Systems: Besucherrekord und kurze Wege

30.10.1998

Die Messegesellschaft hat ihr Ziel erreicht. 600 zusätzliche Aussteller und ein Plus von 21000 Messebesuchern lassen sich als Renaissance einer bereits etwas abgelebten Regionalmessse deuten. Der Erfolg könnte aber auch damit zusammenhängen, daß einige der bislang abstinenten Aussteller wie HP, Softlab oder Epson die Attraktivität des neuen Geländes testen. Für diese Interpretation spricht, daß sich etwa die Münchner BMW-Tochter Softlab von der Messegesellschaft nicht durch einen fünfprozentigen Preisnachlaß zu einer Zusage für das kommende Jahr hat verlocken lassen. Nichts entschieden ist bislang auch bei Compaq. Der Hersteller hat in diesem Jahr die bestehende Zusage der neuen Konzerntochter Digital Equipment genutzt, um sich in seiner neuen Rolle als Rundumanbieter vorzustellen. Über eine Präsenz im nächsten Jahr ist noch nicht entschieden.

Solche Überlegungen ändern jedoch wenig daran, daß die Systems von Ausstellern wie Besuchern gute Noten erhalten hat. So hat sich das Konzept der Messen in der Messe bewährt. Für die Qualität und die Organisation der über die Hallen verteilten Unterveranstaltungen, in der Regel Diskussionsforen, stehen dabei Messepartner gerade. Die Messegesellschaft ist zudem froh, dieses aufwendige Geschäft abtreten zu können, weil insbesondere der Kongreßbereich in den vergangenen Jahren immer weniger frequentiert wurde. Das hat sich dank des Engagements der neuen Veranstalter und der Plazierung direkt in den Hallen grundlegend geändert. "Wir sind keine Kongreßmesse mehr, sondern eine Messe mit viel Programm", lobt Joachim Enßlin, Geschäftsführer der Messe München, seine Arbeit.

Auf Gegenliebe stieß auch das Konzept, nicht nur rein technische Themen anzusprechen. Aus Sicht der COMPUTERWOCHE besonders erfreulich war, daß sich das vom Verlag ausgerichtete Zentrum für Jobs und Karriere als Publikumsmagnet erwies. Hier wurden nicht nur Jobs vermittelt, sondern auch zum Teil heftige Diskussionen ausgetragen. Laut Messegesellschaft haben bereits 95 der dort engagierten Unternehmen eine Teilnahme für nächstes Jahr zugesagt.

Etwas zu kurz gekommen ist allerdings das seit Jahren gut besuchte Systems-Studio. Dessen Aufgabe ist, über den produkttechnischen Bereich hinausgehende wirtschaftliche und technologische Zusammenhänge zu diskutieren. Die Veranstalter hatten gehofft, damit die wenig frequentierte Halle B2 für Peripheriegeräte mit Leben zu füllen. Tatsächlich konnten die teils recht lebhaften Diskussionen immer wieder zufällig vorbeikommende Besucher anlocken. Für einen echten Publikumserfolg fehlte es jedoch an Werbung durch die Messeorganisation.

Weit über die reinen DV-Belange hinaus reicht die Bedeutung des Messeschwerpunkts zur Jahr-2000- und Euro-Umstellung. Hier leisteten in Halle A3 die Anbieter kaufmännischer Software und der Verband der Softwareindustrie (VSI) wichtige Aufklärungsarbeit vor allem beim Mittelstand. Nach einer Web-Umfrage von Sage KHK haben erst rund 3,4 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen ein Budget für die Euro- und Jahr-2000-Umstellung bereitgestellt. Mehr als die Hälfte der rund 10000 Unternehmen, die sich auf der KHK-Seite meldeten, haben noch gar nichts unternommen - noch nicht einmal ein Seminar zu dem Thema besucht. Auf der Messe jedoch, so versichert VSI-Geschäftsführer Johannes Krüger, sei der Andrang bei Vorträgen zur Bewältigung des Jahr-2000-Wechsels gewaltig gewesen, während die Euro-Einführung daneben eher ein Randthema blieb. Im Vorjahr war der Verband mit einem eigenen Jahr-2000-Forum noch auf zurückhaltendes Interesse gestoßen.

