(T-)Online, nein danke?

12.01.1996

"Null Aenderung bei der Telefonrechnung", dieser Werbeslogan der Telekom duerfte fuer die meisten Benutzer von Online-Diensten ein frommer Wunsch bleiben. Vor allem im Ortsbereich nutzt der Bonner Carrier seit dem 1. Januar seine Monopolstellung fuer den Geschmack vieler Zeitgenossen schamlos aus. Konnte sich der Datenreisende frueher zwischen 8.00 und 18.00 Uhr mit schlappen 2,30 Mark zum Ortstarif beim Netzknoten seines Providers eine Stunde lang einwaehlen, so kostet ihn der Ausflug in Internet, Compuserve etc. tagsueber mittlerweile 4,80 Mark. Selbst der engagierte Netzsurfer, der abends, ungeachtet der 35-Stunden-Woche, via Online-Dienst seinen Horizont zum Wohle des Arbeitgebers erweitern will, entkommt dem kraeftig an der Preis-schraube drehenden magentafarbenen Riesen nicht: Zwischen 18.00 und 21.00 Uhr muss ihm sein Online-Engagement 1,73 Mark pro Stunde mehr wert sein als zuvor, von 21.00 bis 5.00 Uhr frueh sind es immerhin noch 65 zusaetzliche Pfennige, die im Geldbeutel fehlen.

Unternehmen, die, um den hohen Mietzinsen der Innenstaedte zu entgehen, an die Peripherie der Grossstaedte umgesiedelt sind, koennen kuenftig das eingesparte Geld direkt an die Telekom ueberweisen. So schlaegt die Online-Stunde zum naechsten Knoten, der sich meist im Ortsnetz der Ballungszentren befindet, nun mit 16,68 Mark statt 13,80 Mark zu Buche. Nur Fruehaufsteher, die bereits um acht Uhr ihre E-Mails im Buero via Compuserve etc. abrufen, koennen den Bonner Raubrittern in Sachen Information-Highway ein Schnippchen schlagen: Sie zahlen jetzt 9,60 Mark anstelle von 13,80 Mark. Auch Datenreisende, die sich frueher in Server der Weitzone einloggen mussten, duerften sich ueber die neuen Tarife freuen. Tagsueber sparen sie je nach Uhrzeit und Entfernung (Region 200 oder Fern) zwischen 7,52 Mark und 1,88 Mark pro Stunde.

Prinzipiell duerften die neuen Tarife des Bonner Monopolisten zum Beispiel alle Muenchner entzuecken, die bei Foehn unter Schlafstoerungen leiden. Zwischen 2.00 und 5.00 Uhr kostet der Ausflug zum Ferntarif in eine Hamburger Mailbox nur das Doppelte (3,60 Mark) der Einwahlgebuehren zum lokalen AOL- oder Compuserve-Knoten.

Doch Vorsicht, bevor Sie sich als Nachtmensch ueber den billigen Tarif freuen, sollten Sie sich vergewissern, ob die Telekom ueberhaupt in der La-ge ist, diesen in ihrer Vermittlungs-stelle anzubieten. Im Kleingedruckten des neuen Tarifwerks heisst es naemlich, dass sich die Einfuehrung des Nachttarifs bis Mitte 1996 verzoegern kann.