T-Systems: Hoffen auf die Konvergenz

21.11.2001
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - International zu klein und intern zu heterogen – so lautete die Kritik beim Zusammenschluss der Telekom-Sparten Detesystem und DeteCSM mit dem Debis Systemhaus zu T-Systems. Rund 20 Monate nach dem Merger geht Christian Hufnagl, Chef von T-Systems, im Gespräch mit CW-Redakteur Robert Gammel, in die Offensive.

CW: Die IT-Branche ist in der Krise, insbesondere im Dienstleistungssektor wird – wenn man einmal von den großen Outsourcern absieht – gejammert. Wie entwickelt sich die Geschäftslage bei T-Systems?

HUFNAGL: Wenn man T-Systems insgesamt betrachtet, steigern wir unseren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr in der Größenordnung von deutlich über zehn Prozent.

CW: Beobachten Sie einen Abwärtstrend insbesondere im laufenden vierten Quartal?

HUFNAGL: Nein, das ist mehr oder weniger gelaufen. Wir sehen, dass wir unsere Prognose von mehr als zehn Prozent Plus erreichen. Das ist vor dem Hintergrund, dass dieses Jahr für uns ein Aufbau- und Integrationsjahr war, sehr gut. Natürlich müssen wir in Teilbereichen differenzieren. Ich will ein konkretes Beispiel nennen: Die SAP-Implementierungsumsätze sind geringer als erwartet. Wir haben 1500 SAP-Spezialisten und sind hier eines der größten Beratungshäuser in Deutschland. Da bemerken wir schon ein leichtes Abflauen. Dagegen erleben wir bei den TK-Umsätzen eine wahre Explosion.

CW: Worauf führen Sie diesen Anstieg zurück?

HUFNAGL: Die Kunden haben gerade im Bereich E-Business, aber auch bei der internationalen Kommunikation einen erheblich höheren Bandbreitenbedarf und investieren daher in den Aufbau breitbandiger Unternehmensnetze. Intra- und Extranets benötigen die zusätzliche Bandbreite auch, weil immer mehr Grafik- und Bildmaterial verschickt wird.

CW: Wie wird sich die Nachfrage im kommenden Jahr entwickeln?

HUFNAGL: Bei Großkunden und Konzernen beobachte ich, dass diese jetzt Legacy- und ERP-Systeme weniger druckvoll weiterentwickeln. Während in diesem Bereich die Budgets unter Druck stehen, investieren die Unternehmen in das Abbilden von Prozessen wie Einkauf, Supply-Chain-Management und Customer-Relationship-Management auf elektronische Plattformen. Das zweite wichtige Thema, hervorgerufen durch den 11. September, sind Sicherheitsfragen. Da kommt derzeit erhebliches Interesse auf.

CW: Sie sprachen vom Sparkurs der Kunden bei ERP-Projekten. Wir hören derzeit oft, dass auch CRM-Projekten der Boden entzogen wird.

T-Systems-Chef Christian Hufnagl      Quelle: T-Systems

HUFNAGL: CRM-Projekte, egal ob mit Siebel, Oracle oder anderen Anbietern, sind natürlich relativ teuer und häufig nicht genug mit den Altsystemen vernetzt. Da gehen viele Unternehmen den Weg – wir übrigens auch –, zuerst Basis-CRM-Systeme zu installieren und die Vernetzung in den Betrieb herzustellen. Bei dem Thema und dem E-Business allgemein ist mittlerweile mehr Realismus eingekehrt.

CW: Haben Sie beobachtet, dass Kunden ihre Projekte verschoben oder ganz aufgegeben haben?

