US-Börsenbriefe zeigen ein zu optimistisches Bild

Technologie-Aktien kennzeichen erhebliche Kursrückgänge

10.05.1985

MÜNCHEN (aw) - Aktien von Technologieunternehmen standen in den vergangenen Monaten auf der Schattenseite der Kursentwicklung. Die Kursrückgänge waren stärker als die Gewinneinbußen der Unternehmen. Schon jetzt aber gilt es, das Augenmerk auf ausgewählte DV-Werte zu richten.

"Sell in May and go away" lautet eine alte Börsenweisheit. Feste Regeln gibt es zwar an den Aktienmärkten nicht, die Erfahrung zeigt jedoch, daß diese im Mai häufig mit Terrainverlust schließen. Traditionell verstärkte Investitionsanstrengung des produzierenden Gewerbes binden Kapital, das der Börse für weitere Kurssteigerungen fehlt.

Die Markttechnik für den US-Aktienmarkt - ein zuverlässiges Hilfsmittel für das kurzfristige Timing - setzt weiterhin keine Kaufsignale. Die US-Börsenbriefe sind mit 65 Prozent Optimisten zu euphorisch gestimmt. Auch die Börsenberater legen prozyklisches Verhalten an den Tag.

Sind die Notierungen stark gestiegen, verhält sich die Mehrzahl der Marktbeobachter optimistisch, nach scharfem Kursverfall breitet sich Pessimismus aus. Bei besonders einseitiger Meinungsbildung gilt es, entgegen der herrschenden Ansicht zu handeln. Die optimistisch gestimmten Börsenbriefe und ihre Leser haben die geplanten Investitionen getätigt und ihr "Pulver verschossen". Sie fallen zunächst als Käufer aus. Die Notierungen können nicht weiter steigen, weil Käufer fehlen. Umgekehrt werden bei besonders starkem Pessimismus die meisten Marktteilnehmer ihre Positionen aufgelöst haben. Diese Anleger können dann zunächst keinen weiteren Kursdruck auf dem Markt durch Verkäufe ausüben.

Ähnlich wie in der zweiten Hälfte 1984 wird es auch diesmal ein knappes halbes Jahr dauern, bis der Markt wieder genug Kraft für die Fortsetzung der mittelfristig intakten Aktienhausse gesammelt hat. Das wiederholte Testen der Dow-Jones-Marke von 1300, begleitet jedoch von Rückschlägen, die zu Enttäuschung und Verkäufen bei den Haussiers führen, wird aber auch weiterhin für Käufer sorgen. Dies ist für einen erneuten starken Kursanstieg notwendig.

Sollte der Dow Jones jetzt schon die 1300er Marke deutlich überschreiten, ohne daß es zuvor zu einer markttechnischen Bereinigung kommt, so müßte der darauffolgende Rückschlag um so schärfer ausfallen.

Schwacher Anleihmarkt belastet Aktienbörsen

Neben den ungünstigen markttechnischen Faktoren belastet in den USA der schon wieder schwache Anleihmarkt die Aktienbörsen. Die Zinsen liegen deutlich über dem Stand vom April 1983. Deutsche Anleger, die in den vergangenen Jahren US-Dollarbonds hielten, konnten vor allem am steigenden Dollar und den hohen Zinsen verdienen. Sollten in nächster Zeit per Saldo die Zinsen weiter steigen und der Dollar nicht mehr in gleichem Maße wie in der Vergangenheit zulegen, beziehungsweise gar fallen, könnte sich diese bisher profitable Anlageform als problematisch erweisen.

Insbesondere die Käufer der sehr zinsempfindlichen Zero Bonds sollten bedenken: Müssen Kursverluste bei den Zeros hingenommen werden, so sind die theoretisch thesaurierten Zinsen bei Verkauf oder Endfälligkeit des Zero Bonds zu versteuern. Eventuelle Währungsverluste sind nach Ablauf der sechs Monatsfrist steuerlich nicht mehr absetzungsfähig.

