SpeichersystemeDer Markt für automatisierte Speichersysteme

Systeme für alle (Aus)fälle

10.10.1997

Der heutige Markt für Bandspeicherlösungen bietet eine Vielfalt an Produkten, um die Anforderungen an die Datenspeicherung und das Daten-Retrieval einfacher, schneller und zuverlässiger zu lösen. Selbst IT-Manager stehen angesichts der Komplexität und des verwirrenden Angebotsspektrums vor dem Problem, in einer Zeit schrumpfender Budgets die beste Leistung für ihre Investitionen zu erhalten.

Durch automatische Bandspeichersysteme lassen sich Dutzende oder gar Tausende von Kassetten nach vorprogrammierten Routinen automatisch kontrolliert und somit enorme Speicherkapazitäten ohne Bedienereingriffe verwalten. Mit einem solchen Kapazitätsumfang kann ein einziges automatisiertes Bandgerät die Backup-Aufgaben für alle Server und Workstations im Netz be- wältigen oder Terabyte als Archivspeicher für unternehmenskritische Daten zur Verfügung stellen.

Hatte man bisher nur die Wahl zwischen 8mm- und DAT-Wechselsystemen oder großen Bandbibliotheken der Mainframe-Klasse, gibt es derzeit eine überwältigende Auswahl an Produkten im Midrange-Bereich.

Neue Entwicklungen bei vorhandenen Technologien, wie DDS3 für 4mm und Travan für 0,25-Zoll, bieten noch mehr Alternativen. Diese Technologien werden meist in Anwendungen mit einem einzigen Laufwerk genutzt, eignen sich aber nicht generell als Basis für ein Robotik-System, das höhere Kapazitäten und Performance-Werte voraussetzt. Die im Augenblick verfügbaren Systeme lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilen: Libraries/ Bibliothekssysteme und Archivspeichersysteme. Erstere sind komplexere Systeme, die leistungsorientierter und teurer als reine Archivspeicherlösungen sind. Sie verfügen typischerweise über mehrere Laufwerke, um den Datendurchsatz zu erhöhen. Viele Systeme bieten auch eine modulare Erweiterbarkeit oder Skalierbarkeit bis zu einem gewissen Grad und können damit nach und nach mit zusätzlichen Laufwerken, weiteren Kassetten und höherer Funktionalität den steigenden Anforderungen angepaßt werden.

Trotzdem ist der Anwender gut beraten, nicht mehr Kapazitäten anzuschaffen, als wirklich nötig sind. Die komplexen Midrange-Bandbibliothekssysteme mit umfassenden Kapazitäten, wie mehreren Laufwerken für höheren Datendurchsatz, moderner Robotik und Barcodefunktionen für das Medien-Management scheinen auf den ersten Blick sehr verlockend, sind aber für die individuellen Anforderungen des Unternehmens nicht entscheidend. Diese Systeme werden meist als universelle Lösung positioniert - aber das Motto "One size fits all" entspricht kaum der Realität.

Nicht selten muß der Kunde feststellen, daß er für Funktionen bezahlt hat, die eigentlich für die momentanen Anwendungen nicht erforderlich sind oder sein System den gegenwärtigen Anforderungen nicht gerecht wird, geschweige denn einen Wachstumspfad für steigende Bedürfnisse bietet.

Mit der Ausweitung des Marktes für automatisierte Bandsy- steme zeichnet sich eine Segmentierung der Technologie nach Anwendungslinien ab, wie Backup, Archivierung oder HSM (Hierarchical Storage Management). Bei großen Installationen ist auch die Bedeutung des Datenaustauschs in Betracht zu ziehen, ebenso das Bandmedium, das sich für den Transport von Informationen zwischen verschiedenen Abteilungen und Standorten nutzen läßt. Das Format der Wahl für den Datenaustausch zwischen Rechenzentren und Abteilungsrechnern ist typischerweise IBM 3480/3490.

Bandsysteme für Backup-Aufgaben

Das weitaus größte Einsatzgebiet für Bandsysteme sind immer noch Backup-Anwendungen, um eine Kopie unternehmenskritischer Daten zu erstellen und so das Unternehmen gegen den Verlust wichtiger Daten, zum Beispiel durch menschliches Versagen, technische Fehlfunktionen oder auch Naturkatastrophen, zu sichern. Ein schneller Zugriff für das Retrieval ist dabei zunächst sekundär.

