Taugt Storage as a Service als Alternative?

20.04.2009
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit dem Hype rund um Cloud Computing wächst auch das Interesse an Online-Speicher. Doch die Netz-Backups eignen sich nicht für jeden Anwendungszweck.

Glaubt man den Anbietern, sind Daten im Netz sicherer aufgehoben als auf dem Storage-Server im Unternehmen beziehungsweise dem Rechner zu Hause. Backup-Spezialist Carbonite taxiert die weltweiten Datenverluste im vergangenen Jahr auf ein Volumen von 845 Petabyte, das sind 845 Millionen GB. Basis der Schätzung sind IDC-Zahlen, wonach die Storage-Hersteller im vergangenen Jahr weltweit rund 6500 Petabyte an Speicher ausgeliefert haben, sowie eine Studie der Carnegie Mellon University, nach der von einer jährlichen Storage-Ausfallrate von etwa 13 Prozent auszugehen ist.

Firmen schlampen beim Backup

Dabei sind nicht nur die Privatanwender von den Speicher-Crashs betroffen, auch Firmen beklagen zum Teil schmerzliche Datenverluste. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gingen oft zu nachlässig mit der Sicherung ihrer geschäftskritischen Daten um, hat eine Studie von Gartner im vergangenen Jahr ergeben. 64 Prozent der KMUs würden ihre Firmeninformationen nicht an einem externen Standort sichern, wo sie in einem Katastrophenfall sicher wären. Darüber hinaus seien rund 60 Prozent der traditionellen Backups unvollständig, 50 Prozent aller Recovery-Versuche schlügen fehl, und ganze 25 Prozent der Backup-Tapes würden in einer geeigneten Umgebung gelagert.

Abhilfe bei Backup-Problemen versprechen Anbieter von Storage as a Service, Online-Backups und Speicher in der Cloud. Anwenderunternehmen würden von allen Aufgaben und Aufwänden rund um ihr Backup befreit, argumentieren die Storage-Dienstleister. Zudem seien die Daten im Netz oft sicherer aufgehoben.

Preisnachlass bei Speicherausfall

Die Palette der Storage-Funktionen im Netz ist breit. Das Spektrum reicht vom integrierten Daten-Management mit abgestuften Security-Leveln und Hochverfügbarkeitsumgebungen bis hin zu einfachen virtuellen Festplatten, auf denen Privatanwender ihre Bildarchive und Musiksammlungen sichern können. Beispielsweise bietet Iron Mountain Digital seine "Connected-Backup"-Software" für Server und Client-Rechner neben einer herkömmlichen Kauflizenz auch als Online-Mietservice an. Firmen könnten so ihre geschäftskritischen Daten weitgehend automatisiert sichern und wiederherstellen, verspricht der Anbieter.

Einfachen Online-Speicher bieten Amazon mit dem "Simple Storage Service" (S3) und EMC mit "Mozy". Kunden zahlen bei Amazon zwischen 15 und 18 US-Cent pro GB und Monat. Je mehr Speicher belegt ist, desto niedriger fällt die Gebühr aus. Eine Limitierung des Speicherplatzes gibt es nicht. Zusätzlich fallen Gebühren für den Datentransfer an. Bis 30. Juni hat der Service-Provider diese auf drei US-Cent pro übertragenes GB im Monat gesenkt. Ansonsten werden je nach Datenvolumen zwischen zehn und 17 US-Cent fällig. Die Amazon-Verantwortlichen versprechen ihren Kunden eine Verfügbarkeit von 99,9 Prozent. Sollte die Ausfallrate höher liegen und der Betreiber daran schuld sein, können die Kunden Preisnachlässe zwischen zehn und 25 Prozent einfordern.

Mozy – ein Milliardengeschäft?

EMC bietet seinen Netzspeicher Mozy in zwei Varianten an. Die Consumer-Version offeriert bis zu 2 GB Online-Storage kostenlos, wer mehr Platz benötigt, zahlt 4,95 Dollar pro Monat, egal wie viel Platz er braucht. Darüber hinaus hat der Speicherspezialist mit MozyPro Online-Backups für Unternehmen im Programm. Für Client-Rechner fallen 3,95 Dollar Lizenzkosten und 50 US-Cent pro GB und Monat an. Die Server-Lizenz kostet 6,95 Dollar bei gleichen Gebühren für das Speichervolumen. Der Service umfasst eine sicher verschlüsselte Datenübertragung sowie automatisierte Backup-Funktionen und Snapshots.

Die Anbieter sind optimistisch, was die weitere Entwicklung von Online-Speicher betrifft, tun sich aber schwer, konkrete Prognosen abzugeben. "Das ist ein brandneuer Markt", sagte kürzlich EMC-Chef Joseph Tucci. Setze man die Nutzerzahl mit den weltweit eingesetzten PCs in Relation, sei die Marktdurchdringung bis dato noch sehr gering. Doch gerade deshalb sei das Potenzial für weiteres Wachstum auch in konjunkturell schwierigen Zeiten vorhanden. Tucci geht davon aus, dass die Einnahmen mit Online-Backups weiter zulegen werden. Konkrete Zahlen vermochte der EMC-CEO allerdings nicht zu nennen. "Es könnte irgendwann ein Milliardengeschäft werden", so seine vorsichtige Prognose.

Dass er das tun wird, bezweifeln manche Experten - gerade im Firmenumfeld. "Backup ist ein Thema, bei dem viele Firmen die Hardware und die Daten weiter gern im Haus haben", sagt beispielsweise Marcus Schneider, Director Product Marketing von Fujitsu Technology Solutions. Allerdings würden sich die Verantwortlichen verstärkt nach Dienstleistern umsehen, die die Betreuung dieser Backup-Systeme übernehmen. Managed Storage sei die Lösung für Kunden, die sich zwar nicht um die Standardaufgabe Backup kümmern, aber ihre Daten im Haus behalten wollen.

