Eigene Schwachstellen und Stärken analysieren:

Systematik bleibt Schlüssel für Bewerbungen

14.11.1986

Selbst in der expansiven DV-Branche gibt es nicht genügend Arbeitsplätze für alle qualifizierten Bewerber, meint Knut Hofmann, Berater bei der MSL Deutschland GmbH in Frankfurt. Wer also von der Hochschule kommt und sich - womöglich um den "Traumjob" - bewerben möchte, sollte sich intensiv auf den Eintritt in das Berufsleben vorbereiten. Testbewerbungen gehören dazu.

Eigentlich legt schon der Studiengang fest, welchen Berufsweg der Absolvent in der EDV-Branche beschreiten wird: Ein Studienabgänger der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät wird sich in erster Linie um eine Position im Verkauf oder Marketing bewerben; ein Nachrichtentechniker wird den Bereich Soft- und Hardware-Entwicklung wahrscheinlich vorziehen.

Trotzdem sollte jeder Absolvent, der in der EDV-Branche tätig sein will, seine Qualifikationen einer eingehenden Schwachstellen- und Stärkenanalyse unterziehen. Dazu gehört auch, Freunde und Bekannte um ihr Urteil zu bitten. Nur so kann der Studienabgänger erkennen, in welchen Berufsbereichen seine optimalen Entwicklungsmöglichkeiten liegen.

Ein introvertierter Absolvent wird in einer nach außen orientierten Tätigkeit - sei es Verkauf, Marketing oder Verkaufsunterstützung - sehr schnell an seine Grenzen stoßen. Wer jedoch von seiner Umwelt und sich selbst als flexibel und extrovertiert eingeschätzt wird und zudem mobil ist, der kann seine Ziele am besten im Verkauf oder anderen vertriebsorientierten Positionen erreichen.

Die Start-Position im Verkauf kann sich aber auch als absolute "Sackgasse" erweisen: Ein frühzeitiges oder mittelfristiges Scheitern eröffnet dann kaum mehr Perspektiven in anderen Funktionsbereichen. Oft bleibt nur noch die Möglichkeit, in eine andere Branche zu wechseln - jedoch ebenfalls innerhalb des Verkaufs. Im Gegensatz dazu hat ein Entwicklungsingenieur durchaus die Möglichkeit, in anderen Funktionen - beispielsweise in den Vertrieb - zu wechseln.

Häufig wird - natürlich bei entsprechender Veranlagung - dieser Weg von Personalleitern nicht ungern gesehen: Der Bewerber zeigt Flexibilität und besitzt den Vorteil, daß er auf exakte technische Probleme und Fragen der Kunden besser eingehen kann. Wichtig ist, daß man als Verkäufer und nicht als Entwickler auftritt und gegebenenfalls entsprechende fachliche Unterstützung anfordert - sonst kommen Akquisition und Verkauf zu kurz.

Berufseinstieg Entwicklung

Wer den Berufseinstieg über eine Stelle in der Entwicklungsabteilung wählt, um später in eine vertriebsorientierte Tätigkeit zu wechseln, sollte das bei den Bewerbungsgesprächen offen sagen. Den Verantwortlichen in den Personalabteilungen zeigt diese Einstellung, daß man sich über seinen beruflichen Werdegang Gedanken gemacht hat. Wer sich über seinen Berufswunsch trotz aller Vorbereitungen nicht klar wird, kann sich mit einem Trainee Programm in einem größeren Unternehmen die Entscheidungsfindung eventuell erleichtern. Doch normalerweise sind die Trainee-Programme so ausgelegt, daß die Teilnehmer auf Positionen in Verkauf, Marketing, Produktion oder Entwicklung fixiert werden. Dadurch ist eine "freie" Wahl des späteren Tätigkeitsbereiches aber blockiert.

Ist der endgültige Berufswunsch durch Gespräche, zusätzliche Informationen und eingehende Überlegungen gefunden, erfolgt die zweite Phase der gezielten Vorbereitung. Wichtig: gezielte Informationen über Berufsbilder, Studium der relevanten Literatur und frühzeitige Durchsicht der Stellenanzeigen von Tages- und Fachpresse. Zu diesem Zeitpunkt geht es noch nicht darum, Bewerbungen abzusenden, sondern sich darüber zu informieren, welche Aufgaben und Anforderungen mit der jeweiligen Position verbunden sind.

Bei jedem Bewerbungsgespräch werden Standardfragen gestellt, die für die Beurteilung eines Hochschulabsolventen durch den Personalchef wichtig sind:

þWarum wurde der Studiengang gewählt?

þWarum wird ein bestimmtes Tätigkeitsfeld angestrebt?

Allgemeinplätze und Floskeln sind bei der Beantwortung solcher Fragen unbedingt zu vermeiden. Antworten "Frei von der Leber weg" kommen auf jeden Fall besser an und sichern den Vorsprung gegenüber anderen Bewerbern.