Bei größeren Installationen kommt allerdings dem Zeitaufwand für ein komplettes Backup eine entscheidende Bedeutung zu. Das stetig steigende Datenvolumen typischer LAN-Umgebungen führt zu immer längeren Backup-Vorgängen. Das verfügbare Zeitfenster wird damit zu einem entscheidenden Kaufkriterium. Die meisten Libraries und Archivspeichersysteme sind mit einer Vielzahl unterschiedlicher Laufwerk-Formate erhältlich, am häufigsten finden sich jedoch 4mm, 8mm, DLT und 3480/90. Longitudinal-Aufzeichnungsgeräte mit festen Schreib-/Leseköpfen wie DLT und 3480/90 unterstützen gleichbleibend hohe Datenraten und sind zwei- bis viermal so schnell als die Helical Scan-Aufzeichnungsgeräte von 4mm- und 8mm-Einheiten und bieten so bessere Voraussetzungen für Hochleistungs-Backup.

Die Zuverlässigkeit ist ebenso für Archivierungsanwendungen wichtig, bei denen Dateien auf Band aufgezeichnet werden, um sie off line und getrennt vom Netzwerk zu verwahren. Dies findet häufig bei Anwendungen in der Rechnungsprüfung Einsatz. Wie schon beim Backup, so gilt auch hier, daß die komplexeren und teuren technischen Features von Bandbibliotheken für Archivierungsanforderungen des Unternehmens nicht unbedingt effektiv sind.

Ungeachtet dessen stellen Archivdaten ein wertvolles Unternehmensvermögen dar, und Archivspeicherlösungen müssen in der Lage sein, den Anforderungen dieser Anwendung zu genügen. Wenn diese Daten wieder benötigt werden, kommt es auf den schnellen Zugriff und die zuverlässige Wiederherstellung an. Auch hier bietet die 3480/3490-Laufwerkstechnologie den notwendigen hohen Durchsatz für die schnelle Wiederherstellung umfangreicher Dateien, und sie ist wahrscheinlich die beste Wahl für Archivierungsanwendungen. Die neuesten Fast/Wide-SCSI-Laufwerke unterstützen eine Burst-Datenrate von 20 MBit/s und einen gleichbleibenden Durchsatz von fast 11 GBit/h - doppelt so schnell wie DLT-Laufwerke und sechsfache Geschwindigkeit gegenüber 8mm-Bandsystemen.

HSM (Hierarchical Storage Management) dagegen ist eine der ersten Anwendungen, die alle erweiterten Funktionen moderner Bandbibliothekssysteme voll ausschöpfen kann. Durch ein voll implementiertes HSM-System lassen sich Dateien automatisch aus dem "Live"-Netzwerk aus- und wieder einlagern. Innerhalb einer HSM-Umgebung nehmen automatische Bandspeichersysteme die Funktion eines "Near-line"-Sekundärspeichers oder "Off- line"-Tertiärspeichers hinter einer Optical Disk Library als "Near-line"-Lösung in der Speicherhierarchie ein. Dabei kommt es, um Dateien so schnell wie möglich wieder einzulagern, besonders auf den High-speed-Datentransfer und den schnellen Dateizugriff an.

Unternehmen, die HSM und andere Anwendungen in Erwägung ziehen, stehen vor dem Dilemma, den Kauf eines automatisierten Bandsystems zu rechtfertigen, wenn die Anforderungen im Unternehmen ständig wechseln. Hier bieten sich modulare Bibliothekssysteme an. Mit diesen erwerben Anwender zunächst eine minimale Konfiguration, die ihren momentanen Speicheranforderungen genügt, und halten sich so einen Wachstumspfad frei, wenn ihre Anforderungen mit der Zeit steigen.

Viele Unternehmen haben einen unmittelbaren Bedarf an Backup-Lösungen mit hoher Performance und Kapazität. Die Möglichkeit, zu komplexeren Speicherlösungen zu wechseln, ist eher ein langfristiges Ziel. Eine DLT-basierte modulare Bandbibliothek in der Grundkonfiguration mit einem Laufwerk und entsprechender Kassettenkapazität reicht in diesem Fall für das tägliche Backup völlig aus. Dieser Bibliothekstyp bietet darüber hinaus einen guten Wachstumspfad mit geringen Folgekosten für zusätzliche Laufwerke und Kapazitätserweiterungen. Es ist sogar möglich, die Kapazität und/oder Funktionalität innerhalb eines einzigen Gehäuses auszuweiten - dies stellt einen neuen Ansatz bei Bandbibliotheken dar.

Bei modularen Bandbibliotheken kann man das System mit einem zusätzlichen Bandlaufwerk ausstatten, die Zahl der Kassetten erhöhen, die sich in ein Karussell oder Medienmagazin laden lassen, oder andere Funktionen wie das Scannen von Barcodes innerhalb des Gehäuses hinzufügen. Diese Flexibilität kommt den kurz- fristig wachsenden Anforderungen vieler Unternehmen entgegen. Dennoch besteht bei den meisten heutigen Speichersystemen die einzige langfristige Op- tion darin, die vorhandene Bibliothekstechnologie komplett auszurangieren oder ein größeres System zu kaufen und zu versuchen, die beiden Systeme miteinander zu verknüpfen.