Die Kettenreaktion, die in den vergangenen Jahren zum Dollaranstieg führte, könnte sich umkehren. Hohe US-Staatsverschuldung, starkes US-Wirtschaftswachstum, kräftige Kreditaufnahme der US-Industrie in Europa, hohe US-Zinsen bei Rekordrealzinsen, sinkende US-Einfuhrpreise und hoher Dollar gingen in der Vergangenheit Hand in Hand. Der Rekordrealzins hat zusätzlich Kapital an den amerikanischen Markt gelockt, was zur Verstärkung dieses Prozesses beigetragen hat. Kehrt sich diese Entwicklung jetzt möglicherweise um? Niedrigerer Dollar, steigende Importpreise, höhere Inflation, sinkender Realzins sowie Kapitalabzüge der Ausländer aus den USA könnten zu einem weiteren Rückgang der Dollarnotierung führen. Dies muß nicht so sein, daß Chance/Risikoverhältnis für den Dollar ist aber deutlich schlechter geworden.

Während sich der US-Aktienmarkt seit Januar langweilig entwickelte (Seitwärtsbewegung zwischen 1250 und 1300 im Dow Jones), zählten Technologiewerte überwiegend zu den Verlierern. Da die Kursrückgänge bei den Aktien stärker ausfielen als die Gewinneinbußen, wurden Technologiewerte analytisch preiswerter. Das Kurs/Gewinnverhältnis der Technologieaktien im Vergleich zu den im Standard & Poors (S&P) vertretenen Aktien hat sich dadurch stark verringert. Das Verhältnis fiel auf 1,2. Dies bedeutet, daß Technologiewerte im Durchschnitt mit einem 20 Prozent höheren KGV bewertet sind als die anderen im S&P 400 vertretenen Aktien. Gemessen an den vielfach berechtigt hohen Wachstumserwartungen der Technologiewerte ist das preiswert und bedeutet ein 30-Jahres-Preistief.

Besonderes Augenmerk auf ausgewählte Werte

Bei sich verbessernder Markttechnik, unter Umständen schon im Juni dieses Jahres, ist daher ein besonderes Augenmerk auf ausgewählte Technologiewerte zu richten. Für Käufe ist es jetzt jedoch noch zu früh. Neben dieser für CW-Leser besonders interessanten Gruppe gilt es, die prozyklischen Brokeraktien zu beachten.

Die Wertpapier-Handelsbanken überraschten in der Mehrheit mit guten Gewinnausweisen während des ersten Quartals. Die Wertpapierbanken AG, Edwards, Phibro Salomon, Bondbroker First Boston, sind bei sich verbessernder Markttechnik zum Kauf zu empfehlen.

Statistiken zum US-Wachstum nicht überbewerten

An relativ günstigsten unter den Standardwerten im Technologiebereich schnitt im ersten Quartal AT&T ab. Gewinn pro Aktie 31 Cents nach 20 Cents im vergleichbaren Vorjahresquartal. Das IBM-Ergebnis (Gewinnrückgang von 1,97 auf 1,61 Dollar) überraschte nach den 3090-Ankündigungen nicht. Wichtiger als das Ergebnis: Ein kräftig gestiegener Auftragseingang rechtfertigt optimistische Erwartungen für die weitere Entwicklung 1985.

Statistiken zum Wirtschaftswachstum in den USA, die viele Markttennehmer verschreckten, sollten nicht überbewertet werden. Vor einem viertel Jahr wurden übertriebene Wachstumserwartungen und Konjunkturüberhitzung diskutiert, jetzt ist wieder die drohende Gefahr der Rezession in aller Munde. Das reale Wirtschaftswachstum in den USA wird 1985 zwischen zwei bis drei Prozent liegen.

Commodore berichtete über einen Verlust von 20 Millionen Dollar für das erste Quartal. Die Aktie notiert unter zehn Dollar. Weiter meiden. Gewinnschätzungen bei Wang für das laufende Quartal liegen bei eins bis 1,1 Dollar je Aktie. Nach den enttäuschenden Earnings des letzten Quartals und dem darauf folgenden Kursrückgang sollte die Aktie als mittelfristig aussichtsreich gehalten werden.

Data General senkte die Preise für Portables. Ursache: Der Rückgang der Kosten für die Baukomponenten. Ein weiteres Indiz dafür, daß bei Halbleiteraktien immer noch besondere Vorsicht am Platze ist.

