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Warum Messechef Klaus Dittrich trotz neuem Negativrekord bei den Ausstellernzahlen optimistisch bleibt

Systems: Eine Messe sucht ihr Profil

10.10.2003
Die Systems-Macher üben sich in Durchhalteparolen: Der bevorstehende Aufschwung, der Mittelstand, das Thema neue Medien sowie ein endlich schlüssiges Gesamtkonzept sollen die Münchner IT-Messe auf Kurs bringen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit dem Rekordjahr 2000 geht es bei der Systems in puncto Besucher- und Ausstellerzahlen kontinuierlich bergab. Doch die Messemacher üben sich in Durchhalteparolen: Der bevorstehende Aufschwung, der Mittelstand, das Thema neue Medien sowie ein endlich schlüssiges Gesamtkonzept sollen es nun richten.

Messechef Klaus Dittrich erwartet für dieses Jahr nicht viel, ist aber langfristig optimistisch.
Messechef Klaus Dittrich erwartet für dieses Jahr nicht viel, ist aber langfristig optimistisch.

Herbststimmung macht sich breit: Wer Klaus Dittrich, Geschäftsführer der Messe München International, dieser Tage in seinem Büro im obersten Stockwerk des Messehauses in München-Riem besucht, blickt nicht nur auf die Silhouette der bayerischen Landeshauptstadt, sondern auch auf ein Messegelände, das auf seltsame Weise ruhig, ja geradezu apathisch wirkt. Die langen Flure, die zu den rechts und links gelegenen Hallen führen, sind leer, die Rolltreppen stehen, lediglich ein paar Handwerker und eine Putzkolonne sorgen für etwas Leben.

Nicht ganz so ruhig wird es vom 20. bis 24. Oktober zugehen, wenn die Systems 2003 ihre Pforten öffnet. Allerdings geben die Zahlen, die die Messe München nun veröffentlicht hat, wenig Anlass zur Euphorie. Demnach haben 1250 Aussteller ihre Beteiligung fest zugesagt. Immerhin sind das acht Prozent mehr, als Dittrich noch vor gut einem Monat in Aussicht stellen konnte. "Es kommt Bewegung in den Markt", kommentiert der Messechef diesen "Kraftakt", den er selbst und seine Vertriebsleute in den letzten Wochen vollbracht haben. Ein Teil der Unternehmen habe eben die Sommerpause noch abgewartet und sich dann "kurzfristig entschieden".

Welch bösen Schlag ins Kontor die Zahl der für dieses Jahr gemeldeten Aussteller jedoch wirklich bedeutet, macht ein kurzer Blick in die Statistik deutlich: Gegenüber dem Boom- und Rekordjahr 2000, als fast 3300 Firmen den Weg nach München fanden, bedeutet der aktuelle Stand ein Minus von 65 Prozent. Im Jahr 2001, als die Krise in der IT-Industrie erstmals spürbar wurde, waren es knapp 2600 Aussteller, im vergangenen Jahr 1600. Negativrekord heißt es hierzu reihum in der Presse; böse Zungen sprechen gar vom "freien Fall", in den die Systems mittlerweile übergegangen sei. Den Ernst der Lage verdeutlichen auch andere Zahlen. Nur noch 80.000 Besucher wurden 2002 registriert, ein Fünftel weniger als 2001. Was die Besucherstatistik 2003 angeht, gibt sich Dittrich deshalb keinen Illusionen hin: "Wenn wir weniger Aussteller haben, darf man am Schluss nicht überrascht sein, wenn es auch wieder weniger Besucher sind." Zum Vergleich: Bereits 1995, als die Systems

mit der seinerzeit integrierten Systec erstmals im jährlichen Turnus stattfand, hatte es immerhin 116.000 IT-Professsionals auf das alte Münchner Messegelände unter der Bavaria gezogen.

Sucht man nach den Ursachen für die Misere, lassen sich kaum neue Erkenntnisse finden. Weltweit weht den IT-Messen angesichts der anhaltenden Branchenkrise der Wind kräftig ins Gesicht; die Pleite des Comdex-Veranstalters Key3Media ist noch in aller Munde. Unzählige New-Economy-Firmen und damit auch zahlende Aussteller sind inzwischen wieder von der Bildfläche verschwunden, viele Messeauftritte fielen aber auch den drastisch gekappten Marketing-Budgets der Hersteller zum Opfer. Die Kosten-Nutzen-Relation vieler Messen stimmt nicht mehr, heißt es unisono - ein Problem, vor dem selbst "Muss"-Events wie die CeBIT stehen, erst recht aber kleinere Veranstaltungen wie die Systems, der seit Jahren vor allem eines fehlt: ein eigenständiges Profil.

