Umsatzwarnung für das zweite Quartal

Sybase sucht sein Heil in Nischen

19.07.2002
MÜNCHEN (CW) - Klein, aber erfolgreich. Das soll in Zukunft mehr denn je Motto der Sybase Inc. sein. Angesichts der zementierten Machtverhältnisse im klassischen Datenbankgeschäft will das kalifornische Softwareunternehmen den vor gut drei Jahren eingeleiteten Wandel zu einem vertikal aufgestellten Lösungsanbieter forcieren.

Zuerst kommen Oracle und IBM (oder umgekehrt), dann Microsoft, danach lange nichts - und dann erst Sybase. So liest sich seit Jahren die Hackordnung im Weltmarkt für relationale Datenbanken. Mit einem Marktanteil von knapp drei Prozent gelangte Sybase im Geschäftsjahr 2001 zwar relativ nahe an die Schwelle zur Milliarden-Company, gemessen an der Größe der anderen Player sind die Kalifornier jedoch nach wie vor ein Nischenanbieter. Daran dürfte sich auch in Zukunft nichts Wesentliches ändern - wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen. "Die Wachstumsraten im Datenbankmarkt waren nicht mehr so gegeben, daraus haben wir die Konsequenzen gezogen", begründet Theo Ruland, für die Region Deutschland, Schweiz, Niederlande und Luxemburg zuständiger Vice President, den vor gut drei Jahren eingeleiteten Strategiewechsel des Unternehmens.

Dieser sieht vor, die Abhängigkeit vom klassischen Datenbankgeschäft mittelfristig deutlich zu reduzieren. Etwa 75 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Sybase heute noch mit entsprechenden Lösungen, 50 Prozent oder weniger sollen es in ein paar Jahren sein. Zu besagten Lösungen zählt neben dem Entwicklungs-Tool "Powerbuilder" vor allem das Kernprodukt "Adaptive Server Enterprise", das bei Transaktionsanwendungen zum Einsatz kommt und etwa 60 Prozent zu den Einnahmen beisteuert. Das Hauptaugenmerk auf diesem Sektor soll künftig jedoch auf der Plattform "Adaptive Server IQ Multiplex" liegen. Mit der Software, die sich zum Aufbau von Data Warehouses eignet und seit April auch im Bundle mit Midrange-Servern von Sun Microsystems als "Referenzarchitektur" vertrieben wird, bedient Sybase den Business-Intelligence-Markt. Noch erzielen die Kalifornier hier nur rund ein Zehntel ihrer Lizenzumsätze; Ruland verbindet aber mit diesem Segment mittelfristig die größten Wachstumshoffnungen. Ähnliches gilt für Tools zum Bau von Firmenportalen sowie Integrationswerkzeuge.

Zweites großes Standbein der Kalifornier ist der Bereich mobile Datenbanken. Den Anteil dieser Sparte, die in der Tochter Ianywhere zusammengefasst ist und Software liefert, mit der Unternehmen ihre IT-Infrastruktur für den Zugriff über mobile Endgeräte öffnen können, beziffert Ruland auf 30 Prozent. Allerdings mussten die Kalifornier hier dem Ende des Hypes an der Börse Tribut zollen: Das geplante Going Public von Ianywhere wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Mit Blick auf den Gesamtmarkt für mobile Datenbanken beansprucht der Sybase-Verantwortliche dennoch hier für seine Company mit einem Anteil von knapp 70 Prozent den Führungsanspruch. Allein in Deutschland seien über 80 000 Enterprise-Lizenzen - vorwiegend in der Versicherungswirtschaft - registriert.

Stichwort Versicherungswirtschaft: An der vertikalen Branchenausrichtung mit den Schwerpunkten Finanzdienstleister und TK-Industrie habe, so Ruland, der Strategiewechsel nichts geändert. Neu hinzugekommen sei jedoch der Anspruch, "Lösungsanbieter zu sein". Ein Profil, das dem Sybase-Manager zufolge gerade in Zeiten schwacher Konjunktur existenziell geworden ist. Heute sei es in der IT nicht mehr möglich, "nur über Architekturen zu reden". Als Beispiel aus dem Portfolio seiner Company führt Ruland eine Plattform an, die Carriern unter dem Namen "Communications E-Business-Solution" angeboten wird und auf der Basis einer Sybase-Datenbank Anwendungen wie Billing, Operationales Customer Relationship Management sowie ein Portal integriert.

Dass Sybase mit dieser von einigen Analysten kritisch beurteilten Diversifizierungsstrategie Erfolg haben wird, zieht Ruland nicht in Zweifel - räumt aber ein, dass seine Company hier den Wettbewerb mit zum Teil neuen, potenten Wettbewerbern wie SAS Institute, Tibco und natürlich Siebel oder SAP aufnimmt. Hinzu kommt, dass sich derzeit fast jeder große Softwareanbieter das Lösungsgeschäft auf seine Fahnen geschrieben hat, und dass Sybase mit der Fokussierung auf lediglich zwei Branchen insgesamt nicht breit genug aufgestellt sein könnte.

Unabhängig davon haben die Kalifornier derzeit auch mit den Auswirkungen der Krise im IT-Sektor zu kämpfen. Vergangene Woche gab das Unternehmen eine Umsatzwarnung heraus. Die Einnahmen im zweiten Quartal werden sich aufgrund der anhaltenden Konjunkturschwäche statt der ursprünglich prognostizierten 215 nur auf rund 205 Millionen Dollar belaufen, hieß es. An dem von den Analysten erwarteten Gewinn je Aktie von 24 Cent werde sich jedoch nichts ändern. Die endgültigen Zahlen gab Sybase nach Redaktionsschluss bekannt. (gh)