Teams virtuell managen

27.09.2010
Von Ernst  Engelmann
Meetings und Personalgespräche finden meist im Büro statt. Mit den richtigen Mitteln lassen sich Teams auch vom Home Office aus führen.

Laut einer Umfrage im Auftrag des Branchenverbandes Bitkom arbeiten zehn Prozent der Berufstätigen in Deutschland ganz oder zeitweise von zu Hause aus. 37 Prozent möchten dies gerne an mehr als einem Wochentag und weitere 20 Prozent sogar täglich tun. Nur 30 Prozent gehen am liebsten jeden Tag ins Büro. Auch Führungskräfte arbeiten bereits häufiger im Home Office, allerdings meist nur zur Erledigung persönlicher Aufgaben. Für Team-Meetings oder Mitarbeitergespräche fahren sie ins Büro. Doch ist das wirklich nötig?

Personalgespräche, die Einteilung von Zuständigkeiten oder die Übertragung heikler Aufgaben erfordern mit Sicherheit mehr als nur eine kurze E-Mail oder ein schnelles Telefonat. Den persönlichen Kontakt in der virtuellen Bürowelt ermöglichen moderne Web- oder Videokonferenzsysteme. Einfache Internet-Lösungen erfüllen jedoch oftmals nicht die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. Was für private Konversation unter guten Freunden völlig ausreicht, ist für die sensible berufliche Kommunikation daher häufig unzureichend.

Hohe Video- und Audioqualität

Um Führungsaufgaben aus dem Home Office erledigen zu können, sollte auf ein professionelles Konferenzsystem zurückgegriffen werden. Nur so können auch Gesten, Mimik und Betonungen mit in die Kommunikation einfließen. Der Mitarbeiter muss das Gefühl haben, dass die Führungskraft mit ihrer gesamten Kompetenz zur Verfügung steht. Nur dann kann das Gespräch über das virtuelle Medium erfolgreich sein.

Michael Ganser, Senior Vice President bei Cisco Europe, nutzt entsprechende Systeme schon seit Jahren. Sein Unternehmen zählt zu den Vorreitern in Sachen Virtuelle Meetings, was aber auch nicht weiter verwundert, denn Cisco ist einer der großen Hersteller im Geschäft mit Highend-Videokonferenzsystemen. Dementsprechend ist es naheliegend, die eigene Technik selbst im Arbeits-alltag zu erproben und praktische Erfahrungen im Umgang mit ihr zu sammeln. Dabei stellt häufig – wie das Beispiel Cisco zeigt – weniger die Technik eine Herausforderung dar als vielmehr das geänderte Kommunikationsverhalten. Denn dieses erfordert in letzter Konsequenz einen neuen Führungsstil.

Mitarbeitergespräche und Management-Meetings werden bei vielen Unternehmen inzwischen häufig per Tele-präsenz geführt. Dies spart sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitern Zeit und Reisekosten, vor allem, wenn sich die Gesprächspartner an verschiedenen Orten befinden. Aufgrund der räumlichen Distanz müssen Führungskräfte jedoch einige Besonderheiten beachten. Denn nach dem Meeting erhalten sie nicht mehr auf dem Flur Feedback durch die Mimik und das Verhalten der Mitarbeiter oder zufällig aufgeschnappte Bemerkungen. Daher müssen sie hier noch sensibler auf die Reaktionen des Mitarbeiters achten und häufiger direkt nach seiner Meinung fragen. Zudem ist Kritik vorsichtiger zu äußern, da sie in der Regel nicht zeitnah zurückgenommen werden kann.

Bei Mitarbeitern im Home Office sollte zusätzlich berücksichtigt werden, dass diese sich eventuell isoliert fühlen. Daher muss die Führungskraft ihnen regelmäßig Feedback auf ihre Leistungen geben und sie über aktuelle Ereignisse oder neue Entwicklungen informieren. Dazu gehören auch Erfolge von Kollegen, neue Arbeitstechniken oder Weiterbildungsangebote, damit sich der Mitarbeiter als vollwertiges Teammitglied fühlt. Zudem muss die Führungskraft neben den reinen Arbeitsresultaten das Feedback von Kollegen und Kunden einholen, die direkt mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten. "In der regelmäßigen Beurteilung der Leistungen von Mitarbeitern, die ich virtuell manage, kann ich über ein Bewertungssystem Referenzen einholen, in dem Kollegen aus der engeren realen Arbeitsumgebung Feedback geben", erklärt Ganser. "Damit lassen sich eventuelle Nachteile der räumlichen Distanz kompensieren. Wenn der Mitarbeiter außerdem durch ein hoch auflösendes System die Führungskraft genau sieht und hört, fühlt er sich auch im Personalgespräch ernst genommen."

