Jobs im digitalen Wandel

Technik-Know-how allein ist nicht genug

10.04.2017
Von 
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
In viele Branchen halten digitale Themen Einzug in den Businessalltag und proklamieren die IT zu ihrer Kernkompetenz. Tatsächlich geht es um weitaus mehr Fähigkeiten.

Unterhalb des Artikels finden sie die Broschüre "Arbeitswelt 2020 - Die Jobs der Zukunft" zum kostenlosen Download.

Wo man hinhört, in jeder Diskussion zum digitalen Wandel geht es früher oder später immer auch um die Frage, wie sich dadurch die Jobs verändern werden. Ganze Industrien arbeiten sich mittlerweile daran ab, aufzuzeigen, wie diese neuen durchdigitalisierten Berufsbilder denn wohl aussehen könnten. Was wiederum belegt, wie wichtig den Unternehmen handfeste Einschätzungen sind, wenn es darum geht zentrale Mitarbeiterkompetenzen zu ermitteln.

Wie verändert der digitale Wandel die Arbeitsplätze?
Wie verändert der digitale Wandel die Arbeitsplätze?
Foto: Willyam Bradberry - shutterstock.com

Allerdings sollte sich die IT-Industrie möglichst schnell von der Vorstellung lösen, jede neue Technologie spuckt automatisch ein neues Berufsbild inklusive entsprechender Qualifikationen aus, das man dann nur noch ausschreiben muss. Genauso sieht es aber in der Rekrutierungspraxis häufig aus, weiß Oliver Wippich, Department Manager beim Personaldienstleister Hays: "Die Welt sucht den Cloud-Spezialisten, anstatt dass man sich zunächst einmal über das gewünschte Know-How und die Fähigkeiten für die Aufgabe im Klaren wird."

IT im Kanon mit BWL

Tatsächlich schreitet die technologische Entwicklung bei Cloud Computing, Big Data oder auch dem autonomen Fahren viel schneller voran, als sich entsprechende Jobprofile herauskristallisieren können. Hinzu kommt: technologische Schwungräder, wie die Cloud brauchen nicht nur vertieften IT-Sachverstand, sondern ebenfalls betriebswirtschaftliches Knowhow, da sie tief in die Wertschöpfungsprozesse von Unternehmen eingreifen. Das verdeutlicht: trotz ihres technischen Treibstoffs ist die IT allein nicht der Mittelpunkt der geschäftlichen Entwicklung. Neue Rollenbilder entstehen erst in der Kombination mit anderen wichtigen Fähigkeiten.

Oliver Wippich, Department Manager beim Personaldienstleister Hays: "Die Welt sucht den Cloud-Spezialisten, anstatt man sich zunächst einmal über das gewünschte Know-How und die Fähigkeiten für die Aufgabe im Klaren wird."
Oliver Wippich, Department Manager beim Personaldienstleister Hays: "Die Welt sucht den Cloud-Spezialisten, anstatt man sich zunächst einmal über das gewünschte Know-How und die Fähigkeiten für die Aufgabe im Klaren wird."
Foto: Heys

Benötigte ein Cloud-Spezialist in der Vergangenheit primär Kenntnisse im Bereich System-Architektur oder Netzwerkadministration, muss er heute in der Lage sein, zusätzlich neue vernetzte Abläufe in Anforderungen für die IT zu übersetzen. Er baut Brücken in ganz unterschiedlichen Konstellationen: Brücken zwischen IT und Business, zwischen einzelnen Fachbereichen sowie zwischen traditioneller und agiler IT. Gleichzeitig erwartet man von ihm auch, als eine Art Coach zu fungieren und den Mitarbeitern über individuelle Nutzungsszenarien ihren Weg in die Cloud zu ebnen. Also ein Querschnitts-Manager mit hoher Prozessaffinität.

Kalkuliert man dann zusätzlich noch ein, dass ein Cloud-Anbieter selbst meist einen Großteil der Integrationsleitung erbringt, fragt man sich: wieviel Fachwissen ist dann langfristig überhaupt noch notwendig? Das fragt sich auch Oliver Wippich: "Ein kompletter Wandel vom technischen zum rein betriebswirtschaftlichen Cloud-Experten kann aus unserer Sicht erst dann erfolgen, wenn ein Unternehmen seine IT komplett virtualisiert hat,". Theoretisch. Fest steht allerdings: es geht um weitaus mehr als das solide technische Handwerkszeug eine Cloud-Umgebung verfügbar zu machen und zu betreiben. Vielmehr kommt es mehr und mehr auf integrative und soziale Fähigkeiten an. Denn neue unbekannte Technologien, die auf die Mitarbeiter zukommen, sind immer auch begleitet von Vorbehalten und Ängsten. Und diese gilt es zu erkennen und abzubauen.

