IBM32: Nachträgliche Rechtfertigung der Mittleren Datentechnik

System 32 - Hecht im MDT-Markt?

27.03.1975

MÜNCHEN - Ein für die Branche eigentümliches Phänomen hat sich wieder einmal bestätigt:

Eine Produkt-Ankündigung der IBM bestätigt alle von Mitbewerbern bereits eingeführten Technologien und Konzepte als Industrie-Standard.

Mit dem System/32 hat IBM in den USA und Kanada ein in die gehobene Mittelklasse der MDT-Anlagen einzuordnendes Computersystem vorgestellt. Beobachter des MDT-Marktes bemerken mit Recht: "Hier wird etwas nachvollzogen, was sich in Deutschland bereits seit Jahren erfolgreich bewährt hat."

Hierin mag der Grund zu suchen sein, warum IBM das System/32 noch nicht in Deutschland oder Europa angekündigt hat. Hersteller wie Nixdorf, Philips oder Kienzle haben sich bereits entscheidende Marktanteile mit dem Slogan: "Computerleistung an den Arbeitsplatz" sichern können. IBM's Strategie mit Klein und. Mittelbetrieben ins Geschäft zu kommen, wird offensichtlich besonders gut ausgearbeitet.

Mit der Ankündigung des Systems/32 verfolgt IBM eine konsequente Produkt-Politik. Die Einstiegsmodelle IBM 650, 1401, 360/20 und System/3 weisen von Generation zu Generation ein größeres Marktpotential auf.

Die weltweiten /3-Installationen werden heute auf 30 000 Systeme geschätzt, dem MDT-ähnlichen System/32 sagen Experten 75 000 Installationen voraus.

Die jüngste IBM-Schöpfung zeigt, verglichen mit herkömmlichen Systemen, ein sehr unterschiedliches Design (siehe auch Computerwoche Nr. 4/75 vom 24. Januar). Das System/32 benötigt:

- keine Lochkarten und arbeitet ohne Magnetband. Einzige externe Speichermedien sind Diskette (auch Floppy Disk) und Magnetplatte.

- keine Programmierer, da das System komplett mit Anwendungslösungen angeboten wird. (Für Fortgeschrittene steht zu Extrakosten ein RPG Il-Compiller Verfügung.)

- Keine Peripherie, da in dem Schreibtisch-ähnlichen System alle Komponenten eingebaut sind.

Die Minimalkonfiguration mit 16 K-Zentraleinheit, 5 Mio. Bytes Plattenkapazität, 40-Zeichen/

Sekunde-Drucker, Diskette-Station, wird in USA für 809 Dollar Miete pro Monat angeboten. Fertige Anwendungsprogramme sind für eine Lizenzgebühr von monatlich etwa 100 Dollar zu haben. Bei Installation des Systems verlangt IBM eine einmalige Übernahmegebühr von 2000 Dollar.

Die neue Preis-Philosophie schlißt bei einem Dreijahresvertrag das Recht einer maximalen Preiserhöhung von fünf Prozent pro Jahr ein.

Eine Milliarde Dollar mit S/32

Vom derzeit kostengünstigsten IBM-System sollen noch bis 1977 etwa 40 000 Anlagen ausgeliefert werden. Weitere 30 000 Systeme sollen bis 1980 folgen. Daraus errechnet sich für IBM weltweit ein jährlicher Umsatz zu Ende des Jahrzehnts von etwa einer Milliarde Dollar pro Jahr. Der Softwareanteil an dieser Summe wird auf etwa zwanzig Prozent geschätzt.

Experten sehen vorerst in Deutschland Absatzchancen für etwa 7000 Systeme, wobei die von der IBM gewählte Branchenspezialisierung eine erhebliche Rolle spielt. Die in USA ausgewählten Anwendungen Bauwirtschaft und Krankenhäuser dürften auch in Deutschland "unter-computerisiert" sein. Darüberhinaus versprechen Unternehmen der Fertigungsindustrie, des Groß- und Einzelhandels - vielleicht auch Speditionsfirmen - gute Kunden für das System/32 zu werden.

Wie groß der Erfolg von IBM sein wird, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der MDT-Hersteller ab. Obwohl die deutschen Computer-Firmen mit großem Vorsprung ins Rennen gehen, wird die Lage in den Vorstands-Etagen mit allem Ernst beurteilt.

Noch fühlt man sich stark genug, um vor der ersten Konfrontation mit dem Marktführer "nicht zusammenzuschrecken wie das Kaninchen vor der Schlange". Die lange Erfahrung der MDT-Hersteller im Metier der Klein- und Mittelbetriebe, die vorhandene Software und ein funktionierendes Service-System festigen die Position der deutschen Computerbauer. Unser Kriterium: "Computerleistung an den Datenentstehungsplatz" wird nun von der IBM nachvollzogen.

Dadurch wird der Wettbewerb härter Andererseits versprechen wir uns auch eine Belebung des Marktes, nach dem Motto: Viel Feind - viel Ehr.

Zusammen mit IBM sprechen wir bestimmt auch die Firmen an, die wir heute noch nicht erreicht haben. Diese zusätzliche Aufklärungsarbeit des Marktführers könnte uns sogar Vorteile bringen, so jedenfalls der Marketing-Manager eines MDT-Herstellers.

Für den Anwender ergeben sich durchweg positive Aspekte. Ihm steht mit der Ankündigung des Systems/32 ein breiteres Produkt-Spektrum der IBM bei gewohnten Service-Leistungen zur Verfügung und die MDT-Hersteller werden mit allen Mitteln versuchen, noch besser als bisher zu werden.