Besonders viel zum Erfolg beigetragen hat die ausgeklügelte Architektur des Messegeländes. Die zwei einander gegenüberliegenden Reihen von Messehallen ersparten den Besuchern lange Wege und sorgten für einfache Orientierung. Der zusätzliche Platz wurde von den Veranstaltern klug zu einer Neugruppierung der Inhalte genutzt. So waren im A-Trakt softwarelastige Basistechniken und Anwendungen sowie Internet-Produkte untergebracht, während der B-Trakt mit Computern und Telecom-Systemen sowie dem Fertigungsbereich mehr den hardwarenahen Lösungen gewidmet war.

Die Attraktivität des Messegeländes rührt auch von seiner modernen technischen Ausstattung her. Ärger gab es jedoch in den ersten Tagen mit der ISDN-Anbindung. Zwar hatte die Messegesellschaft ihr Versprechen wahr gemacht, jedem Stand eine Leitung zur Verfügung zu stellen. Offenbar hatte man jedoch nicht damit gerechnet, daß viele Aussteller, insbesondere in der Online-Halle (A5), weit mehr Anschlüsse brauchten.

Schon am Sonntag standen die Aussteller deswegen beim Veranstalter Schlange, gelöst wurde das Problem jedoch erst bis Montag abend, so daß die Online-Halle zu Messebeginn weitgehend offline geschaltet war. "Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht", erzählt Michael Weyer, Marketier der Dortmunder Uniorg GmbH. Das Systemhaus führte eine Web-Lösung vor, die direkt auf die betriebswirtschaftlichen R/2- und R/3-Pakete von der SAP AG zugreift. Am Montag führte man den Offline-Betrieb für Intranets vor und lud die Besucher ein, am Folgetag die Online-Unterschiede zu besichtigen.

Nicht auf das Konto der Messegesellschaft gingen die Verkehrsprobleme, die dazu führten, daß sich die Messe meist erst ab Mittag zu füllen begann. Schuld daran ist zum Teil der für die Besucher noch ungewohnte und vor allem im Vergleich zum zentral gelegenen früheren Gelände über der Theresienwiese weit längere Anfahrtsweg. Besucher, die nur für einen Tag anreisten und sich per Taxi vom Flughafen zur Messe bringen ließen, hatten kaum eine Möglichkeit, den morgendlichen Berufsverkehr zu umgehen. Daß der Stau unvermeidlich war, lag auch daran, daß sich die Fertigstellung der geplanten Messe-U-Bahn wegen eines tragischen Busunglücks im September 1994 auf Anfang nächsten Jahres verzögert. Pech hatten auch die Messebesucher, die sich dennoch auf den öffentlichen Schienenverkehr verließen. Der Defekt einer Signalanlage legte am Dienstag vormittag für über eine Stunde den Verkehr in Richtung Messe lahm.

Die Stimmung auf der Messe läßt sich am besten mit den Adjektiven nüchtern und ruhig beschreiben. Einen Ansturm auf die Kassen wie ihn die Branche in früheren Jahren auf dem Messegelände hinter der Bavaria erlebt hatte, hat es in diesem Jahr nicht gegeben. An den das Laufpublikum abschreckenden Preisen von 40 Mark für den Katalog und 48 Mark für die Tageskarte lag es offenbar nicht, wenn man der Besucherstatistik glaubt. Vielleicht ist es daher der gelungenen Aufteilung der Messe-Inhalte auf die einzelnen Hallen zuzuschreiben, daß die große Vorhalle und der Hauptverbindungsgang mit den praktischen Förderbändern etwas unbelebt wirkten.

Die Systems bleibt eine Regionalmesse. Dazu bekennen sich inzwischen auch die Veranstalter. Tatsächlich kamen nur 183 von 2371 Ausstellern aus dem Ausland, wobei allerdings große Ableger wie etwa die IBM als deutsche Firmen lagen die USA mit insgesamt 33 Ausstellern an der Spitze vor Österreich und Großbritannien (23). Quelle: Messe München