Lessons Learned

Tagebuch über die 100 ersten Tage als CIO

11.07.2014
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Neuer Job, neues Glück: Christoph Grewe-Franze hat bei der Able Group den CIO-Posten übernommen. In einem Tagebuch hat er nun die Erfahrungen seiner ersten 100 Tage aufgeschrieben.

Schnelle Erfolge oder Nachhaltigkeit? Zuhören oder handeln? Die ersten 100 Tage entscheiden über den Erfolg als neuer CIO. Über seine erste Zeit beim Gummersbacher Engineering- und IT-Dienstleister Able Group hat Christoph Grewe-Franze ein Tagebuch geführt. Die ersten 100 Tage fingen schon lange vor seinem Start im Juni 2013 an.

Christoph Grewe-Franze CIO, Able Management Services: "Man darf auch als CIO nicht zu schnell ins Operative kommen. Es ist schon eine Zerreißprobe, diese Balance zu finden."
Christoph Grewe-Franze CIO, Able Management Services: "Man darf auch als CIO nicht zu schnell ins Operative kommen. Es ist schon eine Zerreißprobe, diese Balance zu finden."
Foto: Able Management Services

Tag x-30: Vorgeplänkel. Einige Wochen, bevor sein neuer Job offiziell startet, trifft er sich mit seinem neuen Chef. Für Grewe-Franze ist das Vorgespräch entscheidend: "Ich will nicht unbedarft ins kalte Wasser springen und mich einer unangenehmen Situation aussetzen." Für CIOs, die von extern kommen, bleibt immer die Frage im Raum, warum nicht intern besetzt wurde. Unter Umständen hat man einen schlechten Start, ohne etwas dafür zu können. Grewe-Franze will sich deshalb vorab informieren und Klarheit schaffen.

Er kennt die Situation: Er war schon CIO beim Naturkosmetikhersteller Weleda und bei der Handelskette Plus. Zur Able Group kam Grewe-Franze über einen Headhunter. "In der Phase habe ich mich gerade neu orientiert. Ich hatte Zeit, Dinge zu machen, die man sonst nicht macht", erzählt er. Zum Beispiel das Leadership Excellence Program (LEP), das Management-Training der WHU - Otto Beisheim School of Management zusammen mit dem CIO-Magazin: Das Programm im Jahr 2013, verbunden mit einer Reise nach Indien und dem intensiven Austausch mit Kollegen, habe ihm geholfen, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. In der vertrauensvollen Atmospäre war es möglich, eigene Einstellungen und versteckte Vorurteile zu hinterfragen, die bisher als unumstößlich galten. Mit diesen Voraussetzungen beginnt er seinen neuen Job. Grewe-Franze macht sich noch einmal klar, dass er zwar Erfahrung mitbringt, aber keine Lösungen. "Ich bringe die Fähigkeit zur Lösung mit", sagt er. Denn Able ist in einer ganz anderen Branche angesiedelt als seine früheren Unternehmen.

Auch deshalb will er von vornherein Klarheit haben: "Ich möchte in dieser Position als Gesprächspartner akzeptiert werden und daher Antworten auf meine Fragen bekommen." Das Gespräch läuft gut, beide Seiten reden offen und ehrlich. "Das war der Eisbrecher. Da wusste ich, was mich erwartet. Sonst wären die ersten Monate schwer geworden", meint er.

Tag 1: Reden, beobachten, zuhören

Vorstellung und Einführung laufen gut: Grewe-Franze bekommt einen Einarbeitungsplan, auf dem auch alle Stakeholder stehen, mit denen er im Lauf der ersten drei Monate sprechen soll. "Das ist sehr wichtig, um sich ein Bild von der IT und dem Organisations-Management zu machen und auch zu sehen, wo die Schwachpunkte sind - und um vielleicht auch Geduld einzufordern", sagt Grewe-Franze.

Der neue CIO steht vor einigen Herausforderungen: Die Gesellschaft, die mit über 7000 Ingenieuren, Konstrukteuren oder anderen Fachkräften in Unternehmen Engineering-Dienstleistungen erbringt, ist dezentral organisiert und verfügt über mehr als 90 Standorte in Deutschland. Gleichzeitig konkurrieren die einzelnen Niederlassungen miteinander, erzählt Grewe-Franze. "Jeder hat seine eigenen Interessen, und die IT muss genau darauf achten, wem welche Informationen zugänglich gemacht werden." Zudem muss die IT die jeweiligen Mitarbeiter, die bei Kunden arbeiten, mit individueller Software und Packages ausstatten, je nach Kundenwunsch. Eine Standardisierung lässt sich nicht so einfach umsetzen.

Der neue CIO stellt fest, dass IT und Prozess-Management voneinander getrennt arbeiten. Eine Integration wäre wichtig - aber beide Lager glauben, dass die andere Seite nicht dahintersteht. "Ich musste herauskriegen, wie es überhaupt zu dieser Situation gekommen ist", erzählt Grewe-Franze. "Es ist ja immer so, dass zu dem Zeitpunkt, an dem man eine bestimmte Struktur festlegt, die Konstruktion Sinn ergibt. Nur später nicht mehr unbedingt."

Grewe-Franze redet mit den Mitarbeitern und kommt zu dem Schluss: "Es wurde ein SAP-Projekt begonnen, ohne sich Gedanken über die Auswirkungen auf die Organisation zu machen. Da kommt es natürlich zu Abstoßungsreaktionen", sagt er. Doch der Fehler liegt auf beiden Seiten. Die Auseinandersetzungen im Unternehmen muss Grewe-Franze mit vielen Gesprächen, Sozialkompetenz und Geschick lösen.

