Web

Thema des Tages

Suns oberster Java-Mann wirft das Handtuch

04.08.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Überraschend hat Alan Baratz (44), President der erst vor kurzem etablierten Sun-Division Software Products and Platforms, seinen Rücktritt erklärt. Baratz, der in dieser Position unter anderem für die Internet-Programmiersprache Java (samt Jini = Java Intelligent Network Infrastructure) sowie für das Sun-Unix Solaris verantwortlich war, wechselt in zwei Wochen zum IT-Team der New Yorker Investment-Firma Warburg, Pincus & Co. Seine Nachfolge übernimmt laut COO (Chief Operating Officer) und President Ed Zander vorerst kommissarisch John Kannegard, Vice-President und General Manager der Java Platform Division.

Baratz war vor seiner Zeit bei Sun Director of Strategic Development bei IBM und Berater von Lou Gerstner sowie später President und CEO (Chief Executive Officer) der zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehörenden Delphi Internet Services. Er hatte seit 1996 bei der McNealy-Company die Abteilung Java Software geleitet und den ehemaligen Hardware-Anbieter Sun Microsystems mit seinen Aktivitäten tiefer als jemals zuvor in den Software-Markt getrieben. Erst im vergangenen Monat hatte er im Zuge der Neustrukturierung des Unternehmens (CW Infonet berichtete) die volle Verantwortung über Java, Solaris und Suns Entwicklungswerkzeuge bekommen. Offensichtlich fiel der neue Posten nicht nach seinem Geschmack aus, denn sonst hätte er sich wohl kaum frühzeitig nach einem Job umgesehen.

Beobachter vermuten, daß dem Manager schlicht der Spaß an Java vergangen ist. Die spannenden Pionierzeiten der Programmiersprache sind vorbei, und nun heißt es Geld verdienen und das stressige Tagesgeschäft bewältigen. Sun steht gerade im Zusammenhang mit Java vor einer Reihe schwieriger Aufgaben. Der Hersteller steckt mitten im Lizenzprozeß mit Microsoft, will Java zu einem internationalen Standard machen, die Open-Source-ähnliche Initiative "Java Community Process" in die richtigen Bahnen lenken und last but not least sich einer Reihe von Konkurrenten erwehren, die Java kopieren oder nach eigenen Wünschen modifizieren wollen.

Java zumindest soll endlich auch Geld in Suns Kassen bringen. Anne Thomas, Analystin bei der Patricia Seybold Group, erwartet, daß die Einnahmen von den mittlerweile Dutzenden Lizenznehmern dazu bald ausreichen werden. "Java wird jetzt bei 70 Prozent aller ´Fortune-500´-Unternehmen im Produktionsbetrieb eingesetzt. Es ist inzwischen echte Enterprise-Technologie." Den Abgang von Baratz sieht die Expertin jedenfalls mit Bedauern: "Es tut einer Firma immer weh, einen CEO zu verlieren - und Alan war praktisch der CEO von Java."

Tim Sloane von der Bostoner Aberdeen Group sieht das genauso: "Zu einem schlechteren Zeitpunkt hätte der Rücktritt kaum kommen können. Java ist ein Riesenbereich, und dessen Leiter muß sowohl technisch als auch menschlich top sein. Da kann man nicht einfach jemanden von Pepsi als Ersatz holen." Sloane könnte sich Pat Sueltz, General Manager Java Software bei IBM, als geeignete Kandidatin für die Nachfolge vorstellen. "Pat macht einen guten Job. Sie versteht etwas vom Geschäft, kennt sich mit der Technik aus und hat gute Kontakte zu den Kunden." Allzu lange dürfte es ohnehin nicht dauern, bis Baratz´ Sessel wieder besetzt ist - Ed Zander hat bereits erklärt, Sun werde die Suche nach einem Nachfolger "agressiv" vorantreiben.