Microsoft und Intel basteln an eigenem NC-Konzept

Suns Netzwerk-Computer ruft Wintel-Lager auf den Plan

08.11.1996

Im Rahmen einer weltweiten Ankündigung in New York City präsentierte Sun Microsystems seine "Javastation" erstmals öffentlich. Der NC kommt ohne Festplatte, Disketten- oder CD-ROM-Laufwerk aus. Auch Einschübe für Erweiterungen fehlen. Das Herzstück bildet eine CPU vom Typ "Microsparc II".

Einen Tag vor der Sun-Ankündigung waren Microsoft und Intel, die bisher die NC-Idee vehement abgelehnt hatten, mit einem eigenen Konzept für einen preiswerten Netz-PC an die Öffentlichkeit gegangen. Bis Ende 1996 wollen sie gemeinsam mit führenden Anbietern aus dem PC-Lager Spezifikationen für die Hard- und Software-Ausstattung des Rechners ausarbeiten. Den Angaben zufolge soll der Net PC mindestens mit einem 100-Megahertz-Pentium-Prozessor ausgestattet sein und entweder unter Windows oder Windows NT arbeiten.

Gates verspricht reduzierten PC-Verwaltungsaufwand

Der Net PC werde sich von den NCs dadurch unterscheiden, daß er kompatibel zu herkömmlichen PCs sei, erklärte Microsoft-Chef Bill Gates auf der "Site Builder's Conference" im kalifornischen San Jose. Außerdem werde der Net PC eine Festplatte haben, die als Cache-Speicher für die Informationen vom Server diene. Die Maschine werde alle Fähigkeiten eines Windows-PCs und der zugehörigen Software bieten, so Gates. Diese Funktionen würden jedoch in einen Rahmen gepackt, der die erforderlichen Hardwaremodifikationen im Lebenszyklus eines PCs reduziere. "In den meisten Fällen wird es damit getan sein, Arbeitsspeicher hinzuzufügen", versprach der Manager.

Zu den Herstellern, die die Net-PC-Initiative unterstützen, gehören unter anderem Compaq, Digital Equipment, Hewlett-Packard, Dell, Packard Bell-NEC, Gateway 2000 und Texas Instruments. HP plant angeblich, 1997 mit einem entsprechenden Produkt auf den Markt zu kommen. IBM, die mit ihrer "Network Station" einen eigenen NC-Ansatz verfolgt, hat sich der Allianz nicht angeschlossen.

Suns CEO Scott McNealy reagierte gelassen auf die Offensive des Wintel-Lagers, den PC als "Thin Client" zu positionieren. "Die Leute bezeichnen diesen Rechner als Fat-Client-PC auf Diät", spottete der Manager. "Ich bezeichne ihn als PC in einem Korsett, mit fest angezogenen Schnüren und einem roten Gesicht." Der PC werde immer ein "Fat Client" bleiben, gab sich McNealy überzeugt. Daran könne die Wintel-Initiative nichts ändern.

Der Sun-NC ist in der Grundausstattung mit einem Arbeitsspeicher von 8 MB ausgerüstet, der sich auf 64 MB ausbauen läßt. Für den Netzanschluß sorgt eine integrierte 10Base-T-Verbindung, die Mitte 1997 auf 100Base-T aufgerüstet werden soll. Der Hersteller bietet wahlweise einen 14- oder 17-Zoll-Monitor an.

Die Javastations arbeiten mit dem Java-OS und sollen künftig im Bundle mit dem Programmpaket "Hot Java Views" angeboten werden. Dieses besteht aus dem Sun-eigenen Browser "Hot Java", Electronic-Mail- und Kalenderfunktionen sowie einem Name Directory. Die Auslieferung der Rechner ist für Dezember 1996 geplant. Das Einstiegsmodell wird mit 8 MB Arbeitsspeicher, Maus und Tastatur etwa 1480 Mark ohne Monitor kosten. Eine Konfiguration mit 14-Zoll-Monitor kommt auf rund 1990 Mark. Daneben bietet Sun ein Modell mit 64 MB RAM und 17-Zoll-Bildschirm für 4560 Mark an.

Die Javastations liegen damit zwar leicht über den angekündigten Preisen anderer NC-Varianten. Der Argumentation des Herstellers zufolge ist jedoch nicht der Anschaffungspreis der Rechner entscheidend, sondern die Gesamtkosten. Diese lägen bei einem herkömmlichen PC bei ungefähr 12000 Dollar jährlich. Mit den Javastations ließen sich diese Aufwendungen auf ein Viertel bis ein Fünftel reduzieren, versprechen die Marketiers.

Im Gegensatz zu den Plänen anderer NC-Anbieter wie etwa Oracle positioniert Sun sein NC-Modell vorerst ausschließlich für den Einsatz in Unternehmen. Im ersten Schritt wolle man das Intranet-Segment bedienen, so Michael Schroeder, Produkt-Marketing-Manager bei der deutschen Sun-Tochter. Danach könnten die NCs mit den zugehörigen Java-Servern in erweiterten Extranets zum Einsatz kommen, in denen etwa Zulieferer und Kunden in das Intranet eines Unternehmens eingebunden werden. Eine Vermarktung der NCs als Zugangsgerät für das Internet hält Sun erst ab 1998 für möglich.

Das Gegenstück zu den Java-Clients bilden die sogenannten "Netra-j-Server", die Sun zusammen mit den NCs vorstellte. Die Rechner sollen als leicht administrierbare Java-Server im Markt positioniert werden. Die Konfigurationen dieser Modellreihe reichen vom Einstiegsrechner für die Verwaltung von 20 bis 50 NCs ("Netra j 110) bis zum High-end-System für die Unterstützung mehrerer tausend Netzwerk-Computer ("Netra j 5000").