Der deutsche Aktienmarkt bietet nach der Überhitzung im März weiterhin kurzfristig kein gutes Chance/Risiko-Verhältnis. Ähnlich wie in den USA aber sind die Langfristindikatoren positiv. So sind die deutschen Aktienfonds nur zu gut 62 Prozent in deutschen Aktien investiert. Im historischen Vergleich ein sehr niedriger Prozentsatz. Erst bei einem Wert von deutlich über 70 Prozent wäre es angebracht, den mittelfristigen Aufwärtstrend pessimistischer zu beurteilen. Käufe aber zunächst zurückstellen. Die hohen Umsätze in Kaufoptionen im Verhältnis zu den Umsätzen in Verkaufsoptionen weisen auf zuviel Optimismus hin. Es bietet sich an, Barreserven aufzubauen, um im Juni/Juli eventuell günstiger als heute einsteigen zu können. Lediglich ausgewählte Sondersituationen, wie die hier wiederholt empfohlenen Drägerwerke-Genußscheine, oder Holding Berliner Elektro, können vorsichtig gekauft werden.

Umsatzrendite von über zehn Prozent möglich

Die im vergangenen Herbst von der Deutschen Bank als Privatplazierung zu 190 Mark an den Anleger gebrachten Aktien der Berliner Elektro AG notieren ex Dividende (12,50 Mark) jetzt auf knapp 290 Mark. Einige Elektronikbeteiligungen des Unternehmens weisen ein überdurchschnittliches Wachstum aus. Die Bruttorendite von 6,8 Prozent ist für einen soliden Wachstumstitel hoch. Trotz der attraktiven Ausschüttung konnten Teile des 84er Ertrages thesauriert werden. Diese Gewinnanteile sollen für den Erwerb weiterer Beteiligungen verwendet werden. Übernommen werden sollen aber nur Firmen, so Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Manfred Bernau, deren Hauptkostenblöcke (Personal und Material) nicht über 70 Prozent liegen. Nur wenn diese Grenze unterschritten werde, sei eine Umsatzrendite von über zehn Prozent möglich.

Neue Plattenspeicher auf optoelektronischer Basis

Das erfreuliche 84er Ergebnis des Berliner Unternehmens würde trotz der zusätzlichen Börseneinführung Kosten erwirtschaftet. Dieser Kostenfaktor fällt im laufenden Geschäftsjahr weg. Anfang März wurde als siebte Beteiligungsgesellschaft die traditionsreiche Berliner Kondensatoren GmbH & Co. KG erworben. Das Unternehmen setzte zuletzt jährlich fünf Millionen Mark um, dies bei einer Umsatzrendite von über zehn Prozent.

Ebenfalls erfreulich entwickelten sich die Beteiligungen Conectron Motoren GmbH, Berlin (Anteil 66,67 Prozent) und Preussler Transformatoren GmbH (Berlin 100 Prozent). Hoffnungswert im Portefeuille der Berliner Elektro ist die BTS System Entwicklungs GmbH. Das Unternehmen hat neue Plattenspeicher auf optoelektronischer Basis entwickelt.

Weitere Portfolio-Emission vom Markt verschwunden

Mit Wirkung vom 24. April 1985 wurde die Hypotheken-Computer-Analyse GmbH (HCA) in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Börseneinführung des Unternehmens ist für 1986 geplant. HCA will 40 000 Aktien im Nennwert von je 50 Mark auflegen, davon 20 000 stimmberechtigte Stammaktien. Die Mehrheit dieser Stammaktien (70 Prozent sollen im Besitz von Firmengründer Manfred Arndt und den HCA Direktoren bleiben. Die verbleibenden maximal 30 Prozent werden zu einem Ausgabekurs von 80 bis 85 Mark je Stück plaziert. Die Ausgabe der 20 000 Vorzugsaktien hingegen soll zu einem Preis zwischen 75 und 80 Mark noch in diesem Jahr als Privatplazierung erfolgen.

Man kann allerdings davon ausgehen, daß die Vertragspartner der Hypotheken-Computeranalyse GmbH (Banken, Bausparkassen und Versicherungen) die Stücke zeichnen werden. Der Privatanleger wird erst 1986 nach der Einführung der privat plazierten Stücke an der Börse Beteiligungen erwerben können. Als Emissionsbank ist die Effectenbank Warburg im Gespräch. HCA erarbeitet für Bauherren vergleichende Baufinanzierungsanalysen. Durch die Umwandlung in eine AG und die dabei beschlossene Erhöhung des Aktienkapitals von 0,3 auf 2,0 Millionen Mark wird die finanzielle Basis für drei Investitionsschwerpunkte geschaffen: Intensivierung der Werbung, Erweiterung der Datenbank durch Entwicklung neuer Software sowie Erweiterung des Vertriebsnetzes. Der HCA Gründer Arndt erwartet eine Jährliche Rendite von mindestens zehn Prozent. Zeichnungsmöglichkeiten bei der Privatplazierung sollten wahrgenommen werden.