Zukunft als regionale Branchenmesse

Messechef Dittrich macht daraus keinen Hehl: "Das Kernproblem der Systems in den vergangenen Jahren war, dass sie viel zu nahe an der CeBIT positioniert war", übt er indirekt Kritik an seinem Ende Januar in den Ruhestand gewechselten Vorgänger Joachim Enßlin. Dieser propagierte den "Herbstgipfel" der deutschen IT-Szene in München immer als (auch ökonomisch erfolgreiches) Pendant zu Hannover, hatte sich dabei aber mit zahlreichen Änderungen am Messekonzept verzettelt, indem er stets zwischen den nur schwer miteinander zu vereinbarenden Ansätzen eines reinen Fachbesucher-Events und einer Kongressmesse lavierte. Zumindest mit der Illusion, der CeBIT quasi auf Augenhöhe zu begegnen, will Dittrich nun aber endgültig aufräumen. Offenbar getrieben von der Flut an Herstellerabsagen, hat seine Mannschaft eilig einen neuen Masterplan aus dem Boden gestampft, dessen Arbeitstitel wohl lauten müsste: "Die Zukunft der Systems als Branchenmesse mit regionalem Fokus

unter besonderer Würdigung des Mittelstandes".

Konkret geht es den Systems-Machern um Folgendes: München ist und bleibt einer der wichtigsten IT-Standorte weltweit. Viele Firmen müssten laut Dittrich "andere Aktivitäten" entwickeln, wenn es die Systems nicht gäbe. Eine Absage der Systems oder der Wechsel auf einen wieder zweijährigen Turnus komme deshalb "nicht in Betracht". Vielmehr werde der reine B-to-B-Charakter der Messe durch zielgruppenspezifische Angebote sowohl für das gehobene IT-Management (UMTS-Kongress, Executive Lounge) als auch für den Mittelstand (Mittelstandsforum) erhalten und ausgebaut. Die letztgenannte Klientel, die im vergangenen Jahr 63 Prozent der Besucher ausmachte, soll zudem mit "Paketen" wie speziell arrangierten Messerundgängen noch stärker geködert werden. Ferner konzentriere man sich künftig beim eigenen Marketing regional auf einen Umkreis von 500 Kilometern um München.

Dass die Systems im Vergleich zu anderen Regionalmessen derzeit immer noch als der Einäugige unter den Blinden gilt, reicht Dittrich nicht. Sein Anspruch ist und bleibt höher. Die absolute Zahl der Besucher sei das eine. Die entscheidende Frage sei aber: "Wer kommt?" Schließlich habe mehr als die Hälfte aller Besucher im vergangenen Jahr angegeben, außer der Systems keine andere IT-Messe zu besuchen. Summa summarum spreche man von einem Investitionsvolumen von rund zehn Milliarden Euro. Das dokumentiere den "unverändert hohen Anteil an Entscheidern".

Umgekehrt zeigen Absagen wie die der Internet World in Berlin (deren Restbestände in die Systems integriert wurden) oder der Ifabo in Wien, dass es für die Münchner angesichts der konjukturellen Tristesse noch hätte weitaus schlimmer kommen können. Auch die Orbit in Zürich sei, wie Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder den Systems-Machern zur Seite springt, "nur noch ein Schatten ihrer selbst". Für den deutschen IuK-Dachverband stehe die Systems nicht zur Disposition, unterstreicht Rohleder - wenn sie sich in Zukunft "mit vergleichbaren Veranstaltungen benchmarken lässt und sich als IT-Messe für die Dachregion München etabliert".

In diesem Herbst ist aber für die Systems noch Überwintern angesagt. Nur noch sieben statt wie im Vorjahr acht belegte Hallen lassen auf einen weiteren drastischen Schwund bei der Ausstellungsfläche schließen. Fast alle großen Herstellernamen seien zwar vertreten, aber mit zum Teil deutlich kleineren Ständen, gibt Dittrich zu. Andererseits verzeichne er auch Signale, die hoffnungsvoll stimmten. Ebay beispielsweise habe seine Standfläche verdoppelt, und die "Security Area" verbuche in diesem Jahr die Rekordzahl von 180 Ausstellern. Weitere konkrete Zahlen zur Systems 2003 wolle man aber erst kommende Woche veröffentlichen. Auf der Messe selbst werde man dann das Konzept für die Systems 2004 vorstellen, das vor allem eine weitaus engere Verzahnung mit dem Bereich Neue Medien beinhalten werde. Spätestens dann sei die Systems, daran lässt der Messechef keinen Zweifel, "wieder auf Wachstum programmiert". (gh)