HUFNAGL: Bei den Standard-Shop-Systemen ja. Da ist die Euphorie vorbei. Die großen Konzerne investieren ihr Geld eher in den Auf- und Ausbau elektronischer Prozesse. Ein Beispiel: Der Mineralölkonzern BP hat uns damit beauftragt, in Deutschland und Österreich ein auf IP und Internet basierendes Kommunikationsnetz einzurichten. Die einzelnen Tankstellen greifen nun über das Netz direkt auf das Warenwirtschaftssystem und das Bestellwesen von BP zu. Sie kaufen also elektronisch in der Zentrale ein. Die Bestellung läuft schneller, und es treten keine Lieferengpässe auf. Mit anderen Worten: Es findet eine echte Umschichtung statt. Wo Unternehmen früher versucht haben, sich intern zu verbessern, geht es heute um die Optimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

CW: Sinken aufgrund der aktuellen Krise die Honorare im Beratungs- und Projektgeschäft?

HUFNAGL: Das trifft zu, wenn Sie sich die klassischen Unternehmensberater anschauen. Allerdings lag T-Systems mit seinen Consulting-Töchtern Detecon und Diebold in puncto Tagessätze unter denen anderer bekannter Wettbewerber. Deshalb bekommen wir diesen Trend nicht so zu spüren.

CW: Wie soll es insgesamt mit dem Beratungsgeschäft weitergehen?

HUFNAGL: Wir haben gegen den allgemeinen Markttrend in diesem Jahr 1800 Leute eingestellt und nicht wie andere Wettbewerber entlassen müssen.

CW: T-Systems ist bisher lediglich in Deutschland stark. Auf internationaler Ebene ist das Unternehmen im Vergleich zu IBM Global Services oder EDS noch nicht gut aufgestellt.

HUFNAGL: Wir sind von unserer Entstehungsgeschichte her natürlich zunächst mal ein auf Europa fixiertes Haus. Sowohl Debis Systemhaus als auch die Deutsche Telekom waren sehr Europa-konzentriert, aber wir beginnen jetzt, uns auch gezielt zu internationalisieren. Im Vergleich mit IBM und EDS, die seit Jahrzehnten global aufgestellt sind, haben wir noch einen Weg zu gehen.

CW: Planen Sie Übernahmen, um Ihren internationalen Marktanteil auszuweiten?

HUFNAGL: Nein. Im Augenblick schmieden wir aus den bestehenden Einheiten einen international schlagkräftigen IT- und TK-Anbieter. Bis Mitte, spätestens Ende nächsten Jahres sind wir so weit. Dann bieten wir unseren Kunden IT und TK aus einer Hand, also durchgängige Konvergenzlösungen, in den 23 priorisierten Ländern an. Dazu zählen das Telekom Global Net, IP-basierte Dienste, Hosting- und Web-Services sowie ASP-Dienste.

CW: Aber brauchen Sie dafür nicht zumindest in Nordamerika einen starken Partner?

HUFNAGL: Wie gesagt, Nordamerika ist für uns wichtig. Wir haben zurzeit keine Zukaufspläne, sondern prüfen andere Möglichkeiten.

CW: Die Aufbauphase ist also noch nicht abgeschlossen?

HUFNAGL: Natürlich nicht. Nehmen Sie ein Beispiel dafür: Durch das Zusammengehen des Debis Systemhauses mit Telekom-Einheiten haben beide Seiten Großrechenzentren in T-Systems eingebracht – insgesamt sind es 15. Unsere Kapazitäten haben wir in diesem Jahr von 56000 auf 61000 Mips erhöht. T-Systems hat also gut verkauft. Wir wollen eine ganz neue Systematik einführen, die wir "Global Computing Factory" nennen. Ziel ist es, die drei wesentlichen Faktoren Mensch, Fläche und Maschine zu entkoppeln.

CW: Was bedeutet das im Klartext?

HUFNAGL: Wir führen in der Global Computing Factory ein virtuelles Management ein. Know-how-Träger wie beispielsweise Datenbankspezialisten bleiben da, wo sie heute sitzen, arbeiten aber über virtuelle Netze im Team. Die Maschinen wiederum stehen an Hochsicherheitsstandorten.

CW: Kommen wir zurück zur angesprochenen Aufbauphase. Wie sieht es eigentlich mit der organisatorischen Zusammenführung von Debis Systemhaus und T-Systems aus? Da war ja lange Zeit Sand im Getriebe.

