Systemauswahl: Viele Anwender akzeptieren jeden Blödsinn

29.06.1984

Zu stark liegt bei der Systemauswahl gerade in Klein- und Mittelbetrieben das Schwergewicht immer noch auf der Hardware, meint der Wirtschafts- und Industrieberater Julius W. Barrois. Und immer noch würde Demonstrationen der Standardsoftware zu hohe Bedeutung beigemessen. Letztlich sagten derartige Vorführungen nur aus, daß die Maschine funktioniere, wenn man den Stecker in die Steckdose stecke. Herbert Wank, DV-Leiter in Krumbach, konnte sich "mangels Masse" (das favorisierte System war eine Messeneuheit) keine Anwendungen in der Praxis ansehen. Die Entscheidung fiel dann doch aufgrund der Software. Wank ist zufrieden, wenngleich sich mittlerweile gezeigt hat, daß die Standard-Software zu teuer und das Anwendungspaket zum Teil nicht den nötigen Durchsatz bringt.

Julius W. Barrois

Wirtschafts- und Industrieberatung Barrois + Partner, Merzig

Erschreckend ist der hohe Anteil nichtlogischer, spontan-emotioneller Elemente beim Entscheidungsprozeß Datenverarbeitung. Dies vor allem, wenn es sich um Mikros und Minis handelt.

Die Hardware selbst besitzt immer noch einen zu hohen Stellenwert. Sie beeinflußt mit etwa 60 Prozent die Entscheidung. Und hier verführen vor allem die Optionsversprechungen von Peripheriesperenzchen zu nichtdurchdachten Entscheidungen.

Entscheidungskriterien aus Software und vor allem aus dem Bereich des Anbieterumfeldes, wie Stärken des Anbieters, Servicemöglichkeiten und sonstige Unterstützung werden zu wenig berücksichtigt. Die Masse der Anwender, vor allem aus den sogenannten Klein- und Mittelbetrieben, begnügt sich zu oft mit einer Demo von Hardware und Standardsoftware. Obwohl das nicht mehr aussagt, als daß die Maschine funktioniert wenn man den Stecker einsteckt.

Dieselben Anwender verlassen sich auch hauptsächlich auf die Mund-zu-Mund-Propaganda. Sie akzeptieren und vertreten ungeprüft und unreflektiert jeden Blödsinn, der Ihnen von Pseudofachleuten erzählt wird.

Gefördert wird dieses Vorgehen durch die Träume potentieller Anwender von individuell abgestimmter möglichst integrierter Softwaresysteme. Ein Traum aus dem alle, die auf ihn ihre Entscheidungen begründet haben, böse erwacht sind.

Aus meiner Erfahrung entscheiden nur etwa 25 Prozent der Anwender nach einem kontrollierbaren Entscheidungssystem. Das heißt:

1. Aufstellen von gewichteten Zielhierarchien.

2. Entscheidungstabellen mit exakten Benotungen der einzelnen Kriterien.

3. Einer vorher klar festgelegten prozentualen Bewertungsskala der verschiedenen Kriteriengruppen.

Und zu diesem dritten Punkt kristallisiert sich bei diesen wenigen denkenden Anwendern folgende Skala der Entscheidungseinflüsse heraus (in Prozenten):

Zentraleinheit 5

Peripherie/Speicher 5

Betriebssysteme/Utilities 10

------------------------------------

Summe Hardware 20

Standardsoftware 25

Branchensoftware 20

Individualsoftware 5

------------------------------------

Summe Software 50

Service 15

Anbieterstärke 5

Referenzen 10

------------------------------------

Summe Anbieter 30

Diese Skala ist sinnvoll, denn hier machen die Positionen brauchbare Standardsoftware, erprobte Branchenlösungen mit nachweisbaren Referenzen und ein schneller Service rund drei Viertel aller Entscheidungskriterien aus.

Alle potentiellen Anwender können viel Geld, Ärger und Fehlschläge vermeiden, wenn Sie sich nur mit einer positiven Antwort auf 2 Fragen zufrieden geben:

Welche Programme gibt es?

Wo laufen diese mit welchem Erfolg?

Und dafür braucht man weder einen Messebesuch, noch eine Demonstrationsshow der Hardware. Hier reicht ein einfaches Telefonat mit den heutigen Anwendern.