Die allgemeinen Vorurteile, die oftmals über deutsche Tochtergesellschaften ausländischer, vornehmlich US-Unternehmen, herrschen, sollte jeder Bewerber ganz schnell vergessen. In deutschen Unternehmen wird nämlich genauso hart gearbeitet und ein voller Einsatz vom einzelnen verlangt. Speziell die Absolventen mit guten Sprachkenntnissen, vorzugsweise Englisch, sollen sich auch bei nichtdeutschen Unternehmen bewerben, denn unter Umständen ist die Konkurrenz der Mitbewerber nicht so vielfältig.

Auch die Größe des Unternehmens spielt für die spätere Karriere eine entscheidende Rolle. Das renommierte Unternehmen ist von vornherein eine bessere Adresse und kann bei einem späteren Wechsel als Sprungbrett dienen. Eventuell bietet es auch bessere Entwicklungsmöglichkeiten.

Jedoch werden hier nicht nur bei der Einstellung, sondern permanent strenge Auslese- und Beurteilungsmaßstäbe angesetzt. Deshalb können nur die Besten dort ihren Weg machen.

Großunternehmen sind in bedeutend besserem Maße auf Absolventen eingestellt und bieten diesen entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen an, die in jedem Falle genutzt werden sollten. Bezüglich des Einstellungsgehaltes gibt es hier nur wenig Spielraum. Normalerweise liegen genaue Bandbreiten vor, in denen sich das Gehalt bewegen muß.

Kleinere Unternehmen haben den Vorteil, besser überschaubar zu sein. Bei Aufstiegsmöglichkeiten gibt es entsprechend weniger interne Konkurrenz. Doch sollte man bei den Einstellungsgesprächen genau prüfen, ob man nicht nur als billige Arbeitskraft eingekauft wird. Darum ist es wichtig, sich auch nach den Altersstrukturen in den unterschiedlichen Management-Ebenen zu erkundigen und nach den Werdegängen bisheriger Absolventen im Unternehmen zu fragen.

Auch wenn das Wunschunternehmen feststeht, sollte sich der Absolvent nach Möglichkeit vorher bei Firmen bewerben, die eigentlich nicht in Betracht kommen. In diesen Bewerbungsgesprächen können wichtige Erfahrung für die entscheidenden Gespräche gesammelt werden. Der Bewerber darf bei dem Wunschunternehmen ruhig darauf hinweisen, daß er sich bereits bei anderen Firmen beworben hat. Damit signalisiert er Initiative und Kreativität, die ihn über andere Bewerber hinausheben.

Telefonische Vorabauskunft soll genutzt werden

Standardanschreiben sind ein Hemmschuh für jede erfolgreiche Bewerbung. Der Brief sollte nur kurz den Grund nennen, warum man sich gerade bei diesem Unternehmen bewirbt und was für die entsprechende Position prädestiniert. Alles andere kann im persönlichen Gespräch geklärt werden. Wenn in Stellenangeboten die Möglichkeit der telefonischen Vorabauskunft angeboten wird, sollte sie genutzt werden. Das erspart in manchen Fällen das Schreiben einer sinnlosen Bewerbung mit nachfolgender - eventuell frustrierender - Absage. Außerdem wird die Nachfrage von der Personalabteilung ebenfalls als besondere Initiative ausgelegt.

Mehrdimensionales Qualifikationsprofil

Information wird in den nächsten Jahren zum mitentscheidenden Produktionsfaktor neben Kapital und Arbeit werden. Diese Tatsache ist in der Unternehmensplanung zu berücksichtigen. Maßnahmen, um die Informationsressourcen zu konzipieren und zu realisieren, sind angesagt.

Integrationsaufgaben machen die Anforderung Nummer eins aus. Dazu benötigt die Industrie vor allem aber qualifizierte Manpower. In den Betrieben finden sich derzeit kaum das notwendige Know-how-Potential sowie die erforderlichen Bildungsmaßnahmen. Doch auch Hochschulabgänger weisen nur in geringem Umfang jenes Qualifikationsprofil auf, das sich die Unternehmen wünschen: Verständnis der betrieblichen Zusammenhänge sowie der technischen Abläufe, Handwerkszeug für die Organisationsentwicklung und Kenntnisse der Sozial- sowie Arbeitswissenschaften und Arbeitspsychologie.

Diese Wunschvorstellungen der Industrie kommen bisher nur wenige Universitäten mit ihrem Fächerangebot entgegen. Die Unternehmensberatung Joerg E. Staufenbiel in Köln erstellte als Informationsanreicherung zur Orgatechnik '86 einen interdisziplinären Wegweiser über DV- und Organisationsangebot an deutschsprachigen Wirtschaftsfakultäten: Studenten, die solche Chancen zu fächerübergreifendem Wissen nicht nutzen, merken erst bei der Stellensuche, daß ihnen für die Bewältigung des Berufslebens einiges fehlt. Ohne diese Trumpfkarten in der Bewerbungsmappe hilft nur noch bedingt, was Knut Hofmann von der MSL-Unternehmens- und Personalberatung in Frankfurt jedem Absolventen beim Einstieg in den Job empfiehlt: Zunächst die eigenen Stärken und Schwachstellen analysieren, in Textbewerbungen Erfahrungen sammeln und bei Vorstellungsgesprächen nicht das eigene Licht unter den Scheffel stellen.

lo