Systems 2004 - eine Zitterpartie

15.10.2004
Seit Jahren muss die Systems Negativrekorde melden, was Aussteller und Besucher betrifft. Auch "Leitmessen" wie die CeBIT geraten in Schwierigkeiten. Mehr denn je ist ein klares Profil angesagt.

Von CW-Redakteur Gerhard Holzwart

Vergnügungssteuerpflichtig ist der Job von Klaus Dittrich wahrlich nicht. Seit Jahren muss der Geschäftsführer der Messe München International die Systems schönreden. Auch für die nächste Woche beginnende Systems 2004 konnte Dittrich nichts Neues berichten: Eine Halle weniger als im Vorjahr, weniger Ausstellungsfläche, vermutlich auch wieder weniger Aussteller, Besucherzahl großes Fragezeichen. Trotzdem gibt sich der Systems-Verantwortliche optimistisch. Man habe den Anspruch der Messe, "das Arbeitszimmer und nicht in erster Linie das Schaufenster der IT-Branche zu sein", weiterentwickelt. "Wir wollen die Entscheider, und wir haben sie", so Dittrich.

Neben entsprechenden Besucherstatistiken, die seine Aussage stützen, dürfte es dem Münchner Messe-Manager sehr zupass gekommen sein, dass in den letzten Tagen neben der Systems auch deren großer Wettbewerber in Hannover in die Schlagzeilen geraten ist. Zu verdanken haben die CeBIT-Verantwortlichen dies in erster Linie Microsoft. Deutschland-Statthalter Jürgen Gallmann hatte öffentlich geäußert, der CeBIT-Auftritt 2005 des Unternehmens stehe "auf dem Prüfstand". Ernst Raue, für die CeBIT verantwortlicher Vorstand der Deutschen Messe AG, wird es in der Folge nur bedingt geholfen haben, dass Microsoft-CEO Steve Ballmer höchstpersönlich inzwischen Gallmann etwas zurückgepfiffen hat. Auch so könnte nämlich eine Lawine weiterer Absagen losgetreten worden sein. Peoplesoft hat bereits angekündigt, nicht zu kommen; Alcatel und Nortel Networks denken zumindest darüber nach.

Schon im vergangenen Jahr hatte die CeBIT mit Hewlett-Packard (HP), Borland, Oki und Canon prominente Aussteller verloren. Andere große Anbieter wie Dell, Apple, Oracle, Siebel, EDS oder Adobe werden weiterhin fehlen. Die Motive, die die Hersteller zum Rückzug vom Hannoveraner Messetrubel veranlassen, spiegeln sich in der jüngsten Begründung von Peoplesoft trefflich wider. "Der orientierungslose ,All-you-can-see-and-eat-in-it'-Ansatz der Messe deckt sich einfach nicht mehr mit dem Informationsbedürfnis unserer Kunden", argumentierte der für Deutschland zuständige Marketing-Chef Dieter Roskoni. Hatte also Microsoft-Geschäftsführer Gallmann doch Recht, indem er mit Blick auf die CeBIT und die Systems öffentlich über den Sinn von "Wald-und-Wiesen-Messen" räsonierte?

Gallmann hatte jedenfalls für die Münchner schon im Juni eine böse Überraschung parat, als er die Standfläche seiner Company auf der Systems plötzlich von 1200 (wie im Vorjahr) auf 60 Quadratmeter reduzierte. Der Vorwurf mangelnder Fokusssierung trifft Systems-Chef Dittrich allerdings nicht sonderlich hart. So zeigten sich seine Aussteller im vergangenen Jahr mit dem Niveau der Besucher reihum zufrieden. 89 Prozent der knapp 72 000 Besucher seien als Entscheider identifiziert worden, ein Fünftel davon verfügte über ein jährliches Investitionsvolumen von mehr als 500 000 Euro, 68 Prozent gaben an, auf keine andere ITK-Fachmesse als die Systems zu gehen, zitiert Dittrich aus einer Untersuchung von NFO Infratest. Sein Fazit: "Auf der Systems werden die Geschäfte gemacht."

"Und nicht auf der CeBIT", möchte er wohl am liebsten ergänzen, vermeidet aber zu harsche Wettbewerbsschelte. Trotzdem merkt er mit Bezug auf die große norddeutsche Schwester an: "Es wäre für uns ein Leichtes, die Tore zu öffnen und zu sagen: Kommt alle, die ihr Interesse an IT habt! Dann würde die absolute Besucherzahl stimmen, nicht aber unser Konzept." Nach längeren Versuchsreihen scheinen sich die Münchner tatsächlich in den beiden vergangenen Jahren auf eine schlüssige Strategie für die Systems festgelegt zu haben: reine B-to-B-Ausrichtung, Konzentration auf den Mittelstand, Präsentation von Lösungen statt Technologien mit Hilfe von Musterbeispielen und so genannten Guided Tours sowie die Fokussierung auf die Einzugsgebiete Bayern, Baden-Württemberg, Österreich, Schweiz sowie die neuen EU-Staaten in Mittel- und Osteuropa.