Flexible Arbeit

Um die Vorteile des virtuellen Managements zu nutzen, müssen die Arbeitsprozesse im Unternehmen entsprechend angepasst werden. So kann es keine Präsenzpflicht im Büro mehr geben. "Wir führen unsere Mitarbeiter mit Ziel- und nicht mit Zeitvorgaben", erklärt Beat Schwab, Manager Human Resources bei Cisco DACH. Dementsprechend kontrolliert niemand den Weg dorthin, wenn ein Mitarbeiter seine Ziele erreicht. In der Umsetzung solcher Arbeitsmodelle entsteht eine Win-Win-Situation für Mitarbeiter und Unternehmen, denn die Beschäftigten sind motivierter und zufriedener.

Erste Erfahrungen zeigen auch, dass der Erfolg web- oder videobasierter Collaboration ein verändertes Kommunikationsverhalten erfordert. So hat das Unternehmen einen "Meeting-Kodex" erarbeitet, der die notwendige Disziplin sicherstellt und bestimmte mediengerechte Umgangsformen festlegt. Einfachstes Beispiel dafür ist, dass die Teilnehmer großer Audiokonferenzen vor jedem Statement ihren Namen sagen. Oft sind es solch kleine Anpassungen an die konkrete Kommunikationssituation, die einen entscheidenden Einfluss auf die Effektivität der Zusammenarbeit haben.

Die Option, im Home Office zu arbeiten, nimmt inzwischen die Mehrzahl der Mitarbeiter und Manager von Cisco in Anspruch. Für sie ist das ein wichtiger Beitrag zum Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben. "Wenn ich mittags mal schnell in den Baumarkt muss, kann ich das tun, denn für Kunden bin ich immer noch erreichbar", sagt Hans-Joachim Adolphi, Manager Collaboration bei Cisco. Auch die meisten Büroarbeiter sind heute außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten für Kunden, Kollegen oder Vorgesetzte per Internet oder Handy ansprechbar, nach aktuellen Erhebungen ein Drittel sogar jederzeit, also auch am Abend oder am Wochenende.

Lediglich 32 Prozent der Berufstätigen schalten in ihrer Freizeit komplett ab. Ständige Anspannung kann Arbeitnehmer jedoch überfordern. Um einen Burnout zu vermeiden, empfehlen Experten einen Wechsel zwischen stressigen und ruhigen Arbeitsphasen sowie die Nutzung der Freizeit zur Erholung und Wiederherstellung der Arbeitskraft. Daher sollten Unternehmen nicht erwarten, dass ihre Beschäftigten E-Mails am Wochenende beantworten. Ist dies trotzdem der Fall, sollte diese Bereitschaft auf die Arbeitszeit angerechnet werden.

Vertrauen fördert Teamgeist

Damit flexible Arbeitszeitmodelle funktionieren, braucht es aber vor allem gegenseitiges Vertrauen. So darf der Arbeitgeber nicht gleich böse Absichten vermuten, wenn ein Angestellter nicht sofort auf Anfragen reagiert. Allerdings sollte der Beschäftigte transparente Präsenzinformationen zur Verfügung stellen, und sei es nur: "Nicht am Schreibtisch". Hochwertige Konferenztechnologien, ergänzt durch einfache Collaboration-Tools wie Wikis oder Blogs, helfen nicht nur bei der Überwindung geografischer, sondern auch kultureller und hierarchischer Distanzen. Damit kann sich eine Unternehmenskultur etablieren, die Eigeninitiative und Teamgeist fördert – mit flachen Hierarchien, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen. Statt einer autokratisch geführten "Belegschaft" entsteht eine multinationale Mitarbeiter-Community, die Ideen frei und ungehindert austauscht und die besten davon schnell zu marktreifen Lösungen weiterentwickelt. Denn nichts motiviert stärker als das Gefühl, eigenverantwortlich und erfolgreich den Unternehmenserfolg mitzugestalten.