Tanker oder Schnellboot?

06.09.2006
Wer als Berater arbeiten möchte, sollte sich genau überlegen, ob er in einem Konzern oder bei einem Mittelständler tätig sein will. Die Unterschiede können erheblich sein.

Robert Duisberg hat beide Seiten kennen gelernt. Nach seinem Wirtschaftsstudium und anschließender Tätigkeit in der Zentrale der Deutschen Bank kletterte der heute 45-Jährige bei einem großen, internationalen Beratungsunternehmen die Karriereleiter bis zum Partner hoch, bis er nach 15 Jahren Zugehörigkeit kurzfristig die Leitung eines Familienbetriebs übernehmen musste.

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Heute arbeitet Duisberg wieder als Berater - als einer von zwölf Mitarbeitern der Insentis GmbH in Geisenheim bei Frankfurt am Main. Er verantwortet dort unter anderem den Bereich Prozess-Management. Seine Entscheidung für eine kleine Beratung hängt mit der Unmittelbarkeit der Arbeit zusammen: "Ich habe mir überlegt, zurück zu einem großen Beratungshaus zu gehen. Aber mir hat etwas gefehlt. Mit zunehmendem Aufstieg entfernt man sich von der eigentlichen Tätigkeit, obwohl man aus einem immer größe-ren Erfahrungsschatz schöpfen kann", so Duisberg.

Mittelstand bietet mehr Arbeitsplätze

Wer nach seinem Studium oder nach einigen Jahren Berufstätigkeit in die Beratung wechseln möchte, steht zwangsläufig vor der Entscheidung: große oder kleine Firma. Von den 14 000 Beratungsunternehmen in Deutschland setzen lediglich 50 Firmen 45 Millionen Euro und mehr um, 12 000 Firmen bewegen sich bei bis zu einer Million Euro Umsatz, wie eine Studie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) ergab. Ausgedrückt in Arbeitsplätzen: Bei den 50 großen Unternehmen arbeiten zusammen rund 22700 Berater, bei den 12000 kleinen rund 25800.

Große Häuser - globale Projekte

Die Frage der Größe des Arbeitgebers stellte sich für Ulrike von Heinemann nach ihrem Studium nicht. Sie zog es in eine große Beratung, weil sie sich einen Überblick verschaffen wollte. "Eine kleine wäre mir zu speziell gewesen. Ich wollte schnell unterschiedliche Themen, Kunden und Industrien kennen lernen", so von Heinemann, die nun seit sechs Jahren bei dem IT-Beratungsunternehmen Capgemini arbeitet.

Was die 30-Jährige im Nachhinein schätzt: "Es war mir kein bestimmter Pfad vorgegeben. Ich konnte verhältnismäßig frei bestimmen, auf welche der vielen Themen und Industrien ich mich spezialisieren möchte." Heute ist sie im Bereich Business & Information Strategy für das Thema IT Organization & Portfolio Management verantwortlich. Sie leitet Projekte mit zwei bis fünf Mitarbeitern und ist zurzeit in Budapest tätig. Auch dies war eines ihrer Motive: "Mich hat die Internationalität gereizt; ich wollte in verschiedenen Ländern und mit internationalen Teams arbeiten."

Bessere Chancen hierfür hat sie laut BDU-Studie in jedem Fall, 75 Prozent der Beratungsfirmen ab 45 Millionen Euro Umsatz sind mit ihrem Angebot von Deutschland aus auch in der Europäischen Union und 65 Prozent weltweit aktiv. Im Vergleich: Von den Beratungen bis zu einer Million Umsatz sind 40 Prozent im europäischen Ausland und 17 Prozent im außereuropäischen Ausland tätig.

Neben der Chance, in internationalen Projekten zu arbeiten, ist für viele Mitarbeiter auch das Renomee einer Firma entscheidend, so Michael Hassa, zuständiger Partner für Organisation und IT beim Personalberater Formations Group AG: "Für viele Bewerber ist der Name wichtig, auch wenn das Engagement von nur kurzer Dauer ist." Vor allem McKinsey und die Boston Consulting Group stehen neben Konzernen wie BMW, Porsche und Bosch ganz oben auf der Wunschliste junger Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler, wie das schwedische Marktforschungsinstitut Universum Communications mit seiner jährlichen Umfrage zeigt.

Kleine Häuser bevorzugen Consultants mit Erfahrung

"Für Berufseinsteiger ist es einfacher, bei einer großen Beratung unterzukommen", so Personalexperte Hassa. Zwar halten sich die Beraterzahlen der großen und der kleinen Unternehmen insgesamt grob die Waage. "Kleine Unternehmen stellen aber kaum Berufsanfänger ein." Mitarbeiter müssen bei den Unternehmen, die sich häufig in einer Nische spezialisiert haben, mit Expertenwissen aufwarten. "Wer dorthin möchte, sollte am besten drei oder mehr Jahre Berufserfahrung mitbringen", so Hassa.

Das bedeutet nicht, dass in großen Beratungshäusern keine Experten arbeiten. Vor allem Beratungen, die auch die Umsetzung übernehmen, legen großen Wert auf erfahrene Mitarbeiter. So bringen bei Capgemini etwa 60 Prozent der Neuzugänge Berufspraxis mit. Solche großen Beratungen leiten ihren eigenen Nachwuchs, der reichlich vorhanden ist, auf geordnete Karrierepfade. Hassa: ",Up or out’ heißt die Regel, die auch heute in vielen der großen Beratungshäuser gilt. Wer nach einer gewissen Zeit auf einer Karrierestufe stehen bleibt, muss sich nach einer neuen Stelle umschauen."

Je größer, desto mehr Strukturen

Damit eine Einstellung ein Erfolg wird, müssen Bewerber und Firmenstruktur zueinander passen. Nicht jeder Mitarbeiter fühlt sich in einem großen Unternehmen mit einer eher reglementierten, arbeitsteiligen Corporate-Umgebung wohl. "Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr Strukturen muss es aufbauen und pflegen", so von Heinemann. "Dafür kann es sich aber auch beispielsweise ein großes, internationales Netzwerk leisten."

Genauso ist nicht jeder für ein kleines Unternehmen geeignet. "Wer nicht lange Zeit mit dem gleichen Team zusammenarbeiten möchte oder sich nicht daran gewöhnen mag, dass ein Berater schnell die Verantwortung auch für komplett neue Bereiche wie das Business Development übernehmen muss, stößt bald an seine Grenzen", sagt Duisberg. Neben der Berufserfahrung hängt die Entscheidung also vor allem von einem ab: der Persönlichkeit des Beraters. (hk)