Das Vertrauen fehlt noch

Angesichts der Skepsis vieler Anwender werden die Storage-as-a-Service-Anbieter hart daran arbeiten müssen, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Das hat man in anderen Bereichen ebenfalls gesehen, beispielsweise bei Software as a Service. Fällt der Online-Service einmal aus, schlägt das meist hohe Wellen, da auf einen Schlag viele Firmen davon betroffen sind.

Obwohl die Anbieter von Online-Backups darauf bedacht sind, keine Daten zu verlieren, sind auch sie nicht gegen Pannen gefeit. 2007 hat Storage-Service-Spezialist Carbonite 7500 Online-Backups verloren. Schaden sei jedoch nur in wenigen Fällen entstanden, wiegelten die Verantwortlichen ab. Mittlerweile liegt der Fall vor einem Gericht in Boston. Carbonite macht fehlerhafte Systeme des Hardwarelieferanten Promise für die Pannen verantwortlich. Promise kontert, Carbonite habe die Systeme nicht richtig implementiert. Den Kunden, die ihre Daten eingebüßt haben, hilft der Streit indes wenig.

Darauf müssen Sie bei Online-Speicher achten

  • Kosten: Wie bei allen online bezogenen Hardware- oder Softwareservices gilt: Prüfen Sie die Preise und rechnen Sie den Aufwand für eine längere Nutzung gegen die Kosten für die eigene Anschaffung. Im Lauf der Zeit summieren sich Kosten für das Online-Backup. Für ein Terabyte zahlt der Kunde bei Amazon 180 Dollar im Monat und 2160 Dollar im Jahr. Dazu kommen Gebühren für den Datentransfer. Gerade wenn Informationen oft hin- und hertransportiert werden, geht das Backup ins Geld.

  • Service-Level: Überlegen Sie genau, welche Service-Levels Sie für Ihre Daten benötigen, beispielsweise was Verfügbarkeit und Sicherheit anbelangt. Diese sollten sich dann auch in den Verträgen mit dem Backup-Dienstleister wiederfinden. Wenn Sie es sich nicht leisten können, die Daten zu verlieren, fragen Sie genau nach, wie redundant und sicher die Backup-Infrastruktur ausgelegt ist.

  • Compliance: Beachten Sie die Compliance-Regeln. In vielen Fällen dürfen Daten nicht beziehungsweise nur in einem bestimmten Rahmen außerhalb der Firma abgelegt werden. Fragen Sie deshalb nach, wo die Backup-Speicher stehen, und prüfen Sie, ob die Standorte Ihren Compliance-Vorgaben entsprechen. Vorsicht: Gerade in virtualisierten Storage-Umgebungen, die sich zudem über verschiedene Standorte erstrecken, ist es in aller Regel schwierig zu sagen, wo die Daten liegen.

  • Modell: Überlegen Sie, welches Modell auf ihre Storage-Anforderungen passt. Mittlerweile gibt es feine Abstufungen der Speicherservices: vom Cloud-Storage und Online-Backup auf einfachen Festplatten im Netz über Outsourcing- und Hosting-Modelle bis hin zu Managed Storage, der nach wie vor beim Kunden steht, aber vom Dienstleister betreut wird.

Mit der Cloud wandert Storage ins Netz

Die Analysten von Gartner gehen davon aus, dass sich die Zahl der Cloud-Storage-Angebote im Lauf des Jahres weiter erhöhen wird. Neben den bereits vertretenen Anbietern wie Amazon und EMC wollen IT-Schwergewichte wie IBM, Google, Microsoft und Symantec dem Wettbewerb das Feld nicht kampflos überlassen:

  • IBM forciert im Rahmen seiner "Blue-Cloud"-Strategie Techniken, mit denen Anwender Prozesse in ihren Rechenzentren automatisieren und effizienter abwickeln können. Was sich zunächst als "Private Cloud" beim Kunden abspielt, kann später auch als Public Cloud ins Netz wandern.

  • Google, das sich mit Textverarbeitung und Tabellenkalkulation stark in Sachen Software as a Service engagiert, hält sich mit Cloud-Storage noch zurück. Nach wie vor kursieren Gerüchte um das virtuelle "GDrive". Analysten zufolge wird der Google-Speicher im Netz über kurz oder lang kommen, als logische Fortsetzung der bereits bestehenden Online-Services. Lediglich der Preis könnte den Google-Verantwortlichen Kopfzerbrechen bereiten, da die User ein kostenloses Angebot erwarten.

  • Microsoft hat schon im vergangenen Jahr mit "Azure" eine eigene Cloud-Plattform angekündigt. Kunden sollen damit eine komplette Infrastruktur aus Rechen- und Speicherkapazitäten inklusive Windows-Betriebssystem via Internet nutzen können. Am ehesten lässt sich das Angebot mit Amazons "Elastic Compute Cloud" (EC2) vergleichen. Derzeit baut Microsoft die dafür notwendigen Rechenzentren auf. Einen Zeitplan, wann welcher Dienst verfügbar sein wird, gibt es noch nicht.

  • Symantec richtet sich mit seinem kürzlich vorgestellten Dienst "Norton Online Backup" vorrangig an Endanwender und kleine Firmen. Daten von bis zu fünf PCs im Netz lassen sich über eine gemeinsame Konsole absichern. 25 GB kosten 49 Dollar im Jahr. Die Kapazität lässt sich in Schritten von 10, 25, 50 und 100 GB erweitern.