Walter Schönwiese

DV/Org.-Leiter, Karwendel-Werke, Franz X. Huber, Buchloe

In den meisten Fällen wird es wohl so sein, daß der Release-Wechsel durch eine Softwareinstallation ausgelöst wird oder im Zusammenhang mit einer Änderung oder Aufstockung der Hardware durchgeführt wird. In diesen Fällen spielt es kaum eine Rolle, ob Kollegen mit dem neuen Release gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben. Nach der Installation muß es auf jeden Fall zum Laufen gebracht werden, egal wie viele Fehler es noch enthält. Allerdings können die Erfahrungen, die bei anderen Installationen gemacht wurden, eine wesentliche Erleichterung darstellen.

Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, wenn es die personelle Lage und die Maschinenkapazität zulassen, einen Wechsel nicht auf die lange Bank zu schieben.

Herbert Wank

DV-Leiter, Gebr. Steinhart, Wachswarenfabrik, Krumbach

Im Jahre 1977 platzte unsere DV-Anlage aufgrund des immer größer werdenden Datenvolumens aus allen Nähten.

Die damals laufenden Anwendungen bezogen sich auf Fakturierung, Kalkulation, Lagerbuchhaltung und waren natürlich nur durch Batchprogramme abgedeckt.

Nachdem wir nicht nur die Kapazität vergrößern, sondern auch die Anwendungsgebiete erweitern und den Leistungsdurchsatz erhöhen wollten, mußte notgedrungen nach einem neuen und leistungsstärkeren System Ausschau gehalten werden.

Wir stellten also unseren exakten Bedarf fest und gingen nach einer Checkliste vor, die folgende Punkte enthielt:

- Aufgabenstellung fixieren und Mengengerüst abstecken;

- Hardware-Konfiguration und Peripherie-Einheiten festlegen;

- Softwarepakete für kaufmännische Anwendungen festlegen;

- Softwareanpassung bei gesetzlichen Änderungen (zum Beispiel Erhöhung der Mehrwertsteuer) von Seiten des Anbieters prüfen;

- Umfang und Verfügbarkeit des technischen Kundendienstes feststellen;

- Erweiterungsmöglichkeiten der neuen Hard- und Software für künftige Anwendungen klären;

- Preis/Leistungs-Verhältnis prüfen.

Nach Anfragen bei verschiedenen Herstellern und dem Besuch der Hannover-Messe kamen für uns nur zwei Systeme in Frage. Dies war zum einen das System /34 der Firma IBM und zum anderen ein System des Herstellers unserer bisherigen DV-Anlage.

Da es sich beim System /34 um eine Messeneuheit handelte und somit noch kein installiertes System im Einsatz war konnten wir uns natürlich nicht auf die Erfahrung von Referenzkunden stützen. Wir mußten uns auf die Aussagen der Verkaufsberater verlassen beziehungsweise bei Demonstrationen und Testläufen im Beratungszentrum der IBM ein Bild über die Anlage machen.

Die Entscheidung, das System /34 zu kaufen, hing im Endeffekt mit der Software zusammen, die unserer Meinung nach wesentliche Vorteile zu anderen Anbietern aufwies:

Individuelle Feld- und Satzlängen, Dialogprogrammierung mit Schnittstelle zu anderen Anwendungsgebieten, sämtliche Anwendungsgebiete abgedeckt, Spool-Betrieb, ausgereifte Dienstprogramme (DFU, SDA, SEU), problemloses konvertieren der Stammdaten auf das neue System.

Das System wurde, nachdem wir es im Frühjahr 78 bestellten, im Dezember installiert. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten arbeitet die Anlage bis heute zu unserer vollsten Zufriedenheit. Von Seiten der Software mußten wir kleinere Kompromisse eingehen, die hier nicht außer acht gelassen werden sollten. So ist unter anderem

- die Anwendersoftware (MAS) zwar modular aufgebaut, aber als Gesamtpaket teuer

- das Anwendungspaket zum Teil durch aufwendige Programmierung ohne den nötigen Durchsatz.

Alles in allem haben wir aus unserer Sicht in der Auswahl der DV-Anlage die richtige Entscheidung getroffen, obwohl es selbstverständlich durch die zunehmende Marktverdichtung auf dem DV-Sektor schwieriger geworden ist, die optimale Hard- und vor allem Softwarelösung zu finden. Bei Berücksichtigung der obengenannten Punkte, so meine ich, sollte es dennoch möglich sein.