralen Büroarbeit und einer zeitweisen dezentralen (gelegentlichen oder regelmäßigen) Heimarbeit zusammensetzen.

Weitere organisatorische Alternativen wurden von einigen Unternehmen in Form einer dezentralen Zusammenfassung mehrerer Telearbeiter in sogenannten "Nachbarschafts-" oder "Satellitenbüros" verwirklicht. Diese kollektiven dezentralen Arbeitsformen bieten für auslagernde Unternehmen den Vorteil einer besseren Auslastung von Geräten und Telekommunikationsanschlüssen. Daneben ergeben sich auch Vorteile durch die Organisation in Richtung einer kontinuierlichen, unter Umständen auch zeitversetzten und damit längeren Präsenz von Telearbeitern an ihren dezentralen Arbeitsplätzen (Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit), wodurch für die Unternehmen über einen längeren täglichen Zeitraum hinweg ein hohes Arbeitsniveau - im Gegensatz zu den üblichen zentralen Büroarbeitszeiten - erreicht werden konnte. Bei entsprechenden Zielvorgaben einiger Unternehmen ließen sich in diese kollektiven Telebüros auch komplexere Aufgabengebiete auslagern, die, obwohl sie einer intensiven Face-to-face-Kommunikation bedurften (was einleitend ja eher gegen Telearbeitvergabe sprach), auf diese Weise kooperativ in dezentraler Teamarbeit bewältigt werden konnten.

Die Vergabe von Teletätigkeiten bringt eine Reihe organisatorischer Schwierigkeiten mit sich. Zu erwähnen sind Probleme der Kontrolle, die sich aus der räumlichen Trennung der Telearbeiter von ihren direkten Vorgesetzten ergeben. Bei einigen (vor allem niederqualifizierten) Tätigkeiten bot sich als Lösung die Kontrolle mit Hilfe einer geeigneten Überwachungssoftware an, die zum Beispiel für Anschlagzählungen eingesetzt werden kann. Für höherqualifizierte Tätigkeiten stellte es sich dagegen überwiegend als geeigneter heraus, Arbeitspakete zu definieren. Sie ermöglichen es, jeweils nach Abarbeitung eines Teilschrittes eine Zwischenkontrolle - der Arbeitserbringung durchzuführen.

Kosten schrecken Unternehmer ab

Ein weiteres grundsätzliches Problem bei Telearbeit bestand von Anfang an in der Koordination und der kontinuierlichen Auslastung der Telearbeiter. Werden mehrere Telearbeiter dezentral beschäftigt, dann wird zur Wahrnehmung dieser Aufgaben oftmals eine zentrale Koordinationsinstanz eingerichtet.

Gewichtige Argumente, die darüber hinaus (immer noch) von einigen deutschen Managern für ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Telearbeitsvergabe angeführt werden, betreffen Probleme im Zusammenhang mit Datenschutz und Geheimhaltung. Die Mehrzahl der für eine Dezentralisierung in Frage kommenden Tätigkeiten dürfte hiervon allerdings kaum betroffen sein. So hat sich bei den bisher praktizierten Dezentralisierungen herauskristallisiert, daß bei einem ausreichend großen Gesamtaufkommen an auslagerungsfähigen Aufgabengebieten die jenigen eben auszusortieren sind, also in der Zentrale verbleiben, die aufgrund ihrer Bedeutung für ein spezielles Betriebsgeheimnis beziehungsweise aufgrund der Verarbeitung personengebundener Daten für eine Dezentralisierung ungeeignet erscheinen.

Als wichtige, die Einführung von Telearbeitsplätzen hemmende Faktoren werden von einigen deutschen Managern die relativ hohen Geräte-, Übertragungs-, Kontroll- und Koordinationskosten genannt. Als abschreckend werden darüber hinaus auch der (im Einzelfall sicherlich unterschiedlich) hohe Aufwand für eine notwendige Umorganisation der Unternehmung angegeben. Weitere Hemmnisse werden in den Kosten für die Schulung der an Telearbeit beteiligten Mitarbeiter sowie auch in den Kosten für die Einrichtung eines eventuell notwendigen Botenwesens gesehen, mit dessen Hilfe Aktenordner, Kundenpost, Arbeitsvorlagen und Arbeitsergebnisse zwischen der Zentrale und den Telearbeiten befördert werden.

