Genossenschaftliches System schafft Wettbewerbsvorteile:

Technologie-Fabrik will Startrampe für junge Betriebe sein

19.09.1986

KARLSRUHE (CW)-Wie in einem "zweiten Silicon Valley" fühlen sich die Firmen in der Technologiefabrik Karlsruhe, so Peter Ganser von Schneider & Koch. Hier wurde ein Nährboden für die Kooperation zwischen den einzelnen Unternehmen geschaffen. Die gemeinsame Anschaffung und Benutzung von Geräten ist dabei der interessanteste Aspekt.

Mit einer großangelegten PR-Veranstaltung gewährte die Karlsruher Technologie-Fabrik der Presse und geladenen Gästen aus dem Kreis der potentiellen Handelspartner Einblick in ihre Organisation sowie die Produktions- und Büroräume der dort angesiedelten Betriebe und Institute.

Die "Fabrik", in deren Räumen vormals der Nähmaschinenhersteller Singer produzierte, besteht seit Anfang Juli 1984 in ihrer heutigen Organisationsform. Das Gebäude gehörte der Stadt, stand lange Zeit leer, wurde dann von der Landeskreditbank im Erbpachtrecht erworben und von der Industrie- und Handelskammer (IHK) angemietet.

Die IHK-Unternehmens- und Technologie-Beratung (UTB) Karlsruhe GmbH hatte bereits Erfahrung in der Hilfestellung für junge, innovative Unternehmen. Praktische "Starthilfe" gaben Daimler-Benz und Siemens; sie stellten ihr Know-how für den Fabrikausbau kostenlos zur Verfügung. Die Baukosten betrugen zwölf Millionen Mark.

Das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) hatte die IHK-UTB als Träger des Modellversuchs "Technologieorientierte Unternehmensgründungen" (TOU) ausersehen. Das erste baden-württembergische Technologiezentrum -andere gibt es mittlerweile auch in Stuttgart und Heidelberg - soll eine Metaorganisation sein, die für die Unternehmen relativ preiswerten Mietraum, eine funktionierende Verwaltung und eine Reihe von Dienstleistungen zur Verfügung stellt.

Rund zehn Kleinunternehmen, die maximal drei Jahre alt sind, sowie drei Institute der Technischen Hochschule Karlsruhe - als Informatik-Hochburg der Bundesrepublik gerühmt - waren die ersten "Bewohner" . Der typische Unternehmer in der Technologie-Fabrik kommt nach Angaben der UTB-Geschäftsleitung direkt von der Universität, hat große Ambitionen und wenig betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Mittlerweile hat sich die Zahl der Betriebe mehr als verdoppelt; das Dachgeschoß wurde ausgebaut, im Keller soll ein CIM-Zentrum entstehen.

Nach Aussagen der befragten Geschäftsführer sowie von Christian Kniep, dem UTB-Prokuristen, beträgt die Mietdauer offiziell fünf, in Ausnahmefällen sechs Jahre. Danach sollen sich die Unternehmen dank der betriebswirtschaftlichen Hilfestellung materieller und beratender Art so weit etabliert haben, daß sie auf eigenen Fußen stehen können. "Living Deads", so Kniep, seien dort nicht erwünscht.

Der Mietpreis ist gestaffelt. In den ersten drei Jahren, in denen zumal bei Neugründungen noch kein Profit zu erwarten ist, beträgt er drei Mark pro Quadratmeter, in den nächsten beiden Jahren 6,50 Mark. Hinzu kommt eine Pauschale von etwa fünf Mark für die schon erwähnten Dienstleistungen, Heiz- und Betriebskosten, Wach- und Schließdienst sowie die Nutzung eines Telefax-Anschlusses, der allerdings aus Bundesmitteln finanziert wurde.

Solcher Komfort wird von den Betrieben selbstverständlich gern in Anspruch genommen, ebenso die bereitgestellten Seminarräume. PR-Aktionen, die für einzelne der in der Regel mit größtenteils nur einer Handvoll Mitarbeitern besetzten Betriebe zu kostenaufwendig waren, werden von der Verwaltung für mehrere oder alle gemeinsam organisiert. Ein Beispiel hierfür ist der besagte "Tag der offenen Tür" ein anderes: Zur letztjährigen CeBIT wurden über hundert Quadratmeter für sieben Firmen gemeinsam angemietet.

Zu einem Quadratmeterpreis von über elf Mark könne man auch außerhalb der Fabrik Produktionsraum mieten, meint dazu Hans-Joachim Eberhard, Geschäftsführender Gesellschafter der Technisch-Wissenschaftlichen Industrieberatung GmbH (TWI). Die TWI war nach eigener Aussage die erste Mieterin in der Technologiefabrik. Von der Idee der Fabrik ist Eberhard immer noch angetan; ausschlaggebend ist für ihn jedoch weder der Mietpreis noch die Leistung der IHK: "Die Angestellten der IHK sind zu sehr Beamten-like".

Als gravierenden Vorteil dieser Einrichtung gaben er sowie die anderen Mieter die Kooperation der Firmen untereinander an. Konkurrenzverhältnisse seien so gut wie ausgeschlossen, obwohl fast drei Viertel der beteiligten Unternehmen aus dem Informatik- und Mikroelektronik-Bereich kommen. UTB-Geschäftsführer Winfried Nowak ist der Meinung, daß die Spezifizierung der Betriebe eine Konkurrenzsituation ausschließe.