Die Plattenspeicherindustrie bietet ihren Kunden seit Jahren zusätzliche Kapazitäten durch einfaches Hinzufügen weiterer Platten an. Analog zu diesem Ansatz entwickelte Overland Data für die speziellen Anforderungen von Bandbibliothekssystemen das neue Konzept des Smart Scale Storage.

Mit dieser Lösung lassen sich Kapazitäten von Bandbibliotheken entsprechend den individuellen Kundenanforderungen skalieren.

Überträgt man die Plattenspeicher-Philosophie auf die automatisierte Bandtechnologie, ist es möglich, ein nahezu unbegrenztes Speichervolumen zur Verfügung zu stellen. Mit einem erweiterbaren Plug-and-play-Design und durchgehender Robotik entstehen mehrere funktionsspezifische Module.

Smart Scale Storage überläßt dem Kunden die Entscheidungsfreiheit, wie die Kapazitäten des Library-Systems aufwärts skaliert werden. Dies ist möglich durch den Einsatz individueller Module, die nur einer Aufgabe dienen. Der Anwender beginnt mit einer globalen Kontrolleinheit, die die Library-Konfiguration, den Betrieb und die Kommunikation reguliert, unabhängig vom spä- teren Umfang des Systems. Einzelne Laufwerke und Kapazi- tätsmodule sind später ergänzbar, um die Eigenschaften des Systems auf die Anforderungen abzustimmen.

Wenn beispielsweise ein zu geringer Durchsatz die Gesamt-Performance des Bibliothekssystems beeinträchtigt, empfiehlt sich ein weiteres Modul mit zusätzlichen Laufwerken. In ähnlicher Weise ist auch die Gesamtkapazität durch die Installation eines Kapazitätsmoduls nur mit Cartridges nach oben erweiterungsfähig. Wird ein neues Kapazitätsmodul installiert, geht dies nicht auf Kosten vorhandener Module. Es kommt einfach zu der vorhandenen Systemkapazität hinzu und ersetzt nicht ein vorhandenes Medienmagazin mit niedrigerer Kapazität, wie das bei konventionellen Bandbibliotheken üblich ist. Mit dieser einfachen Erweiterung lassen sich im Vergleich zu den inkrementellen Zugewinnen anderer Bibliothekssysteme wirkliche Kapazitätsschübe erzielen. Außerdem stehen alle Daten online zur Verfügung, ohne daß ein Bediener erforderlich wäre, der die Cartridges oder Magazine auswechselt.

Low-cost-Lösung für hohe Anforderungen

Diese neue Bibliotheksarchitektur basiert auf einem Stack-and-grow-Konzept. Jedes zusätzliche Modul wird in das vorhergehende Modul gesteckt, wobei die Kommunikation mit der zentralen Kontrolleinheit über einen spezifischen Bus, den Xpress Channel, erfolgt. Alle Module werden von einer vertikalen Robotik bedient, die die Bänder zwischen den Kapazitäts- und Laufwerksmodulen transportiert.

Dieser hochmodulare Bibliotheksansatz bietet eine Niedrigpreislösung für höchste Speicheranforderungen und gleichzeitig umfassenden, langfristigen Schutz für die getätigten Investitionen. Informations-Manager haben zudem die Möglichkeit, nur die aktuell benötigte Ausstattung zu erwerben, ohne das Risiko einer Fehlinvestition durch überalterte Systeme eingehen zu müssen.

Anbieter sollte Alternativen haben

Die Entscheidung für die automatisierte Bandspeicherung ist für manche Unternehmen schwierig, vor allem, wenn keine klare Vorstellung über die Anwendungen, die bestehenden Anforderungen und die künftige Linie vorliegt.

Es ist sinnvoll, sich an einen Anbieter zu wenden, der sowohl Archivsysteme als auch Library-Systeme, insbesondere modulare Systeme, im Programm hat. Außerdem sollten IT-Manager und andere Entscheidungsträger darauf achten, daß der Anbieter mehr als ein Bandformat bietet. Im Markt für Hochleistungs-Bandsysteme sind 3480/3490 und DLT die besten Lösungen, während kleinere LAN-Umgebungen in der Regel mit der niedrigeren Performance von Helical Scan-Laufwerken, wie DAT und 8mm, gut bedient sind.

Glossar

Backup: Erstellen einer Sicherheitskopie von Daten und Programmen zum Schutz vor Datenverlust bei Bedienerfehlern oder technischen Fehlfunktionen.

Archivierung: Dauerhafte Speicherung von Daten, die nicht mehr verändert werden, zum Beispiel auch für gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften.

HSM: Hierarchisches Speicher-Management, insbesondere die automatische Verwaltung und Speicherung von Dateien innerhalb der Speicherhierarchie.

*John Boyken ist European Sales Manager bei Overland Data.