IT im Kontext der Kundenberatung

Ähnliches gilt auch für andere Branchen, in denen die Digitalisierungswelle bereits den Arbeitsalltag erreicht hat. Mächtig rund geht es derzeit bei den Kreditinstituten. Nach Angaben der aktuellen Hays-Studie "Banken im digitalen Wandel" verwenden Mitarbeiter jeder dritten Bank bereits über 30 Prozent ihrer Arbeitszeit auf neue digitale Themen. "Einerseits sind sie getrieben von den Fintechs und Crowdfunding-Plattformen, andererseits müssen sie intern ihre eigenen Prozesse so schnell machen, um ein ähnliches Entwicklungstempo vorlegen zu können," so Amra Ljaic, Bereichsleitung Contracting bei Hays. Im Bankenumfeld scheinen es die größten Baustellen an der digitalen Kundenschnittstelle sowie bei den internen Prozessen zu geben. Weshalb es auch hier neben der technischen Kompetenz ganz besonders auf den kaufmännischen Blick ankommt. "Ein App-Entwickler sollte nicht nur entwickeln können, sondern auch wissen, welchen Kundenbedarf er damit adressiert und welche regulatorischen Bedingungen zu beachten sind," weiß Amra Ljaic. Neben der reinen Softwareentwicklung sollen diese Mitarbeiter also auch noch etwas von Marketing und Compliance verstehen. Das zeigt: Eigenschaften, die über den technischen Sachverstand hinausgehen, scheinen auch bei den Kreditinstituten immer wichtiger zu werden. Laut Hays-Studie fassen ganze 85 Prozent der 100 befragten Bankmanager diesen Mitarbeitertyp als Generalisten zusammen. Sie sollen Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Projekten oder Fachbereichen mitbringen, stets veränderungsbereit sein und sich demzufolge auch schnell in neue Themengebiete einarbeiten können.

Hier könnte man sich einen erfahrenen Software-Entwickler vorstellen, der bereits häufiger Online-Banking Angebote zu Apps verdichtet hat, gleichzeitig über strategischen Weitblick und pragmatische Umsetzung beherrscht sowie dem klassischen Kundenberater das neue Thema näherbringt. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, welchen Stellenwert Fähigkeiten jenseits reiner IT sowie abgegrenzter Geschäftseinheiten bekommen.

Alleskönner im Driver Seat

Und sogar die technikverliebte Automobilbranche setzt zunehmend auf vielfältiges Wissen. Geht es um digitale Treiber wie dem selbstfahrenden vernetzten Fahrzeug oder der Elektromobilität, nehmen Themenspezialisten wie Software-Entwickler, Sensorik-, oder Elektronikspezialisten eher auf dem Rücksitz, denn auf dem "Driver-Seat" Platz. Grund: Nur noch 35 Prozent der Entscheider sehen Fachspezialisten an vorderster Front beim digitalen Change. Die große Mehrheit in dieser Branche (62 Prozent) spricht sich ebenfalls klar für Generalisten aus. Aber was genau macht diese Person aus? "Perspektivisch formt dieser Mitarbeitertyp sicherlich ein bestimmtes Berufsbild. Aktuell symbolisiert er eher die Speerspitze der Digitalisierungs-Bewegung," weiß Aleksandar Amidzic, Director Automotive bei Hays aus seinen Kundengesprächen. Die jeweiligen Spezialisten brauchen möglichst viel "Felderfahrung" bei Strategiefindung und Umsetzung unterschiedlicher Digitalprojekte. Obendrein sollten sie auch prozessaffin sein. Schließlich müssen agile Entwicklungen anschließend in nutzbare Anwendungen innerhalb eines Fahrzeuges verwandelt werden. Wer hier nur sein Technik-Verständnis einbringt und dafür sorgt, dass das Endprodukt serienreif entwickelt wurde, kann bei den Automanagern nicht mehr punkten. Erst wenn mit möglichst vielen Abteilungen an einem Prototyp gewerkelt wurde, womit gleichzeitig neue Prozesse eingeübt werden, verfügt der Mitarbeiter über das richtige Set an Fähigkeiten. Auch im Automotive-Sektor erlebt der Personaldienstleister eine veränderte Orientierung der Unternehmen in Richtung Allroundtalent, mit bestimmter Themen- und Branchenkompetenz. Allerdings dürfen diese Trends nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage nach IT-Spezialisten mit betriebswirtschaftlichem Know-How erst ganz am Anfang steht.

Automotive / Banking : Zentrale Anforderungen der Führungskräfte an die Mitarbeiter

  • Eigenständigkeit

  • Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen

  • Kreativität

  • Flexibel im Hinblick auf Einsatzort und -zeit

  • Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen

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