Hektische Produktzyklen spiegeln den Zugzwang der führenden Hersteller wider:

Technik-Wettlauf im Workstation-Markt beginnt

12.09.1986

MÜNCHEN - Der Markt für grafische Arbeitsstationen gerät zunehmend in Bewegung. Mit leistungsstärkeren Maschinen und kostengünstigeren Preisen wollen die namhaften Workstation-Hersteller bis zum Jahresende ihre Positionen neu verteilen. Nutznießer der bevorstehenden Grabenkämpfe sind die Anwender.

"Seit IBM mit ihrer RISC-Maschine Anfang des Jahres bei den Workstations Flagge zeigte, ist der Mitbewerb anscheinend in heller Aufregung", vermutet Thomas Hänssgen, Marketing-Manager für den Bereich Arbeitsplatzstationen bei der Digital Equipment GmbH, München. "Mit zum Teil übereilten Ankündigungen und hektischen Produktzyklen versucht nun jeder, den Markt für sich zu gewinnen", spöttelt der DV-Profi, für den das Geschehen bereits "PC-ähnliche Züge" aufweist.

Helmut Krings, Geschäftsführer der Sun Microsystems GmbH, München, sieht das anders: "Der Workstation-Markt ist ein Rennen um die neueste Technologie und expandiert zur Zeit sehr stark. Anbieter, die nicht mindestens 50 Prozent pro Jahr zulegen, verlieren ständig Marktanteile." Deshalb spiele neben den Faktoren Preis und Leistung vor allem der Zeitpunkt, zu dem ein Produkt auf den Markt komme, eine immer gewichtigere Rolle. Krings: "Der Lebenszyklus der Workstations ist bereits auf etwa 18 Monate gefallen. Wer hier auf der Stelle tritt oder eine Entwicklung verschläft, für den ist das halbe Marktfenster bereits dicht, wenn er sein Produkt vorstellt."

So führen denn auch große Anbieter wie Apollo, Sun, DEC und Hewlett-Packard ein erbittertes Gefecht um die besten Plätze in dem noch relativ jungen Markt. Allerdings sei das Workstation-Konzept in der Industrie noch nicht in aller Munde, konstatieren Branchenbeobachter; dazu sei es noch zu neu. Nun versuchten die Hersteller über den Ausbildungsweg an den Universitäten oder über die staatlich geförderte Forschung das Konzept und damit den eigenen Namen in den Markt hinauszutragen.

Aber auch hinter den Kulissen geht der Kampf mit gleicher Vehemenz weiter. Hier wird die Programmierzunft umworben, ihre Lösungen auf die jeweiligen Workstations zu implementieren. Apollo Domain beispielsweise bietet derzeit 153 Pakete in Deutschland an und weltweit etwa 700 Programme. Sun Microsystems steht dem mit insgesamt rund 650 Applikationen nicht viel nach.

So hört denn auch bei denjenigen Softwarehäusern, die sich auf den CAD/CAM-Sektor spezialisiert haben, die Klingel nicht auf zu läuten. "Überspitzt formuliert sind eigentlich alle WS-Hersteller auf uns zugekommen", schmunzelt Wolfgang Sass, Geschäftsführer der Computervision GmbH, München, "außer IBM, die sind wahrscheinlich zu vornehm."

Gleichwohl verteilen die Weichwerker ihre Gunst offenbar nach klaren Richtlinien: "Es ist schwierig zu erkennen, was der Partner im Endeffekt beabsichtigt", formuliert der Münchner Manager seine Bedenken. "Will er lediglich, daß wir portieren und dann auf seiner Plattform verkaufen - oder plant er, sich einen eigenen CAD/CAM-Markt aufzubauen?" Letzteres könne man zumindest für den deutschen Markt verkaufstaktisch nicht vertreten. Das andere bedeute einen enormen Aufwand im Know-how-Aufbau. Sass: "Da sieht man als Software-Produzent schon nach der installierten Hardware-Basis oder folgt eben den Herstellern, die in dem Marktsegment am ehesten Erfolg haben, in dem man selber tätig ist."

Vom Gerangel der Hersteller um die Plätze profitieren indes nach Meinung von Branchenkennern die Anwender. Mit der weltweiten Ankündigung der neuen Apollo-Workstation DN 580 im Februar diesen Jahres habe der von Analysten prophezeite Preisrutsch in diesem Bereich etwa sechs Monate früher eingesetzt als erwartet. Heute sei eine leistungsfähige Maschine ab 50 000 Mark zu haben (siehe auch Seite 4).

Auch an der Software für die grafischen Arbeitsstationen gehen die Marktturbulenzen nicht spurlos vorüber. Konstatiert Sören Christensen, Marketingleiter bei der mbp, Dortmund: "Mit

15 000 Mark Software sind wir nur noch dabei, wenn wir eine Marktnische erwischen, die eine starke vertikale Ausprägung hat." Es gelte zunehmend die Devise: Hin zur Konzentration und zum Standard.

Darüber hinaus würden zunehmend Benutzeroberflächen der

vierten Generation implementiert, die über die normale Menütechnik weit hinausgingen. Dadurch werde es für den Anwender einfacher, wenigstens halbwegs nachzuprüfen, ob das System seinen Vorstellungen entspreche. Christensen: "Im CAD -Markt wird zum Teil auch heute noch dem eher unbedarften Techniker, der dort als Interessent auftaucht, mit schnell wechselnden Grafiken einiges vorgeflunkert."