Offener Brief

Tatort Internet - Streit ums Urheberrecht

30.03.2012
Welche Inhalte sind im Netz frei verfügbar? Welche Nutzung ist illegal?

Politik, Verbände und Nutzer finden keine Lösung in diesem Konflikt. Der offene Brief von 51 "Tatort"-Drehbuchautoren an die "liebe Netzgemeinde" stößt dort auf scharfe Kritik.

Zankapfel Urheberrecht: Jetzt melden sich auch die Urheber selbst zu Wort und pochen auf ihr "geistiges Eigentum" im Internet. Eine Gruppe von 51 Drehbuchautoren der renommierten ARD-Krimireihe "Tatort" wendet sich direkt an Grüne, Linke und Piratenpartei sowie an die "liebe Netzgemeinde". Die Drehbuchautoren halten ihnen eine "demagogische Gleichsetzung von frei und kostenfrei" vor. Dies diene allein den "User-Interessen, deren Umsonstkultur so in den Rang eines Grundrechts gehievt werden soll".

Eine der Unterzeichnerinnen, Carolin Otto, sagte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, es gebe ein verbreitetes "Unwissen, wie Künstler ihr Geld verdienen und wie sie leben - wir arbeiten ja alle frei, wir müssen alle für unsere Sozialversicherung aufkommen und haben klar das Interesse, mit unseren Werken auch Geld zu verdienen".

Mitunterzeichner Jochen Greve wies darauf hin, dass die Bedingungen für Geschäftsmodelle im Internet für einzelne Künstler ganz unterschiedlich seien: "Natürlich ist es für einen Journalisten einfacher, im Netz Geld zu verdienen, als wenn ich Opernlibrettist bin." Greve sprach von einer Erosion des Begriffs "geistiges Eigentum", die unter dem Eindruck der Wahlerfolge für die Piratenpartei auch etablierte Parteien erfasse.

Den 51 "Tatort"-Autoren haben 51 Hacker des Chaos Computer Clubs (CCC) in einem süffisant formulierten Brief geantwortet, in dem sie sich selbst ebenfalls als Urheber sehen - etwa bei der Entwicklung von Software -, aber ganz andere Schlüsse ziehen: "Das von Euch als gottgegeben hingestellte sogenannte 'geistige Eigentum' ist bei näherem Hinsehen eine Chimäre".

Was sagt der Gesetzgeber dazu? Im Bundesjustizministerium wollen drei Baustellen zum Urheberrecht bearbeitet werden: Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger soll Nachrichtenportale wie Google News regulieren. Bei "verwaisten Werken", deren Urheber nicht mehr ermittelt werden kann, sind klare Richtlinien geplant. Und dann steht da auch noch das internationale ACTA-Abkommen an, das erst einmal auf die lange Bank geschoben ist und vom Europäischen Gerichtshof geprüft wird.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte am Freitag der Nachrichtenagentur dpa, mit dem Auskunftsanspruch und den strikten Vorgaben der EU gebe es ein funktionierendes System, um gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. "Man muss im Urheberrecht immer einen Ausgleich schaffen zwischen den verschiedenen Interessen. Da gibt es kaum den großen Wurf, der alle Probleme auf einmal lösen könnte." Die Verwerterindustrie habe die Verpflichtung, "neue Geschäftsmodelle für das Netz zu entwickeln, die von den Verbrauchern angenommen werden."

Das bestehende Urheberrechtsgesetz stammt aus dem Jahr 1965, lange vor dem Internet verfasst. Initiativen für eine Reform könnten eher aus dem Bundestag kommen als von der Regierung. Mehrere Abgeordnete haben Überlegungen entwickelt, wie das Urheberrecht besser an die Internet-Ära angepasst werden könnte. Da geht es um Vorschläge wie eine Kultur-Flatrate, also eine Pauschalabgabe, die auf die Gebühr für den Internetzugang draufgeschlagen und an die Urheber verteilt wird.

Dazu schrieb der CCC an die Adresse der Drehbuchschreiber: "Gerade Ihr als Tatort-Autoren, deren Brötchen zum großen Teil über die Rundfunkgebühren bezahlt werden, solltet wissen, wie sich eine Kulturflatrate anfühlt."

Bislang waren es vor allem Interessengruppen wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), der Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), die teils öffentlich, teils in Treffen mit Parlamentariern ihre Standpunkte vertreten. Nun aber melden sich die Künstler selbst zu Wort. Und ihre Interessen sind andere als die der Verlage, Plattenfirmen oder Medienhäuser.

Auch der Musiker und Schriftsteller Sven Regener regte sich in einem viel beachteten Interview über den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken im Internet auf. Er habe in dieser Diskussion oft das Gefühl "dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: 'Euer Kram ist nichts wert. Wir wollen das umsonst haben.' Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert."

Natürlich müssten die Musiker von ihrer Arbeit leben können, sagte der Berliner Pirat Christopher Lauer in einer Entgegnung auf Regener. "Aber mit dem Internet hat sich einfach das Spiel verändert." Nach dem Offenen Brief der Drehbuchschreiber sagte Lauer: "Ich freue mich auf den Dialog, habe gestern gleich eine Mail geschickt und leider noch keine Antwort bekommen."

Auf das Gespräch über "einen gerechten Interessenausgleich aller im Netz Beteiligten" setzt auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Es gehe jetzt um "tatsächliche Reformen für das Urheberrecht in der digitalen Welt". Drehbuchautor Greve hofft, dass die Initiative nun etwas in Gang bringen kann: "Das war ja der Sinn, dass wir jetzt mit den Leuten in direkten Kontakt kommen." Greve sagt: "Natürlich muss das Urheberrecht verändert und an die moderne Gesellschaft angepasst werden. Das wird aber nicht angegangen, weil die Politik sich nicht die Finger verbrennen will." (dpa/tc)