Tag 14: Erste Überraschungen

Schon nach wenigen Tagen ist er in das SAP-Projekt involviert. "Ich sollte ein SAP-Projekt zum Erfolg führen", erzählt er. Doch ihm ist klar: Entweder arbeitet er sich in die Rolle des CIOs ein - oder er übernimmt die Projektleitung. Die Geschäftsleitung unterstützt ihn, und Grewe-Franze bekommt einen externen Projektleiter hinzu.

Tag 17: Konfrontation mit Skeptikern

Die Ideen und Lösungsvorschläge des neuen CIO werden gleich mal infrage gestellt. Grewe-Franze nimmt die Kritik an. "Sonst schafft man sich nur Feinde - und mit Fronten kommt man nicht weiter", meint er. Stattdessen arbeitet er die Einwände, wenn sie berechtigt sind, in sein Konzept ein. Das, so sagt er, habe er gelernt. "Manchmal haben die Kritiker recht, daran muss man wirklich arbeiten - und manchmal nicht."

Tag 30: Zwischen den Stühlen

Noch verfügt Grewe-Franze über einen externen Blick. Allerdings arbeitet er schon mitten in einem Projekt - eine gefährliche Tendenz. "Man darf als CIO auch nicht zu schnell ins Operative kommen. Es ist schon eine Zerreißprobe, diese Balance zu finden", erzählt er. Jetzt hat er einen ersten Überblick: "Man erkennt, was die wichtigsten und drängendsten Punkte sind." Alles auf einmal könne er ohnehin nicht lösen. Auf blinden Aktionismus verzichtet er und erstellt stattdessen eine Prioritätenliste mit den Angelegenheiten, die bis zum Ende des Jahres erledigt sein sollen. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten bespricht er sie. "Mein Chef akzeptiert, dass sich im Laufe der Zeit Dinge ändern und Angelegenheiten umpriorisiert werden. Er weiß, dass ich mich nicht um alles kümmern kann", fügt er hinzu. Solange die Systeme laufen, geht das in Ordnung.

Tag 67: Feedback von außen

Grewe-Franze bespricht sich auch mit seinem Vorgesetzten, wie er sich positionieren soll. "Es ist Zeit, sich zu fragen, ob die Prioritäten noch richtig liegen und ob man nicht seine Ansprüche nach unten schrauben sollte", sagt er. Klar, die sogenannten Quick Wins wären schön. "Man muss schon allein von der Psychologie her ein Zeichen setzen, dass die Dinge nun anders laufen", sagt Grewe-Franze. Das tut er auch: Er sagt seinen Mitarbeitern, dass sie auch Fehler machen dürfen. "Dann haben wir eben Geld versenkt, weil wir beim Thema Drucken zunächst in die falsche Richtung gelaufen sind", sagt er. Dem neuen CIO ist es sehr wichtig, über Fehler zu reden, statt über sie zu schweigen. Das sind die kleinen Dinge, die er anpackt. Aber strukturelle Änderungen funktionierten erst über einen langen Zeitraum von ein bis zwei Jahren, sagt er. Nur wenn einige Dinge ganz schlecht liefen, könne man sie rascher anpacken.

Tag 83: Es knallt.

Auch ein Konflikt gehört zu den ersten 100 Tagen. "Wenn man andere Prioritäten setzt, als die Kollegen es für richtig erachten, dann muss man das besprechen", sagt Grewe-Franze. Schließlich gibt es IT-Mitarbeiter, die schon seit Jahren an Bord sind. Ein "Neuer" hat es manchmal einfach schwer. Nun komme es darauf an, zu entscheiden und auch einmal ganz dezidiert sagen, dass etwas nicht geht. "Die Leute verändern sich nur, wenn sie die Erwartung haben, dass es danach besser wird", sagt der CIO. Trotzdem läuft das nicht ohne Reibungsverluste ab.

Tag 100: Wasserstandsmeldung

Grewe-Franze zieht sein Resümee. Zum Beispiel will er die IT stärker zentralisieren. "Sicherheit ist das Thema. Heutzutage geht man sie ganz anders an als früher", sagt er. Zudem will er in den nächsten Monaten auf eine Hybrid-Cloud mit eigenen Servern und externem Rechenzentrum umstellen. "Wir müssen jetzt die Voraussetzungen schaffen, damit es 2015 gut läuft", sagt er. Auch wenn es schwierig sei, einen solchen Zeitraum zu vermitteln. Aber er ist sicher, dass die Nachhaltigkeit gut ankommt.

Auch jetzt, zwölf Monate nach seinem CIO-Start, weiß er nicht, wie die Welt in 180 Tagen aussehen wird. "In sechs Monaten denke ich über Entscheidungen von heute wohl anders, aber hinterher ist man immer schlauer", fügt Grewe-Franze hinzu. Aber deswegen führt er ja ein Tagebuch. Damit auch er als CIO seine früheren Entscheidungen nachvollziehen kann.

Die Unternehmensdaten der Able Management Services GmbH

Unternehmen

Able Management Services GmbH

Hauptsitz

Gummersbach

Standorte

mehr als 90 in Deutschland

Umsatz

584 Millionen Euro (2013)

Mitarbeiter

7000

IT-Kennzahlen

IT-Mitarbeiter

circa 70

IT-Anwender

7000

IT-Budget

acht Millionen Euro