Frankfurter DV-Anbieter hat mit Performance-Schwierigkeiten zu kämpfen\

Tandem: Probleme nach "Nonstop"-Höhenflug

01.10.1982

FRANKFURT - Das Rechnerkonzept der Frankfurter Tandem GmbH, von Hard- und Softwareprofis stets als vorbildlich gerühmt, kommt langsam in die Jahre. Das Neugeschäft stagniere, wollen Tandem-Kenner wissen, und "Nonstop-Fahrer" klagten zunehmend über Performance-Probleme mit den mittlerweile nicht mehr ganz taufrischen 16-Bit-Prozessoren. Nach dem Otto-Versand trennte sich nun auch die Hamburger Hitachi GmbH von ihrer Tandem-Anlage. Grund: Die Folgekosten des Systems stiegen ins Unermeßliche.

Glaubt man Tandem-Geschäftsführer Horst Enzelmüller, so hat er mit seinem Unternehmen am 30. September ein "äußerst erfolgreiches Geschäftsjahr" beendet. Zahlen will der Frankfurter Manager noch nicht nennen, aber die gesteckten Ziele habe er "selbstverständlich" erreicht. Ebenso werden Schwierigkeiten im Neugeschäft von Enzelmüller verneint. Dennoch stöhnt seine Verkaufscrew über schlechte Ergebnisse: Lediglich ein halbes Dutzend Tandem-Einsteiger (Deutschland-Manager Josef Bröker spricht von 14 Neu-Usern) seien hierzulande in diesem Jahr aufgetan worden, wird kolportiert, der Rest des Geschäftes käme durch Upgrades bei Altkunden zustande.

Den Grund für die Einbrüche im Nonstop-Busineß haben Insider bereits analysiert. Die Frankfurter hätten sich in den letzten Jahren zu stark auf Großkunden und Renommierprojekte beschränkt und dabei versäumt, einen breiten Markt aufzubauen. Installationserfolge bei Unternehmen wie MBB oder Thyssen hätten dazu geführt, daß man zu hohe Erwartungen an die Zukunft knüpfte. So hätte das Tandem-Management Aktivitäten beim mittleren Anwender verpaßt und damit die Basis im traditionellen Minicomputer- und IBM-4300-Markt verloren. Dazu Enzelmüller, der nach Aussagen von Ex-Tandem-Managern diese Marschrichtung einst sogar im Auge hatte: "Für unser Konzept kann es nur Großkunden geben; das ist genau unsere Strategie."

Einen weiteren Grund für die Stagnation des Neugeschäfts sehen Tandem-Mitarbeiter im Preis-/Leistungsverhältnis der Nonstop-Systeme. Der Dollaranstieg habe dazu geführt, daß die Rechner in eine ungünstige Relation zu den Konkurrenzmodellen gerutscht seien.

Rühmte sich Enzelmüller noch kürzlich gegenüber dem Wirtschaftsmagazin Capital: "Wir können jeden gängigen Jumbo überbieten", so sehen Tandem-VBs die Aussagen ihres Chefs erheblich distanzierter. Das hier vermittelte Leistungsbild stimme nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. Die Nonstop-Systeme seien zwar vom Preis her Mainframe-Maschinen, bewegten sich jedoch inmitten des Leistungsspektrums gängiger Minicomputer. Bei einem Nonstop-II-Preis von einer Million Mark, so ein Ex-Tandem-Geschäftsstellenleiter, werde es immer schwieriger einen Neukunden zum Einstieg zu bewegen.

Zweifelsohne gilt das Tandem-Konzept nach wie vor als gute Alternative zu den herkömmlichen Minis und Mainframes, obwohl im Anwenderurteil der Softwareteil der Nonstop-Philosophie besser wegkommt als die Hardware-Architektur. Nachdem sich Performance-Probleme und ein schwieriges Design herumgesprochen hätten, sei die anfängliche User-Euphorie inzwischen etwas abgeklungen.

So ist es für das Frankfurter Tandem-Team ein absolutes Novum, daß innerhalb von wenigen Monaten gleich mehrere Renommier-Kunden abgesprungen sind: Eine beim Hamburger Otto-Versand geplante Lagerverwaltung konnte mit dem Zweiprozessorsystem nicht bewältigt werden. Die Hanseaten hatten sich eigenen Aussagen zufolge eine wesentlich höhere Performance von ihrer Anlage erhofft. Zudem sei das Projekt softwareseitig völlig unterschätzt worden, so daß dem Versandhaus erhebliche Folgekosten entstanden seien.