Ein kleines Rechenzentrum, das von dreien der Unternehmen gemeinsam gegründet wurde, ist ein Indiz dafür, daß das quasi genossenschaftliche Verhältnis der Mieter mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Ausgestattet ist es mit einer Norsk-Data-Anlage sowie einer VAX 57, einer VAX 37, drei Micro-VAX 2 und diversen PC. Betreiber sind neben der Init die Integrierte Systementwicklung für die Datentechnik GmbH (Isdata) und die Gesellschaft für integrierte technische Datenverarbeitung GmbH (TDV). Dieser "Rechnerpool", so Kurt Sutter von der Isdata, vermietet Rechnerkapazität an seine Gesellschafter.

Die gemeinschaftlichen Anschaffungen kostenintensiver Arbeitsgeräte sind nicht der einzige Bereich, in dem kooperiert wird. Von verschiedenen Seiten wurde bestätigt, da die Unternehmen sich gegenseitig Aufträge abtraten, die sie nicht selbst erfüllen könnten, daß sie weilen auch gemeinsame Angebote erstellen würden und Auftrage ihrerseits, soweit möglich, im eigenen Haus vergäben. Der erwähnte Supermikro wurde zum Beispiel bei "Proteus", ebenfalls in der Fabrik beheimatet, geordert.

Sogar mit Personal hätten sich die verschiedenen Betriebe schon ausgeholfen, wurde berichtet. Abwerbungen untereinander seien allerdings auch schon vorgekommen, gab Kniep zu, es habe aber niemals Probleme deswegen gegeben. Das mag zum Teil daran liegen, daß drei Institute der Technischen Hochschule Karlsruhe der Technologiefabrik angegliedert sind, das eigentliche Unigebäude nur einen Steinwurf entfernt liegt, und "die Studenten hier durchs Haus gehen und sich einen Job suchen" - so Init-Geschäftsführer Gottfried Greschner. Das für die DV-Unternehmen durchweg brisante Thema der Personalwerbung ist auf diese Weise zumindest nicht mehr ganz so akut. Die befragten Unternehmer sehen gerade auch hier den Wert des Technologiezentrums.

Expansion räumlich eingeschränkt

Für junge Unternehmen ist die Gefahr, "geschluckt" zu werden, relativ groß. Der Zusammenschluß kleinerer Betriebe mit anderen Kleinbetrieben, wie er von der Fabrik begünstigt wird, beuge einer Maus-Elefanten-Hochzeit vor, meint Hans-Joachim Eberhard.

Nutznießer der Fabrik, das heißt Mieter, sind auch die Karlsruher Stelle der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung des Landes Baden-Württemberg, die IHK-Bildungszentrum GmbH und das CAD/CAM-Labor des Kernforschungszentrums. Das Bildungszentrum veranstaltet dort Weiterbildungskurse im kaufmännischen und DV-Bereich. Durch das räumliche Nebeneinander ergibt sich eine wohl einmalige Möglichkeit zur Kooperation mit dem CAD/CAM-Labor.

Das "Labor" wird aus Mitteln des BMFT finanziert und gehört nominell zur Abteilung Kernforschung. Wer hier einen neuen Anwendungsbereich für die computerunterstützte Konstruktion vermutet, wird enttäuscht. Das Labor experimentiert nicht eigentlich; es ist vielmehr eine Schulungsstätte besonderer Art. Die dort eingesetzten 25 CAD-Systeme sowie eine Prime 750, eine VAX 11/ 750 von DEC und eine IBM 4361 werden von den Herstellern zur Verfügung gestellt, so daß die Kursteilnehmer einen ziemlich umfassenden Überblick über das Marktangebot bekommen und die ihren Ansprüchen entsprechende Konstellation herausfinden können.

Für die Sponsoren, das heißt die DV-Produzenten, rechnet sich ihre Großzügigkeit durch den Werbeeffekt: Die meisten der dort stattfindenden Kurse werden nicht für die IHK, sondern für Mitarbeiter von interessierten Betrieben veranstaltet. Zwei der Fabrik-Mieter stellen ihre Produkte ebenfalls zur Verfügung; es sind dies die TDV und die Eigner & Partner GmbH, beide Hersteller von CAD-Software.

Die innerhalb der "Insel" angeknüpften Geschäftsbeziehungen sollen - so hoffen die Unternehmer- auch ,.draußen" andauern. Im Hinblick auf einen Ausstieg innerhalb absehbarer Zeit ist es für die Betriebe wichtig, die Technologiefabrik innerhalb ihres Selbstverständnisses nicht allzusehr in den Mittelpunkt zu stellen. Einige Unternehmen erwähnen in ihrer Werbung nicht einmal den Namen ..Technologiefabrik". Als Begründung gibt Isdata-Marketingleiter Joachim Tatje an: "Wir sind selbst groß."

Negativ vermerkt wird allgemein der Platzmangel. Den aufsteigenden Unternehmen fehlt die Möglichkeit, sich innerhalb der Fabrik zu vergrößern. Zwei der dort ansässigen Betriebe haben bereits die Konsequenz daraus gezogen: In diesem Herbst werden ein Hersteller von Schleifkörpern sowie der Hardwareproduzent iP-Systems KG "flügge".