Dabei scheuten die Münchner keine Kosten und Mühen. So können österreichische IT-Professionals für weniger als 100 Euro (inklusive Messeeintritt) morgens den Flieger aus Wien nehmen und abends wieder nach Hause zurückkehren. Mit rund 20 Bussen werden zudem Besucher aus Ländern wie Tschechien, Ungarn und Lettland kostenlos nach München gebracht. Thematisch setzen die Münchner vor allem auf das Trendthema IT-Security. Gut 200 Aussteller aus diesem Segment kommen nach München; Messechef Dittrich spricht von der "bundesweit größten Leistungssschau in puncto IT-Sicherheit".

Dennoch dürfte dieser Herbst für die Systems einmal mehr zur Zitterpartie werden. Dittrich gibt unumwunden zu, dass der Rückzug Microsofts samt seinen rund 50 Partnern ein Schlag ins Kontor war. Das Ziel, wie im Vorjahr rund 1300 Aussteller an die Isar zu locken, werde man deshalb "vermutlich nicht ganz erreichen".

Hinzu kommt die nach wie vor flaue Konjunktur in der IT-Branche. Erst für nächstes Jahr prognostiziert der Branchenverband Bitkom wieder ein nennenswertes Wachstum von über drei Prozent. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält Zweifel an der Daseinsberechtigung der Systems trotzdem für abwegig. Ungeachtet ihrer seit Jahren stark rückläufigen Aussteller- und Besucherzahlen gehöre sie immer noch "zu den weltweit zehn größten IT-Messen". Dass sich solch eine Aussage nach der Pleite einer ehemals bedeutsamen IT-Messe wie der Comdex etwas relativiert, bestätigt der Bitkom-Sprecher indirekt, indem er feststellt: "Die Systems hat gut daran getan, sich von der Vorstellung zu verabschieden, als große deutsche Herbstmesse mit der CeBIT auf Augenhöhe konkurrieren zu können."

Zumindest einiges könnte also dafür sprechen, dass die Systems mit ihrem Konzept der Spezialisierung und der Abkehr vom Charakter eines Massen-Events richtig liegt - allerdings müssen die Münchner dies mit entsprechendem Wachstum noch belegen. Nur wenige Großveranstaltungen wie die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas segeln derzeit auf Erfolgskurs. Grundsätzlich aber ist "Genosse Trend" derzeit kein Freund der traditionellen Messeveranstalter. Vielmehr haben Hausmessen oder Kundenveranstaltungen wie "Saphire", "Apple Expo" oder "Infoexchange" bei den IT-Herstellern Hochkonjunktur. Die Budgets für einen Messeauftritt stehen auf dem Prüfstand, strikte Erfolgskontrolle in Form so genannter Sales Leads ist angesagt.

Um so mehr freut sich Dittrich dieses Jahr über prominente Rückkehrer beziehungsweise Neuzugänge, darunter Sage Software, Softlab oder Giesecke & Devrient. Mittelfristig bessern sich die momentan für die Messewirtschaft schwierigen Zeiten ohnehin wieder, glaubt der Systems-Chef. Ein eigener Kunden-Event müsse sich für den jeweiligen Hersteller "am Ende des Tages auch rechnen und ist im Ergebnis nicht zwangsläufig besser". Die Systems werde sich jedenfalls weiterentwickeln - inhaltlich und auch wieder in absoluten Zahlen.

Systems 2004 im Überblick

Dauer: vom 18. bis 22. Oktober.

Ort: Neue Messe München.

Schwerpunkt Mittelstand: Halle B3, mit Mittelstandsforum, Software-Marktplatz sowie begehbarer "Musterfirma".

Schwerpunkt IT-Sicherheit: Halle B2, mit Informationsforen, Hacker-Demos und täglichem "High-Noon"-Thema.

Schwerpunkt Digital Media & Technology:

Halle B1, in Kooperation mit den Medientagen München, Themen unter anderem: schneller Internet-Zugang, Telefon-Mehrwertdienste, Digital Store Merchandising, digitale Fotografie und Druck.

Statistik: Systems versus CeBIT

Systems / Aussteller / Besucher / Ausstellungsfläche* / CeBIT / Aussteller / Besucher / Ausstelllungsfläche* * Angaben in m2

2000 / 3246 / 146 947 / 158 000 / 7892 / 782 010 / 417 535

2001 / 2165 / 117 231 / 158 000 / 8093 / 840 891 / 431 875

2002 / 1670 / 72 950 / 88 000 / 7264 / 673 992 / 397 008

2003 / 1302 / 71 790 / 77 000 / 6602 / 556 248 / 347 612

2004 / k.A / k.A. / 66 000 / 6109 / 489 230 / 312 539