HUFNAGL: Die Integration ist inzwischen weit vorangeschritten. Wir führen das Unternehmen heute bereits nach Branchen- und Dienstleistungseinheiten, so genannten Business- und Services-Lines.

CW: Eine Ausrichtung, die intern mehr als umstritten war. In der Anfangsphase der Eingliederung des Debis Systemhauses gab es vor allem auch aus diesem Grund eine sehr hohe Fluktuation bei den Debis-Mitarbeitern.

HUFNAGL: Hierzu ist viel geschrieben worden. Tatsächlich aber müssen Sie die Zahlen am Branchendurchschnitt messen, dann relativiert sich das Bild deutlich.

CW: Haben Sie das mittlerweile in den Griff bekommen?

HUFNAGL: Wir hatten im vergangenen Jahr bis einschließlich des ersten Quartals 2001 eine durchschnittliche Gesamtfluktuation von rund 15 Prozent. In einzelnen Bereichen lagen wir natürlich auch darüber. Wir sind aber seit drei Monaten mit einer Gesamtfluktuationsrate von zehn Prozent sehr stabil, in Deutschland liegt die Rate sogar unter acht Prozent.

CW: Dann sind von den ursprünglich 17000 Debis-Leuten mindestens noch 15000 an Bord?

HUFNAGL: Auf jeden Fall. Wir haben jetzt zum Jahresende rund 42000 Mitarbeiter. In diesem Jahr haben wir in den ersten neun Monaten rund 3900 neue Mitarbeiter eingestellt. Bereinigt um die Abgänge ist dies ein effektiver Personalzuwachs von rund 2000. Die Personalentwicklung ist also sowohl beim Debis Systemhaus als auch bei den Telekom-Einheiten nach oben gegangen.

CW: Wie hoch ist der Umsatzanteil von Geschäften mit der Telekom und deren Töchtern im Verhältnis zum Fremdgeschäft?

HUFNAGL: Die unternehmensinternen Umsätze mit der Telekom machen einen Anteil von 22 Prozent aus – und die mit Daimler-Chrysler sechs Prozent. Knapp dreiviertel unserer Kunden sind also extern.

CW: Und wie hoch ist der Anteil des Auslandsumsatzes?

HUFNAGL: Im IT-Bereich etwa 15 Prozent und im TK-Bereich nochmal zehn Prozent.

CW: Können Sie auch Zahlen für die Umsätze in Ihrem Beratungsbereich nennen?

HUFNAGL: Da erwirtschaften wir das meiste in Deutschland.

CW: Vor kurzem haben der ehemalige DeteCSM-Chef Alexander Röder, zuständig für Großrechenzentren, sowie Rudolf Gröger das Unternehmen verlassen. Gibt es schon Nachfolger?

HUFNAGL: Ja. Rudolf Gröger war für die Business Lines und Internationales zusammen verantwortlich. Diesen Bereich haben wir geteilt. Für das internationale Management kommt zum 1. März ein neuer Mann, den Namen darf ich leider noch nicht sagen. Den Bereich Business-Lines leitet kommissarisch Joseph Eisenried. Diesen Posten wollen wir im zweiten Quartal nächsten Jahres endgültig besetzen. Eine Name steht noch nicht fest. Den Bereich von Herrn Röder haben wir mit den Desktop-Services zusammengelegt. Diese neu geschaffene Einheit leitet Kamyar Niroumand, der aus dem Debis Systemhaus kommt.

CW: Welche Schwerpunkte wollen Sie für das nächste Geschäftsjahr setzten?

HUFNAGL: Das nächste Geschäftsjahr steht bei uns ganz eindeutig im Zeichen der Konvergenz, wobei ich Wert auf die Feststellung lege, dass wir natürlich unsere IT- und TK-Standardservices weiterfahren. Das ist unser Brot- und Buttergeschäft. Der Konvergenzbereich wächst zwar mit 60 bis 70 Prozent gigantisch, ist jedoch in Relation dazu noch zu klein.