Telemedizin

Technologien, die uns wirklich helfen

07.04.2014
Von   
Tillmann Braun ist freier Journalist und Kommunikationsberater für non-profit Organisationen und Unternehmen. Sein Fachgebiet sind innovative IT-Lösungen für die Vernetzung von Menschen und Maschinen. Zu seinen Spezialthemen gehören intelligente (Heim-)Netzwerke, Machine-to-Machine-Kommunikation, Mobile Payment, IT-Strategien und vielfältig einsetzbare Kommunikationssysteme.
Mehr als nur Gadgets: Statt Bequemlichkeit steht bei diesen Innovationen der gute Zweck im Vordergrund.

Die meisten technologischen Innovationen zielen darauf ab, unseren Alltag zu erleichtern. Per App wird aus dem Handy eine digitale Landkarte. Einparkhilfen steuern unser Auto automatisch in die Parklücke. Und mit dem Smart TV kann jeder selbst bestimmen, wann er seine Lieblingsserien guckt. Es gibt aber auch Neuentwicklungen, die mehr liefern als angenehme Bequemlichkeit. Dazu gehören intelligente Lösungen für die Krankenpflege oder barrierefreie Notrufsysteme.

In Brandenburg wird seit Ende des letzten Jahres ein eHealth-Modell für Herz-Patienten in ländlichen Gegenden erprobt, das die Krankenpflege verbessern und gleichzeitig die Krankenhäuser entlasten soll. Um das Frühwarnsystem in der Praxis zu testen, wurden unter der Leitung der Charité Universitätsmedizin Berlin 1.500 Patienten mit einer Waage, einem Blutdruckmesser und einem EKG-Aufzeichnungsgerät ausgestattet. So können alle relevanten Therapiekontrollparameter bei den Patienten zuhause aufgezeichnet, dokumentiert und über eine sichere Mobilfunkverbindung an das telemedizinische Zentrum an der Charité übermittelt werden.

mHealth-Lösungen könnten die Pflege chronisch Kranker revolutionieren

Die Überwachung der eingehenden Messdaten durch die Fachärzte und Fachpfleger erfolgt rund um die Uhr. Bei Auffälligkeiten gibt es ein abgestuftes Vorgehen: von der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Patienten über eine veränderte Medikation in Absprache mit den betreuenden Ärzten bis hin zur Alarmierung des Notarztes.

Die Studie ist eine der größten Telemedizinstudien zur chronischen Herzinsuffizienz weltweit und wird unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Land Brandenburg unterstützt. Prof. Dr. Friedrich Köhler, Leiter des Zentrums für kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité, hält das Projekt für zukunftsweisend: "Die telemedizinischen Angebote nützen den Patienten und stärken gleichzeitig auch die Hausärzte, die in den dünn besiedelten Gegenden Brandenburgs ganz häufig auch Herzpatienten betreuen. Auf diese Weise wird die Qualität der Versorgung aller Patienten gesichert - unabhängig davon, ob sie in der Nähe eines Facharztes wohnen", betont Köhler.

Derartige mHealth-Lösungen könnten die Pflege vor allem chronisch kranker Menschen revolutionieren. Patienten lassen sich so beispielweise auch an ihre Medikamenteneinnahme und Arzttermine erinnern. Experten gehen davon aus, dass der weltweite mHealth Markt bis 2017 auf 23 Milliarden US Dollar steigen wird. Davon werden mehr als 50 Prozent auf Systeme zur Überwachung von Vitalfunktionen und Patientenwerten zurückgehen. Mobile Lösungen zur Betreuung chronisch Kranker werden hier eine besonders große Rolle spielen.

Mehrsprachiger Aufzug-Notruf für Menschen mit Hörbehinderung

Foto: Telegärtner

Eine andere technologische Innovation, die ebenfalls mehr leistet, als den Alltag zu erleichtern, ist ein Aufzug-Notrufsystem für Menschen, die hörgeschädigt sind - oder die jeweilige Landessprache nicht beherrschen. Bislang gab es für sie kaum eine Möglichkeit, im Ernstfall mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Das neuartige System, das von der Firma Telegärtner Elektronik in Zusammenarbeit mit dem Aufzugbauer Thyssen Krupp entwickelt wurde, basiert auf einem mehrsprachigen Touchscreen. In einer Notsituation können so nun auch Gehörlose mit der Notrufzentrale kommunizieren. Die Lösung ist nachrüstbar und unter anderem bereits beim Deutschen Gehörlosen-Bund (DGB) in München installiert. Auch das Tagungshotel des Bau- und Liegenschaftsbetriebes NRW verfügt bereits über das erste System, das sich per visuellen Notruf mit einer Notrufzentrale verbindet. "Mit dem Notruf für Hörbehinderte fällt vielen Hörbehinderten ein Stein vom Herzen", berichtet der Vorsitzende des DGB, Rudolf Sailer. Erst vor wenigen Jahren war ein Mitarbeiter in einem Aufzug im DGB stecken geblieben.

Ein visueller Notruf im Aufzug hilft Gehörlosen.
Ein visueller Notruf im Aufzug hilft Gehörlosen.
Foto: Telegärtner

Die Lösung wurde für Menschen mit Hörbehinderung entwickelt, kann letztlich aber jedem in einer Notsituation helfen, der in Länder reist, deren Sprache er nicht beherrscht. Das mehrsprachige System ist somit nicht zuletzt auch für ganz alltägliche Fahrten mit dem Aufzug in Hotels, Flughäfen oder Bahnhöfen geeignet. (mb)