Gerichte verdienen gut an Intel

Tandon Corp. nutzt als erster die Intel-kompatible Cyrix-CPU

17.04.1992

RICHARDSON/MÜNCHEN (CW) - Bei der Intel Corp. regnet es heftig rein: Der (Noch-)Monopolist für PC-CISC-Prozessoren macht momentan vor allem durch die diversen Gerichtsverhandlungen gegen potentielle Konkurrenten wie Advanced Micro Devices (AMD) und Chips & Technologies (CT) von sich reden, die Intel-kompatible Prozessoren entwickelt haben. In die Front der Andy-Grove-Konkurrenten hat sich nun auch Cyrix aus Texas mit dem "CX486SLC"-Prozessor eingereiht. Erster Kunde ist die Tandon Corp., die entsprechende PC-Produkte schon in zirka sechs Wochen auf den Markt bringen will.

Obwohl nach Meinung von Analysten wie Dean McCarron die Cyrix-Implementation vor allem einen Nischenmarkt bedienen und Intels Marktanteile im Brot-und-Butter-Geschäft kaum antasten wird, fällt Marktbeobachtern auf, wie leicht Intel inzwischen der Gang zu den Gerichten fällt. Sie sehen darin ein Indiz, daß Drittanbieter sehr großes Interesse an der neuen Intel-Konkurrenz zeigen.

Als erstes PC Unternehmen wird die Tandon Corp. in etwa sechs Wochen auf dem Cyrix-Chip basierende PC-Produkte in Mengen verfügbar machen. Der CX486SLC soll den 486-Instruktionensatz nutzen, wobei die Cyrix-Techniker auf die Pipeline-Technologie zurückgreifen. In einem 1 KB großen

Cache werde die Funktionalität des Intel-486-Prozessors nachgeahmt. Der Cyrix-Chip sei völlig Befehlssatz-kompatibel zum Intel-Original sowie Pin- und Buskompatibel zu den 386SX-Prozessoren. Intern besitzt der CX486SLC einen 32-Bit-Datenpfad, extern ist er auf 16 Bit ausgelegt. Cyrix behauptet, daß ihre CPU gegenüber herkömmlichen 386SX-Chips doppelt so schnell ist. Sogar IBMs Intel-kompatible Prozessor-Eigenentwicklung "386SLC", die das Original in puncto Rechenleistung nach IBM-Aussagen um 80 Prozent übertreffen, soll im Vergleich zum Cyrix-Baustein das Nachsehen haben.

Basis-Modelle der Tandon-Rechner haben unter anderem einen Arbeitsspeicher von 2 MB (maximal 32), eine 85-MB-Festplatte und einem Super-VGA-Monitor. Außerdem sind das Betriebssystem DOS mit Windows und das integrierte Paket "Works for Windows" vorinstalliert. Der Anwender besitzt ferner die Option, sich ein externes oder internes CD-Laufwerk zu kaufen. Zudem stünden diverse "populäre" CDs zur Verfügung.

Neben Tandon kündigten zwei weitere PC-Hersteller an, auf dem Cyrix-Prozessor basierende Systeme zu entwickeln: Die Microslate Inc. will ihn in einem Pen-System einsetzen, Zeos International Ltd. arbeitet den Informationen nach an einem Desktop-Rechner.

Wie empfindlich Intel mittlerweile auf die Konkurrenz reagiert (vgl. auch CW Nr. 11 vom 13. März 1992, Seite 45: "Geschlossene Front gegen Intel...") zeigt das neueste juristische Scharmützel: Bereits am 27. März 1992 reichte Intel gegen Cyrix eine Klage ein. Der Prozessorlieferant will per Gerichtsurteil feststellen lassen, daß Cyrix vier Intel Patente verletzt habe. An diesem für Intel mittlerweilen nicht mehr ungewöhnlichen Verhalten irritiert Marktbeobachter nur ein Umstand: Erst drei Tage später stellte Cyrix offiziell den Prozessor-Clone vor, auf den Intel noch keinen prüfenden Blick hat werfen können.

TI ist beliebter Ansprechpartner

Wie schon CT - die Company hatte auf eine Klage von Intel kühl mit einer Widerklage reagiert - scheut auch Cyrix keine harten Bandagen Die Texaner aus Richardson verfolgen eine vorbeugende Strategie: Sie wurden noch vor Intels Gerichtsgang bei einem Richter vorstellig, um das Recht von Cyrix feststellen zu lassen, den Chip sowohl von der SGS Thomson Microelectonics NV als auch von Texas Instruments produzieren zu lassen.

Marktbeobachter räumen Intel keine großen Chancen ein, gegen Cyrix vor Gericht zu obsiegen. Sie verweisen auf die Händel mit CT, bei der ein ähnliches Begehren der Integrated Electronics abgeschmettert wurde.

Die Pikanterie an dem neuerlichen Streit liegt auch im Engagement von Texas Instruments (TI) begründet: Der Hersteller aus Dallas scheint sich nach einigen weniger erfolgreichen Versuchen, mit eigenen Prozessoren den Markt anzugehen, darauf zu kaprizieren, die Prozessoren anderer CPU-Entwickler zu produzieren.

Schon überfällig ist das RISC-Sparc-Produkt "Viking" für Sun Microsystems. Außerdem engagiert sich TI heftig an der Seite von CT: Lizenzierungsvereinbarungen zur Produktion der CT-Produkte "Super386" und "Supermath" scheinen weit gediehen, zudem assistiert TI den Campbell-Leuten auch vor Gericht gegen Intel.

Obwohl TI sich zu der Rolle als Lizenznehmer der Cyrix-Technologie nicht äußern mochte,- wollen Cyrix nahestehende Informanten wissen, daß man in Dallas den "CX486SLC" nicht nur herstellen, sondern auch unter eigenem Namen vertreiben will.

TI ist als Lizenznehmer für Intel-kompatible Prozessoren schon deshalb beliebter Anlaufpunkt von CPU-Designern, weil die Texaner mit der Grove-Company eine gegenseitige Lizenzaustausch-Vereinbarung unterhalten, die dem Hersteller unter anderem von Taschenrechnern auch das Recht zur Entwicklung eigener 386-Designs gibt.

Genau hier gehen allerdings die Meinungen der Geschäftspartner auseinander Thomas Dunlap, Intels oberster Rechtsbeistand, vertritt die Position, daß "TI jederzeit einen 386-Clone entwickeln und verkaufen kann. Es ist aber etwas ganz anderes, wenn TI sich die Entwicklungsarbeit von Cyrix zu eigen macht und unter eigenem Namen Chips vertreibt."