Start ins DV-Jungunternehmertum wird leichter, aber:

Technologie-Parks geraten ins Zwielicht

17.05.1985

MÜNCHEN - Aller Anfang ist schwer. Selbst In der "goldene Berge" versprechenden High-Tech-Industrie brauchen viele Jungunternehmer eine Brutkastenatmosphäre, um in dieser Branche Fuß zu fassen. Aus diesem Grunde entstehen zur Zeit allerorten In der Bundesrepublik sogenannte "Technologieparks", die jungen Technikern beim Start In eine selbständige Berufstätigkeit mit Zuschüssen. kostengünstigen Mieten und Beratungsleistungen "frei Haus" unter die Arme greifen. Die Kehrseite der Medaille aus der Sicht der Kritiker: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Würden die Zöglinge aus den Technologiezentren entlassen. seien sie gegen die harten Gesetze in der freien Marktwirtschaft dennoch nicht gefeit.

Die Bundesrepublik steckt in einem konjunkturellen und psychologischen Aufschwung. So oder ähnlich kann man es in letzter Zeit immer wieder vernehmen. Das britische Wirtschaftsblatt "Financial Times" sprach unlängst sogar von einem neuen deutschen Wirtschaftssunder. Der Aufbruch ins Zeitalter der neuen Technologien hat längst begonnen - vor einigen Jahren weissagten Wirtschaftspropheten der Bundesrepublik noch anderes, nämlich düstere Zeiten, wenn man die Technologiefeindlichkeit nicht überwinden und die Industrien nicht im dernisieren würde. Nun tut sich einiges - auch von staatlicher Seite her. In allen Bundesländern ist man derzeit drauf und dran, "neue Technologien" als den Dauerrenner Nummer eins anzupreisen. Überall dort, wo es die Nähe zu Industrie und Universitäten erlaubt, werden Technologie-Parks gegründet, werden Technikern lukrative Angebote unterbreitet, um ihnen eine Unternehmensgründung schmackhaft zu machen.

In Baden-Württemberg wollen gar 16 Gemeinden je eine eigene dieser "Pflanzschulen". Auch in München wird noch ein Technologie-Zentrum entstehen. 20 Jungunternehmer sollen hier die Chance erhalten, in den Bereichen Mikroelektronik, Solartechnik und Antriebstechnik Forschung und Entwicklung - fast ist man versucht zu sagen: auf Teufel komm raus - zu betreiben. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Martin Herzog (CDU) will da um nichts nachstehen: Auch in Stuttgart und Heidelberg gehe es jetzt darum, die Pilotprojekte "möglichst bald fertigzustellen".

Keine Subventionen

Bis zu 40 dieser Zentren sollen eines Tages in der Bundesrepublik den Fortschritt sichern helfen. Die öffentliche Unterstützung der Technologie-Parks, so wird immer wieder eifrig versichert, erschöpfe sich lediglich in der Zurverfügungstellung städtischer Grundstücke oder in eventuellen Mietfinanzierungen: Man will dem Geruch der Subventionen vorbeugen. Kritiker verweisen jedoch immer häufiger auf die Tatsache, daß in den meisten Technologie-Parks die jeweiligen Städte als alleinige Gesellschafter fungieren, was die Frage nach dem "Woher" und dem "Wohin" des Geldes, sprich Steuergroschen, schon gerechtfertigt erscheinen läßt. Einzig in Bonn und Schwerte gründeten private Unternehmen eigene Parks: Das Gewerbe-und Technologie-Zentrum Bonn und das HTC Technologie-Centrurm Schwerte. Über einen eventuellen Mangel an Interessenten können sich die Träger der von den Amerikanern abgeguckten Zentren nicht beklagen. "Das Interesse und der Zulauf ist bundesweit ungebremst", diagnostizierte so auch Dr. Frieder Schuh von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in München. Glaubt man den Verantwortlichen, so mag man meinen, künftige oder bereits tätige Technologie-Forscher hätten nur darauf gewartet, vom Staat gefördert zu werden.

Der Wille zur "unbedingten Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten" ist einer der oft gebrauchten Ausdrücke, mit dem auch Ministerialrat Schneider vom bayerischen Wirtschaftsministerium die Förderungswut der Bundesländer begründet. Gefördert wird mit den verschiedensten Methoden: Schließlich gilt auch hier der Grundsatz: "möglichst viel", um auch konkurrenzfähig mit den anderen Bundesländern sein zu können. Man will innovative Unternehmen aussiedeln, und das läßt man sich schon etwas kosten. So wollen die Münchner den Jungunternehmern günstige Mieträume, Serviceeinrichtungen, Beratung und Betreuung, sowie den Zugang zu Forschungseinrichtungen anbieten. Neben der Landeshauptstadt und der IHK-München sowie der Handwerkskammer will auch der Freistaat Bayerns nicht mit Zuschüssen geizen. Wie hoch die Summe der Zuschüsse sein wird, das ist beim Wirtschaftsamt der Stadt München noch nicht herauszukriegen. Der Grund für diese Verschwiegenheit liegt auf der Hand: Man will die anderen Städte und Gemeinden leise übertrumpfen, um möglichst viele zukunftsträchtige Unternehmen anzulocken. Erklärtes Ziel aller Landesregierungen: "Die Unternehmen sollen möglichst schnell in Serie produzieren und für den Markt reif gemacht werden." Damit dies auch wirklich schnell genug geht, bietet die Technologie-Fabrik in Karlsruhe, in diesem Fall also das Land Baden-Württemberg, den Gründern zahlreiche Vorteile:

þDie Jungunternehmer können am Informationsaustausch und an den Beratungsmöglichkeiten der nahegelegenen Institute, der Fachhochschule und an sonstigen Forschungseinrichtungen teilnehmen.

þWährend der Gründungsphase werden die Gründer innovativer Unternehmen von Verwaltungsarbeiten entlastet. Um nun aber nicht in den Verdacht übertriebener Unterstützung zu kommen, gewährt die baden-württembergische Landesregierung diese Hilfen nur "während der Entwicklungsphase". Insider wissen allerdings zu berichten, daß die staatlichen Hilfen auch schon mal länger gegeben werden, sprich bis zur völligen Vermarktungsfähigkeit eines Produktes.

þUnternehmensgründern mit innovativer Ausrichtung werden günstige Mieten und die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen angeboten, was wiederum zu einem regen Erfahrungsaustausch führen soll.

þDie bei stark wachsenden Unternehmen auftretenden Engpässe im Bereich der Räumlichkeiten sollen durch die Möglichkeit der späteren weiteren Anmietungen von Räumen aufgefangen werden.

Von anderen Institutionen, meist ist es die ortsansässige Industrie- und Handelskammer, wird Hilfe angeboten, die für die Jungunternehmer zunächst unentbehrlich erscheint. Sie können sich dort über Forschungseinrichtungen und ihre Angebote bei Technologietransfer, über neue Patente, Produkte und Verfahren, über Finanzierungsmöglichkeiten und Steuererleichterungen bis hin zu den neuesten Messen und Ausstellungen informieren.

Hilfe erscheint unentbehrlich

Darüber hinaus vermitteln die Handelskammern Kontakte mit Wirtschaft und Wissenschaft, helfen Kooperationen abzuschließen mit bestehenden Unternehmen bei Entwicklung, Fertigung und Vertrieb. Kurz und gut: So mancher Unternehmer, der seinen Laden buchstäblich alleine hochziehen muß, mag da vor Neid erblassen.

Daß die in den "Treibhäusern" gezüchteten Unternehmer keine todgeborenen Kinder sind, diesen Eindruck will Wirtschaftsminister Herzog emsig verhindern. Bei der Vorstellung des zweiten Traktes der Technologie-Fabrik Karlsruhe, die "buchstäblich aus allen Nähten platzt", meint Herzog: "Es gibt bereits Markterfolge." So könne beispielsweise die Proteus Gesellschaft für Datentechnik mbH mit ersten Ergebnissen aufwarten. Das in Linkenheim bei Karlsruhe ansässige Unternehmen hat eine ganze Palette von Entwicklungsvorhaben: So beschäftigt man sich dort mit der Fertigung und dem Vertrieb von Mikrorechnersystemen sowie mit der Entwicklung von Softwarelösungen auf unterschiedlichsten Gebieten. In letzterem Bereich geht man durchaus traditionelle, nämlich verzweigte Wege: Das Softwarespektrum reicht von Systemen, die für Klein- und beziehungsweise Mittelbetriebe alle verwaltungstechnischen Aufgaben vom Auftragseingang bis zum Mahnwesen unterstützen bis hin zu Softwarewerkzeugen (unter anderem Compiler) und Software für Großrechenanlagen. Im Bereich der Hardware will man leistungsfähige 16- beziehungsweise 32-Bit-Rechnersysteme entwickeln.

Gründer-, Technologie- oder Innovationszentren, so nennen sich die fortschrittsverdächtigen "Pflanzschulen", sind also der neue Renner. Aber, nach dem Motto "wo Licht ist, muß auch Schatten sein", melden sich aus den Wirtschaftsverbänden auch schon die ersten Kritiker zu Wort. Für viele von ihnen ist schon alleine das emsige Treiben verdächtig, und prompt werden auch emotionale Motive hinter der Innovations-Euphorie vermutet. "Da werden traditionelle Industrien leichtfertig zu Grabe getragen", schimpfen auch die Gewerkschaften, "und junge Unternehmen zu Tode gefördert." Vor allem das in rauhen Mengen zur Verfügung gestellte Geld ist es, was bei Wirtschaftlern und Arbeitnehmern kräftigen Mißmut erzeugt - und das nicht ohne Grund: Jene Lasten, die bisher ein angehender "Selbst-Ständiger" auf sich nehmen mußte, um seinem Unternehmen eine gesunde Grundlage zu verschaffen, werden hier nämlich systematisch abgebaut. So fehlen den meisten Unternehmen betriebswirtschaftliche wie führungstechnische Kenntnisse oft zur Gänze. Für manchen konservativ denkenden Ökonomen mag daher die jüngste Gründung einer bayerischen Wagnisbeteiligungsgesellschaft zur Förderung ausschließlich innovativer Firmen die Magensäfte zum Dampfen bringen.

Bislang blieben Pleiten bei Jungunternehmern noch aus

Daß die Pleiten bei den noch in den Kinderjahren steckenden Unternehmen bislang ausblieben, ist also nicht etwa auf die unternehmerischen Fähigkeiten der vermeintlich Selbständigen zurückzuführen. Die Jungunternehmer sind nun mal in erster Linie Techniker. Da die Gründer innovativer und von den Ländern geförderter Unternehmen allesamt noch recht jung sind, ist noch nicht abzusehen, was passiert, wenn die Zöglinge aus den Technologie-Parks in die freie Marktwirtschaft entlassen werden. "Es wird sein wie bei einem todkranken Kleinkind; dem man plötzlich die Aufbaumedikamente entzieht; es bricht zusammen", warnte kürzlich ein Mittelstandsunternehmer auf den Bayerischen Unternehmertagen. Ähnliches äußerte auch Günter Jucho, ausgerechnet Bundesvorsitzender des Verbandes Junger Unternehmer in Bonn: "Die Subventionitis hat immer neue Gesichter: Was früher für die Bürgermeister die Schwimmbäder waren, sind heute die Gründer-Zentren. Wir fordern dagegen bessere Existenzbedingungen für alle Unternehmen, statt Parks für Exoten. Torsten Haeffner.

Aus microcomputerwelt Nr. 6/85.