Web

Systems: Open-Source-Diskussion erhitzt die Gemüter

16.10.2002
Besucher der Systems erlebten am Montag im Rahmen einer Podiumsdiskussion im E-Business-Forum einen harten Schlagabtausch zwischen Open-Source-Befürwortern und dem Microsoft-Management.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Besucher der Systems erlebten am Montag im Rahmen einer Podiumsdiskussion im E-Business-Forum einen harten Schlagabtausch zwischen Open-Source-Befürwortern und dem Microsoft-Management. Insbesondere die Frage nach den Kosten erhitzte die Gemüter.

Viele Podiumsdiskussionen leiden darunter, dass sich die Beteiligten mehr oder weniger charmant die Bälle zuspielen und so ihre Zuhörer allmählich einschläfern. Ganz anders dagegen die Veranstaltung zum Thema "Open Source - Allheilmittel gegen Kostendruck und Herstellerabhängigkeit?", mit der CW-Redakteur Wolfgang Herrmann auf der diesjährigen Systems die Diskussionsreihe der COMPUTERWOCHE auf dem E-Business-Forum eröffnete.

Foto: Joachim Wendler
Foto: Joachim Wendler

Zum ersten Eklat kam es nach einem Statement von Walter Seemayer, Microsofts Director .Net Strategy & Developer Group. Auf die Frage, ob sich durch den Einsatz von Linux Kosten sparen lassen, hatte er darauf hingewiesen, dass ein Umstieg erst einmal mit höheren Kosten verbunden sei. Boris Nalbach, Chief Technology Officer der Suse Linux AG, verstieg sich daraufhin zu einem gewagten Vergleich: "Das ist, als wenn ich heroinsüchtig wäre und sagen würde, die Entziehungskur ist mir zu aufwändig. Also lasse ich es lieber bleiben." Nach heftigem Protest Seemayers räumte Nalbach ein, dass ein Wechsel unstrittig mit Kosten verbunden sei, viele Anwender dies aber wegen der langfristigen Vorteile in Kauf nähmen.

Begonnen hatte die Diskussion eigentlich ganz friedlich. Carlo Velten, Berater der Techconsult GmbH und Verfasser einer Studie zum Linux-Einsatz in Deutschland, attestierte eine große Erwartungshaltung der Anwender. Rund 60 Prozent der befragten Unternehmen hätten angegeben, sie erhofften sich durch den Einsatz von Linux deutliche Spareffekte. Dabei zeichneten sich zwei Trends ab. Zum einen ersetzten Unternehmen zunehmend heterogene Unix-Systeme auf Großrechnern durch Linuxpartitionen; zum anderen würden auch immer häufiger einfache Dienste, die auf Intel-basierenden Rechnern unter Windows laufen, durch Linux-Installationen abgelöst. Das bestätigte auch Markus Huber-Graul, Senior Consultant der Meta Group. Dabei spielten nicht nur geringere Anschaffungskosten eine Rolle, sondern auch Vorteile beim Support und in der Administration, insbesondere bei großen Installationen, die remote verwaltet würden. "Im Highend- und Rechenzentrumsbetrieb wird Open Source

dagegen noch kaum eingesetzt", schränkte Huber-Graul ein.

Dem widersprach Harry Lammich, IT-Leiter der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM) und langjähriger Linux-Anwender: "Der Kostenvorteil kommt erst richtig zum Tragen, wenn wir Linux in das Rechenzentrum bekommen." Sein Unternehmen betreibt unter anderem Web-Application-Server für SAP-Anwendungen unter Linux auf einem Mainframe und setzt darauf derzeit eine Portalanwendung auf. "Windows NT/2000/XP ist für uns die teuerste Plattform schlechthin", behauptete Lammich. Einfache Dienste wie Services gehörten nicht mehr auf diese Systeme. Applikationen, die für Windows-Plattformen entworfen sind, will Lammich aber weiterhin dort betreiben.

Die Podiumsteilnehmer waren sich weitgehend einig, dass pauschale Aussagen zu den Kosten schwierig seien. Wie sich ein Linux-Einsatz kostenseitig auswirke, hänge stark vom einzelnen Unternehmen und dessen Infrastruktur ab, so Velten. Außerdem komme es darauf an, wie viel Linux-Know-how in der Anwenderorganisation vorhanden sei. Microsoft-Mann Seemayer gab - wie eingangs erwähnt - zu bedenken, dass nicht nur Total-Cost-of-Ownership-wirksame Ausgaben eingerechnet werden müssten, sondern auch die Investitionen für den Umstieg auf eine neue Plattform. Im Übrigen seien Windows-Umgebungen einfacher zu administrieren, weil die entsprechenden Tools und Applikations-Server besser integriert seien.

Marktforscher Velten fügte hinzu, in den meisten Unternehmen sei derzeit noch zu wenig Know-how vorhanden, um technische und finanzielle Fragen eines Linux-Einsatzes richtig zu bewerten. Künftig würde aber verstärkt entsprechendes Wissen durch Universitätsabgänger in die Unternehmen hieneingetragen. Meta-Group-Berater Huber-Graul nannte als weiteren belebenden Faktor auch die Versuche der öffentlichen Hand, den Einsatz von Linux voranzutreiben.

Laut Seemayer geht es beim Kostensparen im Kern nicht um den Wechsel auf eine alternative Plattform, sondern darum, bestehende Systeme besser zu verknüpfen, um damit bereits getätigte Investitionen zu schützen. Microsoft setze daher verstärkt auf offene Standards wie XML und Soap. Der Meinung, Standards seien gut für die gesamte IT-Welt, wollte Suse-Mann Nalbach noch zustimmen, jedoch nicht, ohne sie sofort zu relativieren: "Nur in der Open-Source-Welt sind die Standards wirklich offen. Auch wir unterstützen XML und Soap." Microsoft dagegen definiere Standards, nach denen sich alle anderen zu richten hätten.

Seemayer unterstrich seinen neuerlichen Protest mit dem Hinweis, dass Microsoft in Standardisierungsgremien eng mit anderen Herstellern wie IBM oder Sun zusammenarbeite. "Ich sehe nicht, wo Microsoft die Standards definiert", so der Microsoft-Vertreter empört. Linux-Anwender Lammich dagegen schloss sich der Meinung Nalbachs weitgehend an. "Ich verfolge die Diskussionen der Hersteller untereinander mit Skepsis, insbesondere wenn eine Company einen einfachen Browser so mit ihrem Betriebssystem verknüpft, dass selbst das Internet nicht mehr offen ist", so der CIO des Energiedienstleisters. (rg)