T-Systems und McKinsey errichten eine IT-Infrastruktur für bedarfsgerechte Dienste

T-Com lotet On-Demand-Modell aus

30.07.2004

Die Festnetztochter der Deutschen Telekom AG, T-Com, holt mit dem Großprojekt zum Befreiungsschlag aus. Die IT-Infrastruktur des Carriers wuchs im Lauf der Jahre sehr schnell, so dass sie heute 1,3 Petabyte Speicherkapazität, 2500 MIPS Rechenleistung, rund 3000 Server, etwa 100000 Arbeitsplatz-PCs und rund 400 bis 500 Applikationen umfasst. Unter anderem sind in in diesen Systemen die Vertragsdaten von rund 40 Millionen T-Com-Kunden hinterlegt. Der Betrieb obliegt der Schwestergesellschaft T-Systems. Doch der T-Com war die IT-Landschaft zu unhandlich, steif und träge geworden. "Wir haben nach einem Weg gesucht, den sich durch das schnelllebige Geschäft ständig ändernden Anforderungen besser gerecht zu werden. Der Betrieb der Umgebung konnte nicht immer transparent dargestellt werden. Die Kosten zu senken oder die Qualität zu steigern wurde immer schwieriger", beschreibt Otto Zeppenfeld, Leiter IT-Betriebs-Management und Qualitätssicherung bei der T-Com.

Seit Anfang des Jahres beziehen die Anwender nun erste Dienste on Demand: "Die T-Com zahlt nur das was sie nutzt, und nicht das, was wir bereitstellen", schildert Michael Auerbach, Mitglied der Geschäftsleitung Computing und Desktop Services bei T-Systems. Erleichtert registrierte Zeppenfeld vor allem die vereinfachte Kommunikation. "Früher gab es bei Mehr- oder Minderleistungen immer Einzelverhandlungen um die Preise", schildert der T-Com-Manager. "Heute haben wir verbindliche Preislisten, aus denen auch die Fachabteilungen ablesen können, was es beispielsweise kostet, wenn eine Applikation zwei neue Batch-Schnittstellen bekommen soll."

Um solch eindeutige Angaben zu erreichen, zerlegten die in das Projekt involvierten IT-Mitarbeiter von T-Systems und T-Com die gesamte IT-Landschaft in Bauteile, so dass sich nach Projektabschluss sämtliche Leistungen dynamisch anmieten und abschalten las-sen sollen. Beraten wurden die Partner von McKinsey. Das Consulting-Haus war von der T-Com ins Boot geholt worden.

Speicher in Ein-Gigabyte-Schritten

Begonnen haben die Experten mit den Speicherdiensten. Je nach Bedarf können die Nutzer in den Fachabteilungen seit Anfang des Jahres Kapazitäten in Ein-Gigabyte-Schritten buchen und zahlen dafür je nach Menge und Qualität. Dazu führten die Partner die drei Serviceklassen "Gold", "Silber" und "Bronze" für den Open-Systems-Betrieb ein. Die zuverlässigsten Speicherressourcen fallen demnach maximal einmal pro Jahr für höchstens 1,75 Stunden aus, das bedeutet eine Verfügbarkeit von 99,98 Prozent. Daten, die auf Festplatten im Bronzestatus gespeichert werden, dürfen bis zu fünfmal per annum für insgesamt acht Stunden nicht erreichbar sein (Verfügbarkeit 99,7 Prozent). Vergleichbare Leistungsklassen gibt es auch in anderen Servicebereichen. Für den Mainframe-Betrieb einigten sich die Partner beispielsweise auf zwei unterschiedliche Qualitätsstufen.

Speicher besser auslasten

Einen konkreten Stückpreis pro Speichereinheit wollten weder T-Systems noch T-Com nennen. Sie orientierten sich bei der Preisfindung am branchentypischen Entgelt. Um dieses zu ermitteln, verpflichteten sie Gartner und Compass als Benchmarking-Dienstleister. Speziell bei der Nutzung der Speicherressourcen wollen sie die gängigen Vergleichswerte mittelfristig unterbieten, indem T-Systems die marktübliche Auslastungsquote von 50 Prozent auf 70 bis 75 Prozent hochschraubt. Weniger brachliegende Festplattkapazität steigert die Effizienz und senkt die Kosten pro Speichereinheit. "Damit sinkt der Preis pro genutzter Speichereinheit automatisch Jahr für Jahr. Verstärkt wird der Preisverfall natürlich auch durch die jährlich günstigeren Marktpreise für Speicher", erläutert T-Systems-Manager Auerbach. Dem Dienstleister beschert dieses Vorhaben außerdem eine bessere Marge.

Neben den Speicherdiensten können die Nutzer seit dem 1. Mai alle Applikationen im Großrechnerbereich bedarfsweise beziehen. "Damit wurden rund 40 Prozent der IT-Infrastruktur auf das neue Modell umgestellt", freut sich Markus Löffler, Senior-Projektleiter im Business Technology Office (BTO) von McKinsey & Company. Der weitere Zeitplan sieht vor, bis Jahresende rund 70 Prozent und bis spätestens Mitte 2005 die gesamte T-Com-IT in das On-Demand-Konzept einzubringen. Gestartet wurde das Pilotvorhaben im Oktober 2003.

