Bei sinkenden Hardwarepreisen gerät die optimale Kundenbetreuung ins Abseits:

Support-Defizit verprellt IBMs Midrange-User

01.08.1986

MÜNCHEN - IBM-Kunden gehen auf die Barrikaden: Viele Anwender von kleinen und mittleren Systemen beklagen den seit Jahren immer schlechter werdenden Support ihres Herstellers.

Grund für die Verstimmung ist vor allem die Strategie des Marktführers, die eigene Personalknappheit im Bereich der Software-Unterstützung durch externe Vertriebspartner aufzufangen. Seit der Einführung der Software Service Organisation (SSO) vor rund zwei Jahren war es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gekommen.

"Das ist eine Politik, die IBM von Amerika aufgezwungen wurde", entrüstet sich Ton Tilburgs, President der deutschen Gruppe von Common Europe und DV-Leiter der Steigen-Berger Hotel AG, Frankfurt. Wir sind generell gegen SSO als Vertragspartner." Über eine Einigung liegt die IBM-Benutzervereinigung für kleine und mittlere Systeme derzeit mit dem Branchenriesen im Clinch: Sie beschwerten sich beim IBM-Headquarter in Paris - und zwar als Common Europe international. In diesem Rahmen stehen nunmehr rund 2000 Anwender als geschlossene Front hinter den Vorwürfen gegen den Marktführer.

Tilburgs bringt die User-Wünsche auf einen Nenner: "Wir wollen keinen SSO, sondern einen Unterstützungspartner, der uns Auskunft geben kann über neue Entwicklungen, Änderungen und Einsatzmöglichkeiten der Systeme. Ein akzeptabler Partner müßte über fünf oder sechs Systeme Bescheid wissen; das kann man einem VB heute nicht mehr zuhauen."

Viele Anwender sehen die Wurzel allen "blauen" Übels in der personellen Unterbesetzung der IBM im SE-Bereich. "Im Rahmen des sogenannten Customer-Set-up legt die IBM viele der früher selbst durchgeführten Support-Aktivitäten in die Hand des Kunden", kommentiert Wolfgang Liedermann, DV-Leiter der Kapsch AG, Wien. "Braucht ein Benutzer beispielsweise in einer Planungsphase für ein DV-Projekt entsprechende Konfigurations- oder Installationsvariablen, die über das Nullachtfünfzehn-Maß hinausgehen, bekommt er bei dem heute gebotenen Support Probleme. In diesen Fällen wirkt sich die Personalknappheit der IBM auf fachlichem Gebiet eben negativ aus."

Verärgert über die IBM-Politik zeigt sich auch DV-Chef Gunter Leichsenring von der Schuhfabrik Oswald GmbH im österreichischen Sankt Georgen - ein nach eigenen Worten "zu hundert Prozent auf Big Blue ausgerichteter Mensch": "Mir scheint inzwischen die untere Grenze in puncto Support und Ehrlichkeit für einen Hersteller erreicht." Die IBM habe den Anwendern in letzter Zeit einiges zugemutet; trotzdem glaube sie immer noch, ihren Kunden das Optimale zu bieten. Er habe allerdings als langjähriger User bessere Zeiten erlebt. Leichsenring: "Neulinge haben diesen Support nie kennengelernt - da hat die IBM natürlich leichtes Spiel."

Auf Klagen dieser Art reagiert der Branchenriese aber vorerst gelassen. So antwortete beispielsweise die Direktion der IBM Österreich vor kurzem auf eine Anwenderbeschwerde über den nachlässigen Software-Support mit vornehmer Zurückhaltung: "Eine allgemeine Reduktion der Unterstützung war nie unser strategisches Ziel, sondern es ist stets unser Bemühen, eine qualitativ hochstehende und quantitativ ausreichende Unterstützung zu bieten." Allerdings sei es nicht ausgeschlossen, so räumte der Marktführer weiter sinngemäß ein, daß einzelne Geschäftsstellen nicht ordentlich arbeiten.

Die Mitarbeiter aus den alpenländischen Dependancen fühlen sich ob solcher Äußerungen von ihren IBM-Oberen offensichtlich auf den Schlips getreten: Natürlich ist die Kundenbetreuung schlechter geworden, so der Tenor aus den "unteren Chargen". Bei den seit Jahren sinkenden Hardwarepreisen sei jetzt oft aus dem Support die Luft raus.

Auch die IBM Deutschland GmbH gibt sich trotz Unruhe in den eigenen Reihen verständlicherweise bedeckt: Es seien bereits Hotlines für die Schrägstrich-Modelle /36 und /38 eingerichtet worden, lautet die offizielle Stellungnahme der Stuttgarter. Ansonsten sei man um kompetente Vertragshändler vor allem in den Fachbereichen bemüht. Doch diese sind oft auf ihren "zusätzlichen Brötchengeber" nicht besonders gut zu sprechen. Vom Branchenprimus durch feste Verkaufsvorgaben an die Kandare genommen und von Folgegeschäften mit der Hardware ausgeschlossen, sehen viele Software- und Systemhäuser die "Partnerschaft" inzwischen zunehmend als Ärgernis. "Das ist keine faire Basis", schimpft ein SSO aus dem Rhein-Main-Gebiet. "IBM benutzt uns nur, um einen Fuß beim Anwender in die Tür zu bekommen."