Es hat sich aber herausgestellt, daß für einige unbestreitbare Kostensteigerungen andere Wirtschaftlichkeitsdeterminanten einen Ausgleich schaffen: eine gestiegene Arbeitsproduktivität von durchschnittlich etwa 25 bis 45 Prozent (als Ergebnis empirischer Untersuchungen bei über zweihundert angelsächsischen Unternehmen). Dies nicht zuletzt deshalb, weil gemäß einigen Arbeitsverträgen nun für abgelieferte Arbeitsergebnisse ein Entgelt gewährt wird, während "Leerzeiten", die zum Beispiel im Büroalltag einer Schreibkraft mit zirka 20 Prozent angesetzt werden können, nicht bezahlt werden.

Die USA sind uns um Längen voraus

Bezüglich der Entwicklungstendenzen der Wirtschaftlichkeit von Telearbeit wird in der Literatur derzeit noch die Frage diskutiert, wer die Kosten für das Investment der PCs, der Teletex- und Telefaxgeräte übernehmen soll: der Telearbeiter oder der Arbeitgeber. Eine mögliche Überwälzung der Kosten für Einrichtung, Gestaltung und Unterhaltung der dezentralen Heimarbeitsplätze auf die Beschäftigten ist in Deutschland zur Zeit nur in Ansätzen sichtbar. Entwicklungen in den USA, wo die Telearbeitsdiffusion schon weiter fortgeschritten ist als bei uns, scheinen dagegen auf eine stärkere Belastung der Telearbeiter hinzudeuten.

Sollte die Überwälzung der Anschaffungskosten auf die (potentiellen) Telearbeiter in Zukunft in Deutschland zur Regel werden, würden hierdurch jedoch nicht alle Telearbeiter gleichermaßen betroffen sein. Denn für 1988 wird erwartet, daß die privaten Haushalte bereits aus eigener Initiative heraus über etwa drei Millionen Personal Computer verfügen werden.

Sie wären, sofern vernetzbar, auch für Teletätigkeiten einsetzbar. Zudem ist darauf hinzuweisen, daß der Markt für Hard- und Software immer noch durch sinkende Preise gekennzeichnet ist.

Weitere künftige Einsparungen für die Unternehmen werden aus einer Entwicklung erwartet, die dazu führen kann, daß die Teleheimarbeiter den Raum für ihren häuslichen Arbeitsplatz unter dem sonst üblichen Marktpreis zur Verfügung stellen werden. Dies könnte dazu führen, daß ein Unternehmen lediglich eine anteilige Vergütung für einen zur Heimarbeit benutzten Wohnraum zu bezahlen hätte, oder daß der Telearbeiter sogar gar keine Raumnutzungsgebühren in Rechnung stellt.

Tarifpartner sind sich noch nicht einig

Noch günstigere Ausgangsbedingungen für Telearbeit wird zukünftig die Nutzung immer leistungsfähigerer Datenfernübertragungseinrichtungen sowie die umfassende Vernetzung der Bundesrepublik bieten. In dieser Hinsicht hat sich die Deutsche Bundespost bereits stark engagiert. So soll spätestens Anfang der 90er Jahre durch eine flächendekkende Bereitstellung des ISDN und der Glasfaserverkabelung unter anderem eine gemischte Datenübertragung und -speicherung ermöglicht werden. Vorgesehen sind dann die gemeinsame Abspeicherung von Text und Sprache in einem elektronischen "Posteingangskorb", wie auch die Nutzbarkeit multifunktionaler Endgeräte, durch die so verschiedene Funktionen wie Text- und Datenverarbeitung, Grafikerstellung, Telekommunikation und Sprachübermittlung auf einem Gerät abgewickelt werden können. Zudem soll der Datentransfer in Zukunft auch schneller, sicherer und störungsfreier ablaufen als bisher.

Da die Diskussion der Tarifpartner über Vor- und Nachteile einer dezentralen Arbeitserbringung noch unentschieden ist, hält der gegenwärtige Einführungsprozeß der Telearbeit in deutschen Unternehmen einen großen Gestaltungsspielraum offen, um die zukünftige Diffusion der Telearbeit in geeignete Bahnen zu lenken. Eine konstruktive Auseinandersetzung beider Seiten über die Probleme der Dezentralisierung kann noch durchaus zur Entwicklung von Strukturen und Rahmenbedingungen beitragen, die aus Telearbeit in naher Zukunft eine überwiegend positiv zu beurteilende Arbeitsform entstehen lassen können.