Während seriöse Emittenten um attraktive Bereicherung des Kurszettels bemüht sind, verschwand eine weitere Emission des Münchner Emissionshauses Portfolio Management vom Markt. Über die Tewidata AG wurde das Konkursverfahren eröffnet.

Ebenfalls ins Gerede kam PM-Emission SM Software. Nachdem es in einigen Presseveröffentlichungen anläßlich des Berichtes zum vierten Quartal zu Fehlinterpretationen gekommen war, wurde der Handel in SM Software auf Antrag der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank ausgesetzt. Die Preisfeststellung nach der vorübergehenden Aussetzung erfolgte mit 172 Mark. An den folgenden Tagen fiel der Kurs rasch auf zuletzt 110 Mark (100 Mark für die jungen Aktien). Damit hat sich auch diese Aktie seit der Emission Mitte 1983 zu 200 Mark halbiert.

Noch damals waren mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten von 50 Prozent jährlich gerechnet worden. Der Kurs des extrem marktengen Wertes schnellte daraufhin auf über 600 Mark empor. Börsianer sehen in SM Software jedoch keinen Parallelfall zu Tewidata, BCT, Kerkerbachbahn, Treuwo oder Rückforth. Gruner & Jahr, die mit SM Software zusammen das Soft-Learning-Programm für Fremdsprachen entwickelten und vertreiben, soll in erheblichem Umfang Aktionär des Unternehmens sein.

Weiter gemieden werden sollte ebenfalls Hegener & Glaser. Trotz guter Zahlen zum Umsatz in der Schachcomputerreihe und bei den Bauelementen blieb die Entwicklung des neu aufgenommenen Bereiches Business Computer deutlich hinter den Erwartungen zurück. Nach nur kurzer Zusammenarbeit wurde die Vertriebsvereinbarung mit dem US-Hersteller Altos aufgekündigt.

Hohes Wachstum bei MCS Modulare Computer und Software System AG, Wiesbaden, die ehrgeizigen Umsatz- und Gewinnziele, die bei der Emission 1984 genannt wurden, konnten erreicht werden. Das Jahresergebnis vor Steuern liegt bei einem Umsatzplus von 84 Prozent mit 2,2 Millionen Mark sogar um 150 Prozent über dem Vorjahresgewinn. Neben einer Ausschüttung von 585 000 Mark an die Aktionäre (6,5 Mark je 50-Mark-Aktie) werden 360 000 in die freien Rücklagen gestellt (Halten).

Die in Frankfurt im Freiverkehr gehandelten Norsk Data-Aktien werden Mitte Mai in den geregelten Verkehr in Frankfurt und Hamburg eingeführt. Anläßlich der Hannover-Messe berichtete das Unternehmen über eine weitere Steigerung des Auftragseinganges im ersten Quartal 1985 um 57 Prozent. 1984 konnte der Umsatz um 55 Prozent und der Gewinn vor Steuern um 62 Prozent gesteigert werden. Trotz eines Kurs/Gewinn-Verhältnisses von über 20 ist die Aktie als kaufenswert einzustufen.

Positives Ergebnis durch Liaison mit AT&T

Olivetti berichtete über eine Steigerung des konsolidierten Konzern-Reingewinns. 1984 um 20 Prozent auf 356 Milliarden Lire. Gleichzeitig stieg der Umsatz um 22,5 Prozent auf 4578 Milliarden Lire. Zu dem positiven Ergebnis hat nicht zuletzt die Liaison mit AT&T beigetragen. AT&T vertreibt die Olivetti-Produkte auf dem amerikanischen Markt. Der Olivetti M 64 soll in den USA zukünftig über Xerox vertrieben werden (Reuters). Der Vertrieb in Großbritannien wird über Xerox Ltd. erfolgen. Damit setzt Olivetti seine Zusammenarbeit mit vertriebsstarken Partnern fort. Die Aktie konsolidiert um zehn Mark (Frankfurt, Hamburg) beziehungsweise bei 5600 Lire (Vorzüge, Mailand). Der seit Herbst 1982 anhaltende Aufwärtstrend (beinahe Vervierfachung der Aktie) könnte sich fortsetzen. Bei Kursen unter 5200 Lire ist jedoch Vorsicht geboten.