Big Blue will sich bei Parallan einkaufen

Superserver sollen IBM Weg zu Client-Server-Systemen ebnen

01.05.1992

MOUNTAIN VIEW/MÜNCHEN (jm) - Nachdem die IBM bereits mit ihrem neuen RISC/6000-Server 970 anklingen ließ, daß die /370-Großrechnerbasis nicht mehr tabu ist, verstärken Informationen über eine Zusammenarbeit mit Superserver-Hersteller Parallan Computer Inc. den Eindruck, daß sich Big Blue schneller als geplant der Client-Server-Idee zuwenden will.

Offensichtlich ist die IBM an einem längerfristigen (zehn Jahre) Entwicklungs- und Vermarktungsabkommen mit dem Newcomer aus Mountain View interessiert. Aus diesem Grunde will sich Big Blue auch finanziell an Parallan beteiligen. Nach noch inoffiziellen Informationen aus der Branche ist von einer 20prozentigen Beteiligung an der privat gehaltenen Firma die Rede.

Ein Sprecher der IBM-Zentrale in Armonk wollte gegenüber der COMPUTERWOCHE lediglich bestätigen, daß man mit den Kaliforniern in Kontakt sei: "Wir sprechen mit Parallan." Branchenbeobachter sehen in dem sich abzeichnenden Deal allerdings auch die Gefahr, daß Parallan seine Selbständigkeit verliert und in Zukunft von der IBM dominiert werden könnte.

Auf diese Weise wolle sich Big Blue die Technologie der Server-290-Produkte der drei Jahre alten Company zu eigen machen. Nach Aussagen von IBM-Kennern denken die Armonker schon für Ende des laufenden Quartals daran, Parallans Rechner an Big-Blue-Kunden zu vertreiben. Außerdem sei geplant, gemeinsam mit Parallan Server-Systeme zu entwickeln, die sich in das Spektrum der Superserver von Parallan und zwei in Kürze vorzustellender Server-Maschinen von IBM - Codename "Home Run" einfügen sollen.

Von der Kooperation nicht betroffen sind nach Aussagen von Branchen-Insidern übrigens die Multiprozessor-Entwicklungen der IBM auf Basis von PS/2-Modell-95-Systemen, die im Herbst präsentiert werden sollen. Hierbei handelt es sich um auf dem asymmetrischen Technologie-Konzept aufbauende -Systeme mit je einer 486-CPU auf der Prozessor- und der Bus-Master-Karte. IBM-Insider weisen darauf hin, daß zeitgleich mit der Hardware auch eine Multiprozessor-fähige OS/2-Version zur Serienreife erlangen soll.

Dies wäre deckungsgleich mit Äußerungen von Beobachtern, der Deal mit Parallan deute bereits auf Planungen der IBM, zukünftig zeitkritische Anwendungen - zu denken sei auch an CICS-Programme - auf in der Entwicklung befindlichen asymmetrisch ausgelegten Multi-CPU-Systemen zu fahren.

In puncto Offenheit sind IBM-Systeme nicht up to date

Erstmals waren die Kalifornier um Entwicklungschef Arthur G. Chang im November 1990 mit Mehrprozessor-Systemen auf den Markt gekommen und damit in Konkurrenz vor allem zur Netframe Systems Inc. und der Tricord Systems Inc. getreten (vgl. CW Nr. 9 vom 28. Februar 1992, Schwerpunkt "Superserver").

Parallan ist von den in einer Forrester-Research-Studie im November 1991 unter die Lupe genommenen Spezialanbietern für Superserver nicht nur der jüngste. Mit knapp zehn Millionen Dollar Umsatz sind die Kalifornier nach Netframe (etwa 20 Millionen Dollar Umsatz im Jahr 1991 nach Forrester-Angaben) und Tricord (zirka 17 Millionen Dollar Umsatz 1991) auch der kleinste im Bund der Hersteller von Applikations- und Datenbank-Servern, die sich von der Architekturkonzeption her als Zwittersysteme zwischen PCs und Mini- beziehungsweise Großrechnern einstufen lassen.

In diesem Umstand sahen Parallan-Anwender bislang auch den Grund für Besorgnis. Sie beurteilten deshalb in ersten Stellungnahmen das IBM-Engagement sehr positiv, stärke es doch die finanzielle Position von Parallan.

Obwohl sich beide Firmen bislang in bezug auf eine zukünftige Zusammenarbeit noch bedeckt halten, würde das IBM-Engagement nach Meinung von Branchenbeobachtern Sinn machen. Ein dem Parallankonzept eigenes Charakteristikum - vorher in der Branche eher als Einäugigkeit gewertet und als Negativum gehandelt schlüge in einer Verbindung mit Big Blue positiv zu Buche: Die Server-290-Maschinen lehnen sich durch die Konzentration auf das OS/2-Betriebssystem und die Mikrokanal-Busarchitektur von Haus aus eng an Big Blues PC-Konzept an.

In diesem Sinne äußerte sich denn auch Parallans Marketing-Direktor David S. Fields gegenüber der COMPUTERWOCHE, obwohl auch er sich mit offiziellen Aussagen nicht aus dem Fenster lehnen wollte: "Eine Kooperation mit der IBM wäre in jeder Hinsicht von Vorteil, da unsere Produkte ganz auf die IBM-Linie zugeschnitten sind."

Parallan verspreche sich von der IBM vor allem ein überzeugendes Muskelspiel, wenn es darum gehe, weltweit schlagkräftige Vertriebs- und Support-Ressourcen aufzubauen. IBM-Offizielle erhoffen sich, über das erweiterte Server-Angebot auch das Interesse an OS/2 weiter zu fördern. Das Multitasking-Betriebssystem stellt bekanntlich vor allem in Netzwerken eine Alternative dar, hingegen dürfte es als Singleuser-Betriebssystem wenig Sinn machen.

Die Server-290-Modelle unterstützen neben IBMs LAN-Server-Netzwerkversion auch die Microsoft-Variante LAN Manager sowie Novells Netware.

Indirekt bestätigte Parallan-Manager Fields, daß die IBM durchaus Nachhilfeunterricht in Sachen Öffnung von Systemen benötige. Gefragt, ob durch die Aufnahme der Server-290-Linie in die IBM-Angebotspalette der Wettbewerbsdruck auf Big Blues Mini- und Großrechnersysteme nicht noch mehr wachse, bemerkte Fields, der Großrechner-Marktführer habe deutlich die Absicht bekundet, in Zukunft in der Client-Server-Arena ein wichtiger Mitspieler zu sein.

"Um hier aber Erfolg zu haben, müssen Sie Produkte anbieten, die auf von Kunden benutzten Standards aufsetzen", so Fields.

Das heiße, daß ein Hardware-Anbieter Netzwerkstandards unterstützen müsse, mit der sich die gesamte PC-Welt - einschließlich Hard- und Software - bedienen lasse. "Und diesbezüglich", resümiert Fields, erfüllen IBM-Großrechner und Midrange-Systeme wie die AS/400 eben nicht die Anforderungen, die heutzutage von Kunden verlangt werden."