Performance-Klagen kommen auch vom Klinikum Darmstadt. War man hier anfangs noch begeistert von der Ausfallsicherheit des Nonstop-Systems, so kam die Ernüchterung bereits in der Realisierungsphase des Projektes, heißt es unter den Darmstädter DV-Leuten. Wie beim Otto-Versand seien auch im Klinikum Folgkosten entstanden, die Tandem mit "riesigen Rabatten" auszugleichen versuchte. Mit Erfolg: Nach Veränderungsabsichten wollen die Darmstädter nun doch bei ihrem Hersteller bleiben.

Trotz Discount-Angeboten ist bei der Hitachi GmbH in Hamburg bereits eine andere Entscheidung gefallen: Die japanische HiFi-Dependance fährt nicht mehr Tandem, sondern ICL. Zwar sei den Hitachi-Managern der Umstieg nicht leichtgefallen, heißt es an der Elbe, aber wären sie bei ihrem System geblieben, hätte die Anwendung noch um ein Vielfaches teurer werden können.

Das nach Ansicht von Tandem-Insidern markanteste Problem des Frankfurter Unternehmens tritt jedoch in dem Renommier-Projekt "EPA 80" (Elektronische Platzbuchungsanlage der achtziger Jahre) der Deutschen Bundesbahn in Frankfurt zutage: dem Unvermögen vieler Softwarehäuser, relativ schnell das Nonstop-Konzept zu verstehen und umzusetzen. Unter der Regie des Friedrichshafener Systemhauses Dornier sollte das ehrgeizige Zehn-Millionen-Vorhaben in seinen Grundzügen bereits im April dieses Jahres realisiert sein. Heute müssen sich die Beteiligten eingestehen, daß die Anwendungsentwicklung etwa ein halbes Jahr im Verzug ist. Bundesbahn-Datenverarbeiter sowie EPA-Berater lassen durchblicken, daß Dornier anfangs mit der Tandem-Anlage nicht klarkam und einige Programme "den Bach runtergegangen" seien. Um im Zeitplan zu bleiben, hätte das Projekt eine voll eingespielte Dornier-Mannschaft erfordert, sagt ein Bundesbahner.

Leistungsmessungen sollen in diesen Tagen Aufschluß darüber geben, wieviel Prozessoren zu den bisherigen acht noch dazugekauft werden müßten. Dabei soll es bereits Gerangel zwischen den Projektpartnern geben. Tandem habe Dornier zugesichert, daß die anfangs konfigurierte Hardware ausreiche. Unklar sei jetzt dennoch, wer eine eventuelle Nachrüstung bezahlen müsse.

Mangelndes Nonstop-Know-how geht nach Ansicht von Tandem-Benutzern aber nicht nur den Softwarehäusern ab, sondern auch der Frankfurter System-Crew. Dabei käme es bei dem Doppelprozessor-Konzept wie bei kaum einem anderen Rechner darauf an, "150prozentig" zu designen und zu tunen. Wolle man Performance-Schwierigkeiten vermeiden, seien dazu absolut hochkarätige Spezialisten erforderlich. Diese seien aber in den Tandem-Reihen äußerst dünn gesät, sagen selbst Frankfurter Systemprofis. Das Spezialisten-Loch im eigenen Hause erklären sie mit dem schnellen Wachstum des Unternehmens in den letzten Jahren. Da es wegen der Einmaligkeit des Konzeptes keine gestandenen Praktiker im Markt gebe, sei man in der Regel auf Newcomer von Hochschulen angewiesen. Diese gelten in Frankfurt als eine erfolgversprechende Anleihe auf die Zukunft.

Daß die künftigen Tandem-Erfolge jedoch vorrangig vom Nachwuchs des Unternehmens abhängen könnten, wird von Nonstop-Experten angezweifelt. Vielmehr käme es darauf an, die vorhandene Hardware zu ersetzen. Denn die Performance-Probleme lägen vor allem in der veralteten 16-Bit-Struktur der Rechner, die komplexen Anwendungen nicht gewachsen sei. Eine moderne 32-Bit-Maschine könne hier Abhilfe bieten und das Softwarekonzept um so attraktiver machen.