Die Grenzen des On-Demand-Modells

Allerdings hat das Vorhaben auch Grenzen. "Bei Mehrbedarf benötigen wir einen gewissen Bestell- und Dispositionsvorlauf. Wenn Abkündigungen erfolgen, muss T-Com uns die Gelegenheit geben, die Kapazitäten an anderer Stelle einzubringen", erklärt Auerbach. Services lassen sich nur innerhalb definierter Rahmengrößen zu- und abschalten, wobei sich diese Toleranz um einen von T-Com prognostizierten Wert herum erstreckt. "Meine Aufgabe ist es unter anderem, aus der Entwicklung des Kerngeschäfts den künftigen Bedarf an IT-Services abzuleiten", schildert Zeppenfeld.

Im Detail verfahren die Partner folgendermaßen: T-Com ist vertraglich dazu verpflichtet, einmal pro Monat eine Prognose über den IT-Services-Bedarf der nächsten drei Monate zu erstellen. Um diesen Wert herum kann T-Com in begrenzten Maße Mehr- und Mindermengen nutzen, die allesamt zum marktüblichen beziehungsweise zwischen den Partnern vereinbarten Basispreis in Rechnung gestellt werden. Bezieht T-Com deutlich weniger oder mehr Services als vorhergesagt und über- oder unterschreitet das Unternehmen den definierten Mengenkorridor, zahlt es einen erhöhten Stückpreis. Stefan Schloter, Projektleiter im Business Technology Office (BTO) von McKinsey, bringt es auf den Punkt: "Preis und Prognose sind gekoppelt." Als weitere Einschränkung hat sich T-Systems ausbedungen, dass T-Com die Menge der georderten IT-Services maximal um 30 Prozent pro Jahr reduzieren darf.

Zudem wurde ein Bonussystem geschaffen, das T-Systems belohnt, die IT über einen längeren Zeitraum fehlerfrei zu betreiben. Wenn die vereinbarten Service-Levels unterschritten werden, setzt es harte Strafen für T-Systems - das ist ein übliches Verfahren. Darüber hinaus wurde ein dem Haftpflichtmodell mit Schadensklassen vergleichbares Verrechnungssystem etabliert, nach dem T-Systems weniger stark zur Kasse gebeten wird, wenn die Güteklassen nicht nur erfüllt, sondern dauerhaft überschritten werden. Schaffen es die T-Systems-Mitarbeiter, die IT-Infrastruktur vier Wochen lang ohne Ausfall zu betreiben, wird ein vorhergegangener einmaliger Ausfall annulliert. "Wir wollen kein Geld mit Störungen verdienen", erläutert Zeppenfeld. "Wir wollen den zuverlässigen Betrieb."

Der T-Com-Manager erhofft sich vom Umstieg auf das bedarfsgerechte Bezugsmodell Einsparungen im zweistelligen MillionenEuro-Bereich beziehungsweise von zehn bis 20 Prozent. Genauer wollte er es nicht sagen. Obwohl der Bonner Carrier als Referenzkunde für das Schwesterunternehmen T-Systems im IT-Services-Markt das On-Demand-Angebot vermarkten wird, sind die Erfahrungen nicht ohne Anpassungen auf andere Kunden übertragbar. "Dazu sind die IT-Installationen zu individuell", schränkt Auerbach ein. "Das Grundkonzept lässt sich aber übernehmen. Mit T-Mobile laufen derzeit Gespräche." Erleichternd für den Betrieb des ersten Großprojekts war und ist sicher, dass T-Com und T-Systems Schwestergesellschaften sind, denn letzten Endes dürfte immer das Controlling der Deutschen Telekom AG auf eine Entscheidung drängen. Dazu ist es bis dato noch nicht gekommen, obwohl zum Teil in langen Nachtsitzungen um Preise, Parameter und Qualitätsstufen gefeilscht wurde. Oftmals, so die Projektpartner, habe die Müdigkeit sie zu pragmatischen Lösungen getrieben.

Projektsteckbrief

Projektart: T-Com stellt die gesamte IT-Infrastruktur auf ein On-Demand-Modell um.

Branche: Telekommunikation.

Zeitrahmen: Start des Piloten im Oktober 2003, voraussichtlicher Abschluss 2005.

Stand heute: Speicherressourcen und Mainframe-Applikationen stehen für die Nutzer bedarfsgerecht zur Verfügung.

Aufwand: keine Angaben.

Dienstleister: T-Systems als Betreiber und Lieferant der IT-Dienste, McKinsey als Beratungshaus für das Transformationsprojekt.

Umfang: 1,3 Petabyte Speicher, 25000 MIPS Rechenleistung, rund 3000 Server, etwa 120000 Arbeitsplatz-PCs und bis zu 500 Applikationen.

Ergebnis: Kostenersparnis, Transparenz des IT-Budgets, mehr Flexibilität, die IT-Nutzung wird an die Unternehmensentwicklung gekoppelt.

Herausforderung: Die gesamte IT-Landschaft muss in einzelne Bauteile zerlegt werden. Für jeden einzelnen Dienst sind marktgängige Preise und Serviceklassen erforderlich. Zudem müssen die Partner T-Systems und T-Com einheitliche Kontroll- und Berichtsprozesse etablieren.

Abb: Preis und Prognose sind gekoppelt

Bleibt der Verbrauch innerhalb des prognostizierten Korridors gilt der vereinbarte Basispreis. Bei Mehr- oder Minderabnahme steigt der Stückpreis. Quelle: T-Com, T-Systems, McKinsey