Sowjets interessieren sich mehr denn je für US-Equipment

Technologie-Klau verärgert Silicon Valley

17.12.1982

MÜNCHEN (CW) - Der amerikanische Computermarkt erweckt zunehmend das Interesse der Sowjetrussen. Mit Hilfe einiger westlicher Unternehmen versuchen sie verstärkt Produkte, die für östliche Länder auf der "schwarzen Liste" stehen, in ihren Besitz zu bekommen. Kompetenzgerangel zwischen den Zollbehörden erschwert die Aufdeckung der illegalen Exporte.

Erst seit der Reagan-Ära sehen die Amerikaner den Export von High Technology als eine ernst zu nehmende Gefahr. Bei verschärften Zollkontrollen entdeckten die Behörden, daß viele für den Export in östliche Länder gesperrte Lieferungen häufig über Umwege ihren Empfänger dennoch erreichen. Darunter befanden sich vorrangig Mikroprozessoren, Satellitensysteme, Teile von Nuklear-Reaktoren und andere Elektronikteile. Bei rund 50 von den Zollbehörden ermittelten Fällen handelt es sich meist nur um sogenannte Briefkastenfirmen.

Illegaler Verkauf an die Sowjets

So hatte sich in Los Angeles beispielsweise eine Gruppe kleinerer Firmen zusammengeschlossen, die Bauteile für Mikrocomputer sowie integrierte Schaltungen in den USA einkauften, um sie mit viel Gewinn "illegal" an die Sowjets weiterzuverkaufen. Es gab jedoch kaum eine Chance, diese Unternehmen zu verfolgen, obwohl sie für Tausende von Dollars Schulden gemacht hatten:

Die Ware war nicht selten per Post bestellt, aber nicht bezahlt worden. Der Absender hatte sich nach Empfang der Lieferung bereits aus dem Staub gemacht. Nur wenige dieser "White-Collar-Täter" wurden bis jetzt entdeckt und noch weniger bestraft.

Die Strafen wirken im Vergleich zum erwirtschafteten Gewinn indes mehr als lächerlich. In Kanada wurde ein Hersteller, der für 1,5 Millionen Dollar illegale Ware nach Rußland exportiert hatte, mit einer Buße von 1500 Dollars belegt. Außerdem sind viele Unternehmen, die von den Zollbehörden bereits überführt wurden nach wie vor auf dem amerikanischen Elektronikmarkt tätig.

Allerdings können alle Prognosen die über illegale Exporte in den Osten oder über Computerspionage abgegeben werden, nur Vermutungen sein, da von den Behörden erfolgreich aufgedeckte Fälle nur selten an die Öffentlichkeit gelangen.

Formular-Wirrwarr erleichtert Computerschmuggel

In Silicon Valley lohnt es sich zu spionieren. Mehr als 40 Projekte laufen hier unter der Bezeichnung "Streng geheim" und mehr als 400 unter "Geheim". Die Tricks, mit denen die Elektronikschmuggler arbeiten, sind vielfältig. Sehr beliebt ist hierbei die Manipulation der "A"- und "B"-Listen.

Die amerikanische Handelsabteilung teilt Warensendungen in "A"- und "B"-Produkte ein. Während "B"-Produkte in die UdSSR oder andere Ostblockländer exportiert werden dürfen, ist dies bei "A"-Produkten nur mit einer besonderen Genehmigung oder gar nicht möglich. Allerdings gibt es bei fast allen Produkten der "A"-Liste Teile, die auch auf der "B"-Liste aufgeführt sind. Kennt man sich in diesem Formular-Dschungel aus, ist es nicht schwer, in die Liste "korrigierend" einzugreifen. Wenn das nicht funktioniert, gibt es noch die Möglichkeit, die gesamte Ladung in ein neutrales Land wie die Schweiz oder Österreich zu schicken. Von dort aus geht es dann mit gefälschten Papieren weiter nach Moskau.

Die Kontrolle der Exportgesetze bleibt auch heute noch ein ungelöstes Problem. Oft sind Kommunikationsprobleme zwischen den einzelnen Behörden der Grund, daß allzu viele illegale Warensendungen durchrutschen.

Die von Regierungsseite beauftragte Zollbehörde "Compliance Division" hat für ihre Exportkontrollen lediglich 15 Agenten auf ihren Gehaltslisten. Obwohl seit einiger Zeit fieberhaft daran gearbeitet wird, diese Organisation auszubauen, liegen in der Regel zwischen der Entdeckung einer illegalen Sendung und der offiziellen Untersuchung nach wie vor zwei Jahre.

Diese Behörde scheint in der Industrie über Informationen zu verfügen und auch mit V-Leuten zusammenzuarbeiten. Selbst wenn es die perfekte Kooperation zwischen den Zollorganisationen gäbe, tauchte die Frage auf, bis zu welchem Umfang Anti-Schmuggel-Gesetze überhaupt den Technologietransfer an die Sowjets stoppen könnten. Schließlich wurde eine große Anzahl von Computern während der vergangenen Jahre mit Erlaubnis der Verwaltungsbehörden an die Russen verkauft.

Heute wird Unternehmen wie IBM und Control Data Corporation vorgeworfen, das gegenwärtige Embargo des Präsidenten für Elektronikprodukte zu unterminieren. Auch wissenschaftliche Austauschprogramme zwischen Amerika und Rußland sowie östliche Investitionen in US-Firmen tragen nicht gerade zur "Abschottung" der westlichen Technologie gegenüber dem Osten bei.

(Übersetzt aus Computerworld)