Produktbegriff sollte stärker ins Rampenlicht rücken:

SW-Verständnis ist oft zuwenig professionell

11.09.1987

Eine entscheidende Erfolgsgröße beim Einsatz der Datenverarbeitung ist und bleibt die Software. Sie wird gesucht, und wenn sie endlich vorhanden ist, auch oft genug verflucht. Viele DV-Abteilungen schieben einen riesigen Anwenderstau vor sich her; in der Literatur geistert das Schlagwort "Software-Krise". Was fehlt, ist leider noch immer das Verständnis, daß ein DV-System mehr ist als ein lauffähiges Programm.

Ein Softwareprodukt für den breiten Einsatz erfordert in erster Linie die Erfüllung klar definierter Benutzeraufgaben. Dies bedingt eine exakte Marktanalyse, ein fachspezifisches Pflichtenheft, ein Soll-Konzept oder einen Anwendervertrag mit der Beschreibung des geplanten Systems. Heute basieren zwar noch sehr wenige der Standard-Software-Entwicklungen auf einer systematischen Marktanalyse - doch von der Methodik des Software-Engineering ausgehend, gewinnt immer mehr die fachliche Beschreibung der Software vor dem Realisierungsbeginn an Bedeutung.

Im Bereich der SW-Erstellung durch große oder auch kleinere Softwarehäuser werden außerdem zunehmend Festpreis-Verträge abgeschlossen, bei denen "Individual-Lösungen" schlüsselfertig entwickelt und übergeben werden sollen. Um hier zu einer exakten Kalkulation zu kommen, ist es unumgänglich, das System aus Anwendersicht klar zu beschreiben.

Software-Design für den breiten Einsatz auslegen

Wie solche Fachkonzepte aussehen, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Schwerpunkte bilden die Beschreibungen der gewünschten Funktionen, die Zusammenstellung der zugrunde liegenden Datenstrukturen beziehungsweise Informationsobjekte sowie die Verarbeitungsregeln als Bindeglied zwischen Funktions- und Datenseite. Je nach Einfluß und Bereitschaft der Auftraggeber, sich in die DV-Umsetzung einzuschalten, kann die Benutzeroberfläche, also die Bildschirmmasken und das Layout von Listen, ebenfalls vorgegeben werden.

Ein Softwareprodukt muß vom Systemdesign her für den breiten Einsatz angelegt sein. Flexibilität im Funktionshaushalt, im organisatorischen Aufbau, im Integrationsgrad und in den Datenstrukturen sind nur möglich, wenn sie bei der Entwicklung von vornherein berücksichtigt wurden. Dazu gehören die bekannten Forderungen nach einem transparenten, strukturierten und damit wartbaren System- und Programmaufbau. Die Einzelteile sollten möglichst modular gehalten sein, mit einer hohen Bindung nach innen, aber wenigen wohldefinierten Schnittstellen nach außen.

Beliebt sind sogenannte Schichtenmodelle, wo spezifische Aufgaben der Software auf unterschiedlichen Programmebenen abgehandelt werden. So gilt es zum Beispiel, systemspezifische Funktionen zusammenzufassen, die bei einer Übertragung des Systems auf eine andere Maschine überarbeitet werden müssen. Bei internationalen Produkten sind alle Texte in Sprach-Shells zusammenzufassen, die auf die jeweilige Landessprache angepaßt werden. Konstanten, insbesondere firmenspezifische Literale, sind in Tabellen auszulegen und damit flexibel und änderbar zu halten.

Ein profihaftes Softwareprodukt hat geschlossene Module nach dem Prinzip des Information-Hidding, aber gleichzeitig eine offene Architektur für zukünftige Erweiterungen und Anpassungen. Heute werden erst 20 Prozent der angebotenen Standard-Software gemäß den Anforderungskriterien dieser Produktstrategie für den Markt entwickelt; 80 Prozent sind Individualentwicklungen, die man mehrfach zu verkaufen sucht. Die Probleme, die hieraus erwachsen, liegen auf der Hand: Dem möglicherweise schnellen Verkaufserfolg können enorme Anpassungsschwierigkeiten und Wartungsprobleme nach Übergabe der Software gegenüberstehen.

In jüngster Zeit ist die Software-Qualitätskontrolle - verstärkt durch Bemühungen unabhängiger Institute, mit dem Versuch, Software-Qualitäts-Siegel zu verleihen - in die öffentliche Diskussion getreten. Unabhängig von diesen Bestrebungen muß jeder Software-Anbieter für seine Produkte Software-Qualitätssicherung aufbauen. Software-Qualitätssicherung erfordert neben und nach Abschluß der Entwicklung erhebliche Investitionen an Zeit und Geld.

Erfahrene Anwender nicht mit Help-Modus langweilen

Die Einsatzhäufigkeit neuer Software hängt in starkem Maße von der Qualität der Anwenderdokumentation ab. Dabei sind auf der einen Seite Handbücher als Nachschlagewerke, auf der anderen Seite online verfügbare Erläuterungen erforderlich. Der Hilfsmodus in der Online-Verarbeitung ist aber in jedem Fall abschaltbar zu gestalten, um den erfahrenen Anwender nicht zu langweilen. Als sehr nützlich haben sich auch Code-Karten erwiesen, die den Befehlsvorrat und den Systemüberblick komprimiert enthalten.

Bei der Anwenderdokumentation haben sich mehrere Sichten herauskristallisiert. Neben kurzen Einführungen werden die User häufig in Form von Beispielen und sequentiell aufeinander aufbauenden Abschnitten mit dem System vertraut gemacht. Zweiter wesentlicher Teil ist dann eine meist alphabetische Beschreibung des Befehlsvorrates mit detaillierten und umfassenden Erläuterungen aller Möglichkeiten.