Top-500-Liste sieht Big Blue vorn

Supercomputer wachsen in die kommerzielle DV

10.12.1999
Am Rande der Supercomputerkonferenz in Portland präsentierte Hans-Werner Meuer von der Universität Mannheim zum vierzehnten Mal die Top-500-Liste der schnellsten Rechner der Welt. Gemessen an der Zahl der Installationen hat IBM den einstigen Spitzenreiter SGI/Cray überflügelt. Neben dem technisch-wissenschaftlichen Bereich werden die Superrechner zunehmend auch für kommerzielle Anwendungen eingesetzt.

Nach vielen Jahren, in denen regelmäßig SGI/Cray als der Hersteller mit den meisten Rechnern in der Liste erschien, gab es in diesem Jahr eine faustdicke Überraschung: IBM zog an dem Rivalen, gemessen an der Anzahl der Installationen, vorbei. Big Blue installierte 141, SGI/Cray 133 Systeme. Sun belegt mit 113 Rechnern Rang drei. Bezogen auf die Leistung liegt SGI/Cray mit 19,5 Teraflops vor IBM mit 13,7 und Sun mit 4,8 (ein Teraflops entspricht einer Billion Rechenoperationen pro Sekunde).

In nur einem Jahr hat sich die Liste erheblich verändert. Die akkumulierte Leistung stieg von 30 auf jetzt 51 Teraflops. Inzwischen überschreiten schon mehr als 100 Rechner die 100-Gigaflops-Marke, und sogar der Letzte der Liste verdoppelte die Leistung gegenüber 1998 von 17 auf 33 Gigaflops (Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde).

Die schnellsten Rechner der Welt sind im Rahmen des eine Milliarde Dollar schweren Asci-Programms (Accelerated Strategic Computing Initiative) des amerikanischen Energieministeriums zur Simulation von Atomwaffenversuchen installiert. Sie stehen in den Labors von Sandia, Lawrence Livermore und Los Alamos. Noch liegt das aufgerüstete System Intels (Asci Red) in Sandia vorne. Es erreicht eine Linpack-Leistung von 2,38 und eine Spitzenleistung von 3,2 Teraflops mit 9632 Pentium-II-Prozessoren. Das Asci-Blue-Pacific-System von IBM in Lawrence Livermore kommt mit 5808 Prozessoren auf einen Linpack-Wert von 2,1 und eine Spitzenleistung von 3,9 Teraflops. SGIs Asci Blue Mountain in Los Alamos koppelt 6144 Prozessoren und erreicht 1,6 beziehungsweise 3,1 Teraflops Spitzenleistung. Nur diese Rechner überschreiten beim Linpack-Test die Marke von einem Teraflops.

Auf Platz 120 lauert der potentielle nächste Spitzenreiter, der Asci-White-Prototyp von IBM. Er soll im Frühjahr 2000 übergeben werden und zwischen 11,5 und 13,2 Teraflops Spitzenleistung bieten. Die Linpack-Leistung liegt schätzungsweise bei sechs Teraflops. Der Rechnerverbund besteht aus 512 SMP-Knoten mit jeweils 16 Power-3+-CPUs und 4 Terabyte RAM. Der Preis soll nach IBM-Angaben bei 85 Millionen Dollar liegen.

Aufgelistet nach Regionen führen auch in diesem Jahr die USA mit 54 Prozent der Rechner und 60 Prozent der Leistung. Mit einigem Abstand folgen Europa (30 Prozent nach Installationen, 25 Prozent nach Leistung) und Japan mt elf und 13 Prozent. Die Dominanz der USA zeigt sich auch in anderer Hinsicht: Von den 500 Systemen werden 442 in Amerika und nur 57 in Japan gefertigt.

Gegenüber dem letzten Jahr hat sich der Anteil der Industrie von 206 auf 246 Installationen erhöht, sie stellt damit fast die Hälfte der Rechner und 25 Prozent der Leistung. Spitzenreiter ist hier der Online-Broker Charles Schwab (Platz zwölf) mit einem IBM-SP-Rechner mit 2000 Prozessoren und einer Spitzenleistung von 1,3 Teraflops. Insgesamt 132 Rechner mit 13 Prozent der Gesamtleistung sind den Bereichen Datenbanken, Finanzwesen und Telekommunikation zuzuordnen.

Dagegen haben sich die Rechner im Hochschulbereich weltweit von 90 auf jetzt 70 reduziert, auch in der Leistung auf 14 Prozent. Zwar sanken auch in der Forschung die Installationen von 139 auf 128; dagegen blieb die Leistung mit 46 Prozent der weltweiten Kapazität im gleichen Bereich wie vor einem Jahr. Damit dominiert der Forschungssektor die Supercomputeranwendungen.

Der neue Trend "Clusters of Workstations" (Cluster aus mehreren Workstations) ist auch aus der Top-500-Liste ersichtlich. Gegenüber zwei Systemen vor einem Jahr sind jetzt sieben Cluster, bestehend aus SMP-Knoten mit jeweils bis zu zwölf Prozessoren, enthalten, von denen drei sogar unter den ersten 50 Rechnern der Liste zu finden sind. Die Rechner mit größeren SMP-Knoten (mehr als 16 Prozessoren) legten sogar auf 69 Systeme zu. Dazu gehört auch SGIs Asci Blue Mountain mit 48 SMP-Rechnern.

In Deutschland hat sich seit Juni dieses Jahres viel getan. Die Anzahl der Rechner wuchs um 36 Prozent auf 64, die Leistung stieg um 54 Prozent auf 5,4 Terraflops. Das entspricht 13 Prozent der weltweiten Rechner und elf Prozent der kumulierten Kapazität. Forschung und Hochschulen waren an diesem Zuwachs nicht so stark beteiligt. Die Zahl der Systeme hat sich in diesem Umfeld kaum verändert.

In Deutschland dominieren nicht mehr die klassischen industriellen Anwendungen wie aus dem Ingenieurbereich. Statt dessen sind bereits 14 Rechner in der Telekommunikation und 13 bei Banken installiert. Nur noch fünf Supercomputer sind der Automobilindustrie zuzuordnen. Gemessen an den Installationen führt auch hierzulande IBM mit 24 Rechnern klar, gefolgt von Sun mit 17, Hewlett-Packard mit acht und Cray/SGI mit sieben Maschinen.

*Uwe Harms arbeitet als